Halterner Klasse trifft sich 70 Jahre danach Als der Rohrstock noch regierte

Halterner Klasse trifft sich 70 Jahre danach
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Sie selbst gaben sich die Bezeichnung „Das fröhliche Klassenzimmer“. Weil sie noch so gut drauf sind. Und immer etwas zu lachen haben. 70 Jahre nach ihrer Entlassung haben sich Schüler der ehemaligen Marienschule in Haltern getroffen. Ein Tag voller Erinnerungen an Zeiten, als noch der Rohrstock regierte.

Schüler der ehemaligen Marienschule in Haltern trafen sich 70 Jahre nach ihrer Entlassung.
Eine fröhliche Truppe: Schüler der ehemaligen Marienschule in Haltern trafen sich 70 Jahre nach ihrer Entlassung. © Christof Perrevoort

„Von ehemals 63 Mitschülern sind noch 20 übrig“, sagt Dieter Böhmer (84), der das Treffen organisiert hat. 16 sind an diesem Tag in den Seehof gekommen. Alle sind Jahrgang 1940 oder 1941. Auch Böhmers Frau Adele (83) ist mitgekommen, hat für alle ein Fläschchen Piccolo besorgt: „Zum besonderen Jubiläum.“

Die Marienschule gibt es schon viele Jahre nicht mehr, dort ist das Wohn- und Geschäftsquartier Marienhof entstanden.

Sie ging in die Parallelklasse; damals waren Jungs und Mädchen noch streng getrennt. Lieben gelernt haben sie sich allerdings viel später, als Dieter Böhmer Küchenmeister in der LWL-Klinik in der Haard wurde. „Beim Betriebsausflug hat es gefunkt“, lacht er etwas verlegen.

Dann entschuldigt er sich. Er hat eine kleine Rede vorbereitet und sagt am Ende: „Lasst uns ein paar gemütliche Stunden verbringen und über alte Zeiten quatschen.“

Im Seehof gibt es Kaffee und Torte. Und reichlich Anekdoten: „Weißte noch, damals …“ Als sie den Rohrstock mit einer Zwiebel bearbeitet haben. Das machte ihn schön mürbe, er zerbrach schneller. „Und rettete so manches Hinterteil“, sagt einer und lacht. „Wie oft sind wir vor dem Rohrstock geflüchtet – über Tische und Bänke. Der Lehrer hat uns trotzdem erwischt“, sagt Böhmer. Den Trick mit der Zwiebel hatte jemand aus dem Chemieunterricht mitgebracht.

Die Tafel als Strafe

Damals wurden den Schülerinnen und Schülern noch Süßigkeiten oder Nüsse zugeteilt. Mit der Auflage, sie auf keinen Fall während des Unterrichts zu naschen. Adele Böhmer erinnert sich: „Das war wirklich schwer. Einmal konnte ich nicht anders und habe genascht. Natürlich hat mich der Lehrer mit vollem Mund erwischt. Ich musste zur Strafe den ganzen Unterrichtstag hinter der Tafel stehen.“

Das war die alte Klasse der Marienschule in Haltern – nur Jungen.
Das war die alte Klasse der Marienschule - nur Jungen. Sie haben sich jetzt 70 Jahre nach ihrer Entlassung wiedergetroffen. © Archiv

An zwei Tafeln im Seehof hängen alte Zeitungsartikel und Fotos. Auch von ihrem ehemaligen Klassenlehrer Helmut Bülling. Oder als sie damals ein Klassentreffen im Windmühlen-Museum in Gifhorn gemacht haben. Da waren sie noch deutlich jünger – und mehr. Auf einem ganz alten schwarz-weißen Klassenfoto sieht man die Schüler mit ernster Miene. „Das war damals so“, erinnert sich Böhmer.

Seine Klassenkameraden sind aus Münster, Gladbeck oder Dülmen angereist: „Viel weiter ist niemand gekommen. Alle sind ihr Leben lang in der Region geblieben und sehr heimatverbunden.“ Nur Böhmer war als Seemann in der Welt unterwegs.

An Klassenbucheinträge kann sich niemand mehr so recht erinnern. „Gab es die überhaupt?“, fragt sich die Runde. Wohl aber eine Note im Betragen. Böhmer: „Ich hatte meist ein ,Befriedigend‘ auf dem Zeugnis.“

„Es waren andere Zeiten“

Was ist heutzutage anders? „Es waren damals komplett andere Zeiten in der Schule. Das kann man nicht vergleichen. Wir hatten damals noch Respekt vor Lehrern und Priestern. Das gibt es heute kaum noch“, sagt Böhmer.

Beim ersten Treffen, das Böhmer vor 20 Jahren organisierte, hatte noch die Band „Die Kaiserlichen“ aus Seppenrade gespielt. „Da haben viele noch auf den Tischen getanzt.“ Die Zeiten sind natürlich vorbei. Mit dem Laufen klappt es bei vielen nicht mehr so gut. Aber lachen, das können sie immer noch, laut und herzlich.