Aus Kamerun über die Ukraine nach Haltern Jesse Ngantcha hat ein festes Ziel

Aus Kamerun über die Ukraine nach Haltern: Jesse Ngantcha hat ein Ziel
Lesezeit

Dass er in Haltern gelandet ist, war zwar eher ein Zufall, aber ansonsten hat Jesse Ngantcha ein festes Ziel: Er möchte in Deutschland studieren. Der 26-Jährige hat schon einen langen Weg hinter sich. Aber er will etwas erreichen.

Jesse stammt aus Kamerun. „Ich bin dort in dem kleinen Dorf Bangwa geboren“, erzählt er. Und schon dort hatte er einen Plan: Jesse Ngantcha wollte studieren. „Mein Traumberuf war Rechtsanwalt“, sagt er. Und diesem Ziel kam er mit der Aufnahme eines Jurastudiums in der Hauptstadt Kameruns Yaoundé (Deutsch meist: Jaunde) einen Schritt näher.

Aber schon bald musste Jesse sein Heimatland verlassen: „Kamerun gilt zwar allgemein als sicher, aber das ist in Wirklichkeit nicht so“, sagt der 26-Jährige. Und so entschied er sich 2018, in die Ukraine auszureisen, wo er sein Studium im Bereich Wirtschaft fortsetzen wollte.

Eine schwere Sprache

„Ich habe dort gearbeitet und nebenbei wieder angefangen zu studieren“, sagt er. „Ein Teil des Studiums war in Englisch, aber ich habe auch die ukrainische Sprache gelernt. Es war aber schwer, sich darin zu verständigen, denn die Leute auf der Straße haben oft ganz anders geredet, als wir es im Studium gelernt haben.“

Und dann kam 2022 der russische Überfall auf die Ukraine. Jesse war klar, dass er im Krieg nicht bleiben konnte. „Zuerst bin ich mit einem Freund zu Fuß nachts bis an die polnische Grenze gelaufen“, erinnert er sich. „Aber dort hat man uns nicht über die Grenze gelassen. Deshalb mussten wir wieder umkehren.“

Sein Weg aus der Ukraine führte dann schließlich über die Slowakei. „Von dort konnte ich mit einem Zug nach Berlin fahren“, sagt Jesse. Aber dort kamen gerade ganz viele Ukrainer an, die auch vor dem Krieg nach Deutschland geflohen waren. „Ich habe erst keine Unterkunft gefunden, musste sogar drei Nächte auf der Straße schlafen.“

Überfüllte Unterkunft

Die Flüchtlingsunterkunft, in der er dann landete, war völlig überfüllt. Schließlich wurden die Geflüchteten auf die Republik verteilt und Jesse kam nach Nordrhein-Westfalen, fand sich schließlich in Haltern wieder.

Wieder kannte er die Sprache nicht, wieder musste er neue kulturelle und gesellschaftliche Regeln kennenlernen. „Das war am Anfang schwer“, sagt er. „Erste Unterstützung habe ich dann beim Verein Vitus gefunden.“

Heute, zwei Jahre später, spricht Jesse fließend Deutsch. Wie hat er das gemacht? „Ich habe mir Bücher ‚Deutsch als Fremdsprache‘ besorgt, und ich habe bei Vitus Deutschkurse mitgemacht“, sagt er. Vor allem aber war ihm eins wichtig: So viel wie möglich Deutsch sprechen, um die Sprache zu lernen.

Afro Dance ist das Hobby von Jesse Ngantcha. Darin hat er auch schon Preise gewonnen.
Afro Dance ist das Hobby von Jesse Ngantcha. Darin hat er auch schon Preise gewonnen. © privat

„Vitus ist sehr kommunikativ, da wird viel gesprochen und immer Deutsch, da habe ich viel gelernt. Und ich habe, egal mit wem ich zusammen war, immer gesagt: ‚Ich will Deutsch reden‘. Manchmal haben wir uns dann nicht richtig verstanden, weil viele nicht richtig Deutsch konnten, aber die Kommunikation in der Sprache war mir immer besonders wichtig.“

Aufstehen um vier Uhr morgens

Inzwischen hat Jesse Ngantcha eine einjährige Ausbildung zum Pflegeassistenten erfolgreich abgeschlossen, die er im St.-Anna-Altenheim absolviert hat. Daran schloss sich eine dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft an, die er in Gelsenkirchen absolviert. Das bedeutet zurzeit: Aufstehen um vier Uhr morgens, um mit der Bahn zur Arbeitsstelle zu fahren.

Nebenbei hat Jesse Ngantcha ein Hobby: Er tanzt Afro-Dance, macht bei einer Gruppe mit, die im ganzen Ruhrgebiet und Münsterland auftritt, auch in sozialen Projekten mit Kindern. Auch Preise hat Jesse dadurch schon eingeheimst.

Zurzeit sei das alles manchmal anstrengend, gibt Jesse zu. Aber er hat sein Ziel nicht aus den Augen verloren. Er möchte auch in Deutschland wieder an die Uni. „Vielleicht sogar Medizin studieren.“ Dafür hängt er sich so richtig rein.