Integration in Haltern Unternehmer kritisiert Behördendschungel

Integration in Haltern: Unternehmer kritisiert Behördendschungel
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Direkt in der Nähe des Café Extrablatt befindet sich das Möbelgeschäft Döbber. Hermann Döbber hat sein Geschäft inzwischen an seine Kinder übergeben.

Er beschäftigte in seiner beruflichen Existenz fünf bis sechs Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern, die aus dem Libanon, Kosovo, Syrien und Vietnam zu uns kamen. Aktuell beschäftigt das Unternehmen einen Mitarbeiter aus Aleppo.

Unternehmen wie das Möbelgeschäft fühlen sich bei der Arbeitsintegration vom Staat im Stich gelassen. Der 75-jährige Hermann Döbber sagt: „Das Bleiberecht, die Arbeitserlaubnis und dazu die 30 verschiedenen Duldungsstatus erschweren die Arbeitsmarktintegration. Es ist schwierig, durch den Behördendschungel durchzusteigen.“

Jeder Fall sei individuell zu betrachten. Hermann Döbber beklagt zudem die Zustände, wie geflüchtete Menschen aktuell untergebracht werden: „Es wäre besser, wenn sie wieder dezentral untergebracht werden, wie in der Wasserwerkstraße oder am Lorenkamp mit eigenen WC-Anlagen und Küchen und nicht in Massenlagern.“

Belastung hat zugenommen

Seit Kriegsbeginn in der Ukraine hat die Belastung im Asylkreis in Haltern zugenommen. Mit 300 ehrenamtlichen Helfern und Paten, die für Behördengänge oder bei Krankenhausbesuchen den Geflüchteten zur Seite stehen, wird der Asylkreis auch der zunehmenden Belastung gerecht.

Die Stadt Haltern gelte als ein Vorzeigebeispiel der Integration im gesamten Kreis Recklinghausen. „Dass es so gut funktioniert, liegt daran, dass die einzelnen Akteure aus der Caritas, der Kirche und Beteiligte seitens der Stadt, wie das Jobcenter und Bildungsträger, auf Augenhöhe zusammenarbeiten“, sagt Rebecca Srebny, die migrationspolitische Interessensvertretung aus dem Fachdienst für Integration und Migration des Caritasverbands Ostvest.

Was sich ändern müsste

Die Interessensvertreterin wünscht sich, dass Arbeitsverbote aufgehoben werden, der Staat deutlich mehr in die Beratung investiert und eine einheitliche Förderstruktur schafft, um den Zugang zu Sprache und Beratung zu vereinfachen. Das sei von Kommune zu Kommune unterschiedlich geregelt. Eine stärkere finanzielle Unterstützung würde den Kommunen helfen.

Um die Probleme der Arbeitsintegration zu verdeutlichen, erklärt Rebecca Srebny: „Es gibt bereits unterschiedliche Duldungsverhältnisse. Duldung bedeutet, dass das Asylverfahren negativ rechtskräftig abgeschlossen und damit komplett beendet ist. Eine Duldung ist die Aussetzung der Abschiebung.“

Ein Banner demonstriert für ein Recht auf menschenwürdiges Asyl.
Für ein menschenwürdigeres Asyl spricht sich auch Hermann Döbber aus, der für eine dezentrale Unterbringung wirbt. (Symbolbild) © dpa

Die Duldung ist dazu in verschiedenen Paragraphen des Aufenthaltsgesetzes geregelt. Paragraph 60B bedeutet, dass die Identität nicht geklärt ist und ein Arbeitsverbot besteht. Die Menschen haben keine Möglichkeit, eine Arbeit aufzunehmen. Wenn die Identität geklärt ist, kann sich ihr Duldungsstatus von 60B zu 60A ändern. Je nach individueller Prüfung kann eine Arbeit aufgenommen werden.

Abschiebung trotz Arbeit

Jedoch unterliegt die Arbeitsaufnahme einem festgelegten Prozess der Prüfung des Arbeitgebers zwischen kommunaler Ausländerbehörde und der Agentur für Arbeit. Trotz einer angenommenen Arbeitsstelle kann eine Abschiebung erfolgen. Zusätzlich gibt es die Paragraphen 60C (Ausbildungsduldung mit geklärter Identität) und 60D (Beschäftigungsduldung). Rebecca Srebny sagt: „Kinder werden in der Integration behindert, wenn die Identitäten nicht durch die Eltern geklärt sind. Sie erben das Schicksaal der Eltern und haben keine langfristige Perspektive.“

Die Identitätsklärung kann in eine Zwickmühle führen: „Es hat im Kreis Recklinghausen zwei Brüder gegeben, die beide einen Schulabschluss in Deutschland absolviert haben“, sagt Rebecca Srebny. „Einer von ihnen arbeitete jahrelang als Hilfskraft. Sein Bruder hat dagegen mit einer ungeklärten Identität eine Ausbildung absolviert. Während der Ausbildung wollte er seine Identität klären, um danach den Aufenthaltstitel zu bekommen, woraufhin die Identitätsklärung von der Ausländerbehörde genutzt werden könnte, um den Bruder abzuschieben.“

Lange Unterbringung hält auf

Lange Aufenthaltszeiten in der Landesunterkunft hindern die Menschen daran, in den Kommunen Fuß zu fassen. Damit das gelingt, bedarf es des Kontakts zu ehrenamtlichen Freunden, zur Zivilgesellschaft oder freiwillig Engagierten. So wurden beispielsweise Flüchtlinge von Marl nach Paderborn verlegt. Diese Prozesse in Verbindung mit langen Zeiträumen in der Landesunterkunft erschwerten die Integrationsarbeit.

Es müssten langfristige Perspektiven geschaffen werden, weil die Folgekosten sonst höher ausfallen würden. Rebecca Srebny: „Es wäre schöner, wenn die individuelle Situation der Geflüchteten stärker in den Fokus rückt. Es hat einen Mann gegeben, der jahrelang Schlachthöfe gereinigt hat. Der musste seinen Job kündigen, weil er ein Zertifikat einreichen musste, was er vermutlich aufgrund der Sprachmängel nicht erreichen wird. Dadurch wird seine Integration wieder gefährdet.“

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