„Wie war es denn früher so an Ostern, Herr Rusche?“ Flaesheimer erinnert sich

„Wie war es denn früher so an Ostern, Herr Rusche?“
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Er ist mit dem Fahrrad zur St.-Maria-Magdalena-Kirche nach Flaesheim gekommen. Weil er fast alles mit dem Fahrrad macht. Mit 79 Jahren fährt Albert Rusche noch immer 11.000 Kilometer im Jahr. Kein Weg ist ihm zu schwer.

Auch nicht in seiner Jugend. Als er mit seinen Eltern an Ostern fünf Mal in die Kirche ging: „Das war nicht immer beliebt.“

Von Donnerstag bis Montag gab es täglich einen Gottesdienst, erinnert sich Rusche: „Da mussten wir hin, da gab’s kein Vertun.“ Und am Sonntagnachmittag noch zum Unterricht: Christenlehre stand auf dem Plan.

„Da hatte Ostern noch eine Bedeutung im christlichen Sinne, da gab es noch eine Kirchengemeinschaft“, sagt der Rentner. „Heute wollen alle an Ostern nur noch weg. Und das Brauchtum ist auch bald weg“, ergänzt er etwas ernüchternd. Seine Eltern und seine drei Geschwister - „Früher sagten sie immer: ,Da kommen die Heiligen‘, wenn wir auf dem Weg zur Kirche waren.“

Ostern noch viel gesungen

Mit 14 Jahren ist er damals in den Kirchenchor gegangen, war 40 Jahre im Vorstand. „Ostern haben wir viel gesungen“, erinnert er sich. Heute sind von ehemals 35 Mitgliedern noch 20 übrig - wenn überhaupt. „Es kommt ja niemand mehr nach“, sagt Rusche und zeigt ein altes Schwarz-Weiß-Foto von 1966.

Albert Rusche zeigt auf ein Foto, das an einer Wand hängt.
Albert Rusche zeigt auf ein Foto, das den Kirchenchor aus dem Jahr 1966 zeigt. © Christof Perrevoort

„Vom früheren Ostern ist nicht mehr viel übrig, kaum jemand kennt noch die Bedeutung dieses Festes“, so Rusche. „Die haben doch nix mehr am Hut mit der Kirche.“

Früher gab es an der Kirche noch ein Osterfeuer. „Wir sind mit einer Truppe von Jungs los, haben uns vorher einen Trecker geliehen und Holz gesammelt. Der Förster hat es erlaubt“, sagt der Mann. Heute gibt es auch noch ein Feuer, aber am Platz hinter dem Feuerwehrhaus. Dazu Bier und Bratwurst.

Wie verbringt Albert Rusche heute das Osterfest? „Die Familie kommt, das ist das Wichtigste.“ Sieben Enkel hat Rusche. Seine Frau macht dann an Karfreitag immer Struwen, diese kleinen Hefeplätzchen. „Einmal mit Rosinen, einmal ohne - weil manche Kinder die Rosinen nicht mögen.“ Auf diese Tradition legt er noch wert. Und den obligatorischen Kirchgang.

Jugend auf Kreuzweg

Immerhin: „Die Jugend macht auch heute noch den Kreuzweg in der Kirche“, sagt Rusche. Viel mehr sei von Ostern nicht mehr geblieben. „Wer kennt denn noch Lumen Christi?“, fragt er. Das ist ein Ruf aus der Liturgie der Osternacht und bedeutet „Das Licht Christi“. Als Messdiener musste er noch Latein lernen. „Und wer nicht gespurt hat, der bekam vom Pfarrer noch etwas auf die Finger.“

Die Kirche selbst habe nicht immer alles richtig gemacht, sagt Rusche und wird ernst. Die ganzen Missbrauchsfälle: „Da darf man sich nicht wundern, wenn niemand mehr kommt.“ Einen eigenen Pastor hat die Kirche längst nicht mehr. Und doch gibt es jeden zweiten Sonntag noch einen Gottesdienst in Flaesheim. „Pfarrer Ludger Jonas kommt dann aus Haltern.“

Albert Rusche zeigt die Kirche. Ein prachtvoller Bau. Bei der Renovierung habe er mitgeholfen. „Ich freue mich immer, wenn ich Urlauber sehe, die vor der Kirche bremsen und hereingehen“, so Rusche. 30 bis 40 Menschen würden noch zum Gottesdienst kommen. Sie haben zusätzlich einen privaten Gottesdienst organisiert. „Das machen Ehrenamtliche nach einer Fortbildung beim Bistum.“

Überhaupt: Die Gemeinde funktioniere nur noch über das Ehrenamt. „Wenn wir früher etwas am Kindergarten hatten, standen 20 Väter auf der Matte und wollten helfen“, so Rusche. Heute findet er vielleicht noch zwei. Mit viel Glück.

Albert Rusche vor einer Holzskulptur
Albert Rusche vor einer Holzskulptur, die er anlässlich des 125-jährigen Jubiläums des Kirchenchores errichtet hat. © Christof Perrevoort

„Wenn sich die Gesellschaft weiter so entwickelt, dann ist Ostern in ein paar Jahren weg“, sagt Rusche. Immerhin haben sie in Flaesheim den Heimatverein wieder aktiviert, „weil sich zwei junge Frauen sehr engagieren“. „Die machen auf der Wiese hinter dem Norberthaus noch eine Ostereiersuche“, weiß Rusche.

Teure Ostergeschenke

Das Osterfest sei heutzutage auch längst nur noch eine Geschenkeveranstaltung. Je teurer, desto besser. Rusche erinnert sich an eine Geschichte: „Da hat eine ältere Dame dem Enkel 50 Euro zustecken wollen - der hat das Geld mit der Bemerkung zurückgewiesen, das sei ja viel zu wenig.“

Dann steigt Albert Rusche wieder auf sein Fahrrad und fährt davon: „Man muss doch in Bewegung bleiben.“