Beleidigungen und Angriffe bringen Busfahrer in Not „Der Ton ist deutlich rauer geworden“

Beleidigungen und Angriffe bringen Busfahrer in Not
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Thomas Jabs (54) ist die Ruhe selbst. Seit 27 Jahren sitzt er für die Vestische hinterm Steuer von Bussen. Er ist auf allen Linien im Einsatz. Er sagt: „Seit Corona ist vieles anders. Die Menschen sind aggressiver geworden.“ Erklären kann er sich das nicht: „Ich weiß nicht, was da los ist.“

Fakt ist: Der Ton im Öffentlichen Personennahverkehr ist deutlich rauer geworden. Beispiele aus dem Protokoll der Vestischen:

  • 28. März, Marl: Zwei Jugendliche beleidigen den Busfahrer und schlagen einen Kontrolleur.
  • 4. April, Bottrop: Ein Mann bedroht zwei Kontrolleure mit einer zerbrochenen Bierflasche.
  • 5. April, Herten: Eine Frau und ein Mann beleidigen den Busfahrer. Der Mann schlägt den Fahrer später mit einer Lachgasflasche.
  • 6. April, Haltern: Ein Mann raucht im Bus und beleidigt aggressiv den Busfahrer auf übelste Weise.

„Ich weiß nicht, wie oft ich schon die Polizei rufen musste“, klagt Jabs und meint die Auseinandersetzungen zwischen Fahrgästen. „Damit könnte ich ein Buch füllen.“ Er hat sich im Laufe der vielen Jahre eine Strategie zurechtgelegt: „Ruhig bleiben! Immer ganz ruhig bleiben. Nicht provozieren lassen“, sagt Jabs.

Hinweis in einem Linienbus der Vestischen auf die Videoüberwachung.
Hinweis in einem Linienbus der Vestischen auf die Videoüberwachung. © Christof Perrevoort

Aber jüngere Kollegen leiden unter den Übergriffen von Fahrgästen. „Im vergangenen Jahr hatten wir zwölf Übergriffe auf Mitarbeiter, acht davon auf Fahrer“, sagt Christoph van Bürk, Sprecher der Vestischen. Aggressive Fahrgäste sorgen für massive Arbeitsausfälle in dem Unternehmen. „Im vergangenen Jahr haben sich 3000 Stunden angehäuft“, so van Bürk.

Bei 52 Millionen Fahrgastbeförderungen im Jahr scheint das nicht viel. „Aber jeder Fall ist einer zu viel“, sagt van Bürk. Das Unternehmen tut deshalb einiges, um Übergriffe in den Griff zu bekommen und Fahrerinnen und Fahrer zu schützen. In der Corona-Zeit wurde eine Scheibe installiert, um sie vor Ansteckung zu schützen. Heute schützt sie vor körperlichen Übergriffen.

Es gibt regelmäßige Deeskalationstrainings und mobile Interventionsteams sind innerhalb von 15 Minuten an jeder Buslinie, die über Funk Schwierigkeiten meldet.

Drücken Fahrer den Alarmknopf, kann sich die Leitstelle live in die Videokameras in dem jeweiligen Fahrzeug schalten.

Einen ernsten Übergriff hat der Halterner Busfahrer Jabs in letzter Zeit nicht erlebt. „Ich kann mittlerweile aber an den Gesichtern der Fahrgäste sehen, ob Ärger droht“, sagt der erfahrene Mann. Das helfe ihm. Da sei es im Zweifelsfall sicherer, sie erst gar nicht anzusprechen und in Ruhe zu lassen.

Nur einmal, da hatte er fast Angst um sein Leben. Da war er gerade drei Monate im Job, als Schalker Hooligans in seinen Bus stiegen. „Die haben mir den ganzen Wagen zerlegt. Lampen herausgerissen, Fenster eingeschlagen“, erinnert sich Jabs: „Als sie dann raus sind, haben sie noch die ganze Rückbank mitgenommen.“

Thomas Jabs zeigt auf ein "Ufo": Die Überwachungskameras in den Bussen der Vestischen sehen so aus.
Thomas Jabs zeigt auf ein „Ufo“: Die Überwachungskameras in den Bussen der Vestischen sehen so aus. © Christof Perrevoort

„Ganz isolieren kann man die Fahrerinnen und Fahrer in den Bussen von den Fahrgästen nicht, wie es andere Verkehrsunternehmen in Deutschland machen“, sagt Unternehmenssprecher van Bürk. Sie müssten schließlich auch Fahrscheine vorne verkaufen.

„Außerdem sind wir für die Fahrgäste der erste Ansprechpartner, wenn es zu Anschlüssen oder Verbindungen Fragen gibt“, sagt Jabs. Er sei nicht nur Fahrer, sondern im Notfall Ersthelfer und im Streitfall Schlichter.

Er mag den Kontakt zu den Menschen.

Selten ein Dankeschön

„Aber viele steigen ein, gucken einem nicht einmal mehr in die Auge – geschweige denn, dass sie einen guten Tag wünschen“, sagt Jabs. Allerdings gebe es Ausnahmen. „Da bekommt man schonmal ein ‚Dankeschön‘ oder sogar einen Schokoriegel.“

Als er an diesem Tag gerade Feierabend macht, kommt ein Alarm von der Leitstelle rein: „In Gladbeck wurde einer unserer Fahrer gerade mit einem Messer bedroht. Aber er hat wohl Glück gehabt“, sagt Sprecher Christoph van Bürk.