Der Führerschein ist für viele junge Erwachsene ein Meilenstein im Leben. Eine Fahrerlaubnis, die Mobilitätsfreiheit ermöglicht. Trotz Klimakrise, vermehrter Fahrradnutzung und Angeboten des Öffentlichen Nahverkehrs verdeutlichen die aktuellen Anmeldezahlen für die Führerscheinprüfung die ungebrochene Popularität des Autos.
Wäre der Weg dahin nur nicht so anstrengend: viele Fahrstunden, Theoriekurse, Extraschulungen, Erste-Hilfe-Kurs, mühseliges Büffeln - und am Ende reicht es doch nicht. Nicht nur die langen Wartezeiten für einen Prüfungstermin, die durch die Lockdown-Situation entstanden sind, erschweren die aktuelle Lage in Haltern, sondern auch die hohe Durchfallquote bei den finalen Abschlussprüfungen.
Verkehr wird komplexer
Laut dem TüV-Verband ist die Durchfallquote bei den praktischen Prüfungen von 37 Prozent (2013) auf 43 Prozent (2021) gestiegen. „Die steigenden Durchfallquoten führen zu tausenden zusätzlichen Prüfungsterminen“, schreibt Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands.
Diesen Trend kann auch Fahrlehrer Claus Brüggemann bestätigen. „Junge Frauen sind in diesem Alter strukturierter, gewissenhafter und bemühter, weshalb eher Jungs durchfallen“, so Claus Brüggemann, dessen Familie bereits in dritter Generation die Fahrschule Brüggemann in Haltern betreibt.
Durchfallen kann teuer werden
„Das Nichtbestehen einer Prüfung ist ungefähr so teuer wie zehn extra Stunden“, erklärt der Halterner Fahrlehrer. Es werde eine Prüfungsgebühr von 122 Euro verrechnet, die neuerliche Prüfungsanmeldung koste etwa 150 Euro und pro Fahrstunde werden circa 55 Euro verlangt. „Da kommt man schnell auf eine Summe von 500 Euro.“
Neben der zunehmenden Komplexität im Straßenverkehr seien die Prüfungsanforderungen insgesamt gestiegen und die Prüfungsdauer sei verlängert worden. Die Autos können immer mehr, „deshalb müssen auch die Assistenzsysteme abgefragt werden und die gehören unter anderem zu den Fehlerquellen“, erklärt Brüggemann.
Problemzone Annabergstraße
Zudem ist auf den Straßen immer mehr los. „Nicht nur der Verkehr wird dichter, auch die Regelungen werden komplexer.“ Das treibe u.a. die Durchfallquote in die Höhe. Gerade die Annabergstraße sei aufgrund der parkenden Autos und der unübersichtlichen Verkehrslage eine Herausforderung für die Fahranfänger.
Aber nicht nur das erhöhte Verkehrsaufkommen sei ein Grund für schlechtere Prüfungsergebnisse, sondern auch das fehlende Interesse am Autofahren insgesamt. „Früher haben die Kinder sich noch aktiv für das Fahren der Eltern interessiert und den Verkehr bewusst mitbeobachtet“, so der Halterner

Er wolle niemandem Vorwürfe machen, aber heute seien die Kinder durch Handy und andere elektronische Geräte abgelenkt und interessieren sich weniger für das Geschehen auf der Straße.
Frühere Verkehrserziehung
Deshalb plädiert der Halterner Fahrlehrer dafür, dass die Verkehrserziehung bereits früher einsetzen muss. „Es reicht nicht, wenn die Fahranfänger erst in der Fahrschule die Verkehrsregeln kennenlernen.“ Auch ein Fahrradführerschein reiche da nicht. „Generell muss die Verkehrserziehung regelmäßig und intensiver stattfinden.“
Neben dem geringeren Interesse spielt auch insbesondere beim zweiten Versuch die Nervosität eine Rolle. Zum Teil sind auch Sprachbarrieren ein Problem. „Ich habe einmal einen Fahrschüler komplett auf Englisch unterrichtet“, erzählt Claus Brüggemann. Das sei nicht nur für ihn, sondern um so mehr für die Neulinge, die wenig Deutschkenntnisse haben, eine enorme Herausforderung.
„Meistens haben diese Menschen eine Fluchtgeschichte und häufig auch nicht die finanziellen Ressourcen, um sich Mehrstunden leisten zu können.“ Auch an dieser Stelle bedürfe es an Veränderung.
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