1912 waren die umliegenden Dörfer in Haltern noch eigene Gemeinden. Die Stadt Haltern zählte deshalb nur bescheidene 6241 Einwohner, davon gehörten 5637 der katholischen und 567 der evangelischen Kirche an. Außerdem waren damals 37 Juden in Haltern zuhause.
Die Kinderschar in den Familien war noch reichlich, so wurden binnen eines Jahres 238 Mädchen und Jungen geboren, davon kamen 5 bis 7 (hier ist die Statistik aufgrund von nachträglichen, handschriftlichen Eintragungen unleserlich) unehelich zur Welt. So sittsam wie es uns manche immer noch vormachen wollen, war die gute alte Zeit auch in Haltern nicht.
Unter 132 verstorbenen Personen waren sechs Totgeburten. Todesursache waren nach offizieller Lesart außerdem Krankheiten der Atmungsorgane (29), Lungentuberkulose (6), Stickhusten (1), Magen- und Darmkatarrh sowie Brechdurchfall (8), Wochenbettfieber (2), Diphtherie (1), Unglücksfälle (6) und andere (47). Das lässt auf die Lücken in der medizinischen Versorgung schließen.
Der Einfluss der Witterung auf einen der Haupterwerbszweige, die Landwirtschaft, war damals genauso groß wie heute. So heißt es: „Die Landwirtschaft hatte zunächst unter der trockenen Witterung, die sich in dem Monate Juli zu einer ungewöhnlichen Hitze steigerte, sehr zu leiden. Die Roggen- und Weizenernte fiel deshalb mäßig aus. Sodann setzte im Monat August Regenwetter ein, welche fast ununterbrochen mehrere Monate andauerte …“

Das Kapitalvermögen der Stadt war aus heutiger Sicht mit rund 490.000 Mark übersichtlich. Die Ausgaben aber auch. Für den Neubau der Lippebrücke wurde beispielsweise mit Ausgaben von 56.000 Mark gerechnet. Der Neubau einer Dienstwohnung für den Bürgermeister an der Recklinghäuser Straße sollte 8489 Mark kosten.
Dafür gab es neben den Kellern und der Waschküche Wohnzimmer, Küche, Diele, Veranda und Abort im Erdgeschoss sowie 5 Wohn- und Schlafzimmer, Badezimmer und Flur im Obergeschoss und Mädchen- und Bubenraum im Dachgeschoss. Herausgestellt wurde die Warmwasserheizung im Gebäude.
Die Gasversorgung in der Stadt erfolgte über das Gaswerk der Firma Friedrich vom Hof in Bremen. Das Straßenrohrnetz in Haltern war damals stolze 425 Meter lang. Es wurde über eine Erweiterung nachgedacht. Das betraf auch die Einrichtung einer Handarbeitsschule für Mädchen in nicht mehr schulpflichtigem Alter. Sie sollte der neuen Niederlassung der Genossenschaft der Schwestern von der Göttlichen Vorsehung angegliedert werden. Aber dazu kam es nicht.
Kriminalitätsstatistik
Wenn man sich die Kriminalitätsstatistik anschaut, waren die Halterner alles andere als brav. 16 Fälle des einfachen und schweren Diebstahls sind 1912 gemeldet worden, außerdem Körperverletzung (4), Bedrohung (5), Misshandlung (6), Sachbeschädigung (5) oder Hausfriedensbruch (2) und Sittlichkeitsverbrechen (1). 191 Mal wurde wegen Schulversäumnis eine polizeiliche Strafverfügung ausgestellt.
Und auch im Lebensmittelbereich gab es Tricksereien. So wurde der Schinkenwurst Kartoffelmehl beigemischt, die Landbutter war wasserhaltig und die Milch war gewässert worden.
Hinweis der Redaktion: Dieser Beitrag ist ursprünglich am 25. März 2025 erschienen.