Natalie Stiewe-Stolt (30) und Christian Stiewe (35) leben in Flaesheim. Sie schätzen die ruhige Natur. Einige Flaesheimer bemängeln fehlende Gastronomie und unzureichende Nahversorgung.
Ich bin im Schatten des Gasthofs Tüshaus groß geworden“, sagt Natalie Stiewe-Stolt, Tüshaus-Nachfahrin, und lacht. Gemeinsam mit ihrem Mann Christian Stiewe wohnt die 30-Jährige in ihrem alten Elternhaus. Direkt hinter dem ehemaligen Gasthof, der von ihren Vorfahren eröffnet wurde. Um das Jahr 1900 gab es in Flaesheim laut dem Heimatverein zwei Gaststätten, Deitermann und Tüshaus. Heute steht der ehemalige Jägerhof an der Flaesheimer Straße leer, im ehemaligen Gasthaus Tüshaus gibt es heute nach einigen Jahren Leerstand indische Küche.
Ein indisches Restaurant, ein Dönerladen, eine Pommesbude, eine Bäckerei. Die gastronomische Auswahl in Flaesheim ist begrenzt. In unserem Ortsteil-Check hat der Punkt Gastronomie mit 3 Punkten neben Hullern den niedrigsten Wert in diesem Bereich erzielt. „Wenn du in Flaesheim ein Wiener Schnitzel mit Pommes suchst, dann hast du hier ein Problem“, sagt Christian. Vor allem für ältere Flaesheimer, die bei der Gastronomieauswahl eher klassisch eingestellt seien, könne er eventuellen Frust verstehen. „Für mich ist Gastro: Da kann ich mich reinsetzen und bedienen lassen, das gibt es im Punjab Garden“, sagt der gebürtige Dattelner. Beide essen gern dort. Auch, weil sie die spezielle indische Küche mögen.
„Früher war die Flaesheimer Straße ein Hauptpostkutschenweg“, sagt Natalie Stiewe-Stolt. „Damals gab es auch viel mehr Spaziergänger in der Haard. Die haben dann hier gegessen.“ Zu dieser Zeit seien im Gasthof Tüshaus bis zu drei Kellner an den Wochenenden nötig gewesen, um dem Ansturm Herr zu werden, erinnert sich Natalie an die Erzählungen ihrer Mutter.

Die Flaesheimer schätzen die Natur in ihrem Ortsteil und die unmittelbare Nähe zum Wesel-Datteln-Kanal. © Hans Blossey
Doch auch wenn die gastronomische Auswahl begrenzt ist, leben die beiden gern in Flaesheim. Sie schätzen die Natur und die Ruhe. Wenn Natalie und Christian auf ihrem Balkon sitzen, gucken sie auf die Flaesheimer Schleuse am Wesel-Datteln-Kanal. „Im Sommer hört man die Schiffe über den Wesel-Datteln-Kanal tuckern“, sagt Christian: „In Flaesheim gibt es viel Ruhe, viel Natur.“ Er und seine Frau seien „Anti-Großstadtmenschen“, sagt er und lacht. Wenn der IT-Sicherheitsspezialist mittags eine Pause von der Heimarbeit macht, dann geht er gerne ins Grüne. „Das sind kleine Schlüsselmomente, die hätte ich in der Großstadt nicht.“ Einziges Manko: die Motorradfahrer und Autofahrer, die hier am Ortsausgang lautstark beschleunigten. Das bemängeln auch einige Ortsteilcheck-Teilnehmer. Auch Lkw führen regelmäßig über die Flaesheimer Straße.
„Flaesheim ist idyllisch und niedlich mit der Kirche und den Fachwerkhäuschen. Die Lebensqualität ist gut. Wenn es noch einen Supermarkt gäbe, dann wäre es noch besser.“ Auch mit der Verkehrsanbindung mit der Nähe zur A 43 sind die beiden zufrieden. Außerdem gibt es in dem Ortsteil einen Allgemeinmediziner und einen Zahnarzt.
Das wurde gut bewertet:
Radfahren und Grünanlagen: 10 von 10 Punkten haben die Flaesheimer den Punkten Radfahren und Grünanlagen gegeben. „Radfahrer sieht man hier oft“, sagt Christian Stiewe. Vor allem gegen Mittag sehe er oft Seniorengruppen von 10 bis 15 Personen, die mit ihren Rädern am Kanal unterwegs seien. „Der Wesel-Datteln-Kanal ist prädestiniert dafür“, sagt Christian. Auch einige Teilnehmer unseres Ortsteil-Checks loben Flaesheim als „sehr naturnah“ durch seine Lage direkt zwischen Wald und Kanal. Ein weiterer Teilnehmer schreibt „angenehmes Wohnen auf dem Land und doch zentral“.
Sauberkeit: In Sachen Sauberkeit haben die Flaesheimer ihrem Ortsteil 9 von 10 Punkten gegeben. „Manchmal laden Leute ihren Müll im Wald ab“, sagt Christian Stiewe. Am Wochenende liege auch schon mal etwas an der Bushaltestelle am Stiftsplatz. „Das ist aber kein Vergleich zu anderen Städten. Ansonsten ist Flaesheim recht gepflegt.“ In unserer Umfrage bemängeln einige Flaesheimer hingegen, dass die Bürgersteige nicht immer sauber seien. Ein weiterer Teilnehmer schreibt, dass die öffentlichen Straßen mit Baumbewuchs nicht gereinigt würden.
Das wurde negativ bewertet:
Nahversorgung: „Ein Supermarkt fehlt hier definitiv“, sagt Natalie Stiewe-Stolt. Zwar gebe es einen kleinen Kiosk. „Eine Packung Klopapier kann man hier aber nicht so einfach kaufen. Dafür muss man dann nach Haltern fahren.“ Genauso sehen es auch viele Flaesheimer. Insgesamt hat der Punkt Nahversorgung mit 4 Punkten nach dem Punkt Gastronomie am schlechtesten abgeschnitten. „Das ist gerade für die älteren Bewohner, die nicht mobil sind, schwierig“, lautet einer der Kommentare in unserem Ortsteil-Check. Ein Punkt, der vor allem von Teilnehmern ab 50 Jahren zusammen mit eingeschränkter Mobilität häufig genannt wird. „Ein kleiner ‚Tante Emma‘-Laden würde schon helfen. Auch höhere Preise würden die meisten auch in Kauf nehmen. Hier sollte Abhilfe geschaffen werden.“
Ganz so einfach ist das allerdings nicht, sagt Jens von Legerke, Abteilungsleiter für den Bereich Handel, Dienstleistung und Stadtentwicklung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nordwestfalen. „Flaesheim kann nicht für 1800 Menschen eine gute Versorgung aufbauen und dafür 5000 Anwohner woanders gefährden.“ Dafür gebe es Einzelhandelskonzepte. „Wir wollen, dass sich die Lebensmittelhändler in den Zentren ansiedeln und dort, wo es viele Menschen gibt.“ Dort sollen sich etwa Dienstleister wie Apotheken und Supermärkte gegenseitig unterstützen. Wettbewerb solle sich an derselben Stelle abspielen, dort wo alle Anbieter denselben Bedingungen ausgesetzt sind. Durch externe Standorte würde die Kaufkraft aus den Zentren weggezogen.

Flaesheim in Zahlen und Fakten © Grafik Leonie Sauerland
Auch, dass die Sparkassen-Filiale geschlossen habe und eine Poststelle fehle, bemängeln die Flaesheimer. „Wenn man ein Paket verschicken will, dann muss man nach Sythen oder Haltern“, sagt Natalie Stiewe-Stolt.
Jugendliche: Der Punkt Jugendliche hat in unserem Ortsteil-Check vier von 10 Punkten bekommen. Der Median liegt in Haltern insgesamt bei 5 Punkten. „Auch die kirchlichen Einrichtungen könnten mehr Einsatz für die jüngeren Bewohner zeigen“, schreibt ein Umfrage-Teilnehmer. Durch die Zusammenlegung der Gemeinden fehle ein fester Ansprechpartner für Alt und Jung. Ein weiterer schreibt, dass es neben Kirche und Fußball kein Angebot für die Jugend in Flaesheim gebe.

Die Stiftskirche in Flaesheim © Holger Steffe
Senioren: Der Umfragepunkt „Senioren“ ist mit 5 Punkten der drittniedrigste im Ortsteil-Check Flaesheim. Stichworte, die von und in Verbindung mit Senioren immer wieder fallen, sind mangelnde Verkehrsanbindung und unzureichende Nahversorgung. „Für Senioren ist das Leben in Flaesheim nicht einfach, kein Lebensmittelgeschäft, keine Sparkasse und wenn in der Familie kein Auto vorhanden ist, wird es noch schwieriger“, fasst es ein älterer Ortsteil-Check-Teilnehmer zusammen.
Trotz der negativen Aspekte: Das Flaesheimer Pärchen Natalie und Christian kann sich ein Leben in der Stadt nicht vorstellen. „Wenn es nach uns geht, bleiben wir hier“, sagt Christian Stiewe. „Flaesheim liegt fernab des hektischen Alltags. Hier entspannt man.“
Flaesheim: der 1219 Jahre alte Ortsteil

© Eva-Maria Spiller
- Erstmals urkundlich erwähnt wurde Flaesheim im Jahr 800 in einer lateinischen Quelle des Klosters Werden, heißt es auf der Internetseite des Heimatvereins Flaesheim.
Gebürtige Münsterländerin, seit April 2018 Redakteurin bei den Ruhr Nachrichten, von 2016 bis 2018 Volontärin bei Lensing Media. Studierte Sprachwissenschaften, Politik und Journalistik an der TU Dortmund und Entwicklungspolitik an der Philipps-Universität Marburg. Zuletzt arbeitete sie beim Online-Magazin Digital Development Debates.
