Die Lage ist ernst: Im kommenden Jahr will die Landesregierung die Zuschüsse im sozialen Bereich massiv kürzen. Mit fatalen Folgen für die Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege. Insgesamt sollen 83 Millionen Euro eingespart werden.
Alleine bei der Kooperation mit Familienzentren sollen die Hilfen um 3,9 Millionen Euro gekürzt werden. Das hat unmittelbare Folgen für die Arbeit der Evangelischen Familienbildungsstätte in Haltern. Nach einem ausgeglichenen Haushalt 2023 droht 2025 ein Minus von 100.000 Euro.
„Dabei ist die Familienbildung so wichtig“, sagt Dietmar Kehlbreier, Geschäftsführer der Diakonie im Kirchenkreis Recklinghausen. „Mit mehr als 600 angebotenen Kursen haben wir bis zu 6000 Menschen erreicht“, sagt Sabine Stein, die Leiterin der evangelischen Familienbildung.
Die Kurse reichen von Sportangeboten für Frauen mit Baby im Bauch über Musikkurse für Kinder bis hin zu Angeboten für Familien mit Fluchterfahrung. Mehr als 3000 Unterrichtsstunden waren bislang im Angebot. Alleine in Haltern sind in der Familienbildung fünf feste Mitarbeiter und mehr als 150 ehrenamtliche Helfer im Einsatz.
Aber: Angebote und auch Mitarbeiter werden zur Hälfte über freiwillige Leistungen des Landes finanziert. „Wenn diese Leistungen jetzt um 2/3 gekürzt werden, kann man sich vorstellen, welche Folgen das für die Familienbildung haben wird“, sagt Dietmar Kehlbreier. „Mit dem Wort Sozialabbau bin ich immer vorsichtig - aber diese Einsparungen sind nichts anderes.“
Folgekosten bereits absehbar

Kehlbreier, der auch Diakoniepfarrer ist, klagt: „Unklar ist, warum gerade in diesem sensiblen Bereich gekürzt werden soll. Zumal die ,Notwendigkeit zu sparen‘ in der langfristigen Perspektive als ein möglicher Grund nicht hinreichend ist: Negative gesellschaftliche Entwicklungstendenzen und volkswirtschaftliche Folgekosten sind bereits jetzt absehbar.“ Und: „Ich sehe keinen politischen Willen, die Familienbildung zu erhalten.“
„Gerade Familien, die unsere Hilfe besonders benötigen, stehen künftig alleine da“, sagt Sabine Stein. Das betreffe auch den Bereich der präventiven Arbeit, zum Beispiel in der Jugendhilfe.
Bislang konnte die Diakonie bei der Finanzierung der Familienbildung immer auf mehrere Töpfe zurückgreifen - eine Art Mischfinanzierung. Waren Mittel aus einem Topf ausgeschöpft, konnte man Mittel aus einem anderen Topf nehmen.
Doch die massiven Sparpläne der Landesregierung treffen alle sozialen Bereiche. Und damit alle Fördertöpfe.
Lange Geschichte
Dabei blickt die Evangelische Familienbildung in Haltern auf eine lange Geschichte zurück. Vorläufer war eine sogenannte Mütterschule, die 1955 gegründet wurde - am heutigen Standort in der Bachstraße in Marl-Hüls. 1971 wurde die „Familienbildungsstätte Marl“ gegründet (mit 60 Kursleiterinnen). Fünf Jahre später wurden erste Kurse in Haltern angeboten.
„Von den harten Sparmaßnahmen betroffen wären vor allem Familien in belasteten Lebenssituationen“, befürchtet Stein. Das seien Alleinerziehende, Familien mit niedrigem Einkommen, in unsicheren Wohnverhältnissen oder mit Migrationshintergrund. „Es wären kaum noch Angebote für frühkindliche, familienbezogene oder niedrigschwellige Bildungsarbeit möglich“, so Stein.
Mit weitreichenden Folgen: „Von Bildung ausgegrenzte Familien haben weniger Teilhabe am Gemeinwesen und an der demokratischen Gesellschaft“, sagt die Leiterin der Familienbildung.