In der Pflege arbeiten, wann man will Bei katholischen Kliniken türmen sich Bewerbungen

Trotz Fachkräftemangels türmen sich Bewerbungen bei Pflege-Pool
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Nach 13 Jahren Altenpflege musste Nicole Döring-Dörrenberg (40) aus gesundheitlichen Gründen aufhören. Sie war Teamleiterin, hatte einen ambulanten Pflegedienst mit aufgebaut, aber sie brauchte eine Auszeit: „Man muss viel einspringen, hat ständig Zwölf-Stunden-Dienste“, erzählt die Marlerin: „Frühdienst, Spätdienst, Rufbereitschaft, Nachtdienst - in diesem System kommen Familie, Freizeit und Freunde schnell zu kurz. Oft fragten meine Kinder: ,Warum musst du wieder arbeiten?‘“

Hinzu kam die seelische Belastung: „Wenn man Menschen fünf Jahre pflegt, wachsen sie einem ans Herz. In einer Demenz-WG habe ich sie beim Sterben begleitet. So viele Jahre hinterlassen Spuren.“

Gefahr von Überarbeitung und Burnout

Vielen Pflegekräften geht es ähnlich: Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, aber immer mehr Pflegekräfte steigen dem Weltbund der Krankenschwestern und Krankenpfleger (ICN) zufolge aus dem Beruf aus. Sie spüren den Druck, dauerhafte Überarbeitung und die Gefahr des Burnouts.

Nach drei Jahren Pause arbeitet Nicole Döring nun für den Pflege-Pool Kernflex. Er ist eine Betriebsgesellschaft unter dem Dach der KERN, des katholischen Klinikverbunds im nördlichen Ruhrgebiet. Ihm gehören neun Krankenhäuser an, darunter das Marien-Hospital Marl, das Gertrudis-Hospital Westerholt, das St. Sixtus-Hospital Haltern am See und das St. Elisabeth-Krankenhaus Dorsten. Hier wird wie überall ständig Pflegepersonal gesucht. Neuerdings aber auf revolutionäre Weise: mit flexiblen Arbeitszeitmodellen.

Eda Keskin rekrutiert das Personal für die KERN-Krankenhäuser.
Eda Keskin rekrutiert das Personal für die KERN-Krankenhäuser. Sie hat selbst Erfahrungen in der Pflege und in zehn Wochen mehr als 40 Kräfte vermittelt. © Heinz-Peter Mohr

Anfangs war Nicole Döring skeptisch, denn sie hatte Erfahrung mit einer Zeitarbeitsfirma: „Das war sehr unstrukturiert“, erzählt sie: „Teilweise wussten die Kollegen gar nicht, dass man kommt.“

Ganz anders ist ihre Erfahrung in den katholischen Kliniken, zurzeit im Gertrudis-Hospital: „Ich bin begeistert“, sagt sie nach dreieinhalb Wochen: „Hier gibt es einen Willkommen-Tag in allen Krankenhäusern. Die Ansprechpartner wissen Bescheid. Vom ersten Tag an wurde ich vom Team aufgenommen und habe eine Super-Anleitung zu den Krankenhausabläufen bekommen. Man gehört zum Team dazu.“ Auch Nicole Dörings Privatleben ist jetzt planbarer: „Sechs Wochen vorher kriegen wir den Dienstplan für Juni.“

Überhäuft mit Bewerbungen

Die Katholischen Kliniken richteten den flexiblen Pflege-Pool ein, weil Stammkräfte um Entlastung und mehr Personal gebeten hatten, berichtet Recruiterin Eda Keskin. Alle drei Monate prüfen die Krankenhäuser, auf welchen Stationen der Bedarf am größten ist und planen Neueinstellungen. „Wir werden überschüttet mit Bewerbungen“, berichtet die Personalvermittlerin.

Nach zehn Wochen hat sie bereits mehr als 40 Kräfte eingestellt. Das große Ziel sei es, 400 Mitarbeiter im Pflege-Pool zu beschäftigen. Eda Keskin: „Wir gewinnen die Menschen wieder, die der Pflege den Rücken gekehrt haben. Kernflex ist die Zukunft.“

Pflegefachkraft Mara Gerlach misst den Blutdruck von Luca Schad.
Pflegefachkraft Mara Gerlach misst den Blutdruck von Luca Schad. © Heinz-Peter Mohr

Auch Mara Gerlach (28) hat wieder als Pflegefachkraft begonnen. Als sie Tochter Lyara (1) bekam, hatte die gelernte Altenpflegerin aus Marl ein Jahr Pause gemacht, dann schrieb sie wieder Bewerbungen. Mara Gerlachs Mann arbeitet in Vollzeit. Deshalb kann die junge Frau nur vormittags arbeiten, wenn Lyara in der Kita ist. Doch kein Arbeitgeber konnte ihr Schichten ab 8 Uhr garantieren - bis auf Kernflex. Jetzt arbeitet Mara Gerlach 25 Stunden im Krankenhaus: „Auf einmal ist alles einfach.“ Bei einzelnen Spätdiensten passt ihr Mann auf Lyara auf.

Mara Gerlach fühlt sich ebenfalls vom ersten Tag an gut eingearbeitet. Im St. Sixtus-Hospital wurde sie wie ein festes Mitglied ins Team aufgenommen. Kernflex lege Wert auf eine gute Willkommenskultur, erklärt Eda Keskin: Es gebe goldene Regeln wie eine offene Kommunikation und gegenseitige Wertschätzung. Alle neuen Beschäftigten erhalten eine Willkommens- und Einarbeitungsmappe.

Finanzieller Bonus zum Tarif

Bezahlt werden die Pflegekräfte nach dem Tarifvertrag der Caritas. Besonders Flexible erhalten einen Bonus: Springen sie in zwei Kliniken ein, gibt es 100 Euro, stellen sie sich allen neun Krankenhäusern zur Verfügung sogar 450 Euro. Wer in mehr als einem Fachbereich arbeitet, bekommt 100 Euro extra. „So viel Flexibilität, die uns die Mitarbeiter schenken, wollen wir belohnen“, sagt Eda Keskin.

In den Niederlanden seien Pflege-Pools mittlerweile Standard. Die KERN-Krankenhäuser sind die ersten, die damit im Ruhrgebiet beginnen, sagt die Recruiterin. Zurzeit greifen die katholischen Kliniken noch auf Zeitarbeitsfirmen zurück. Langfristig wollen sie möglichst alle Personallücken über ihren eigenen Pflegepool auffangen: „Wir suchen noch 350 Mitarbeiter.“

Die Pflegekräfte Mara Gerlach und Nicole Döring-Dörrenberg
Für Mara Gerlach und Nicole Döring-Dörrenberg ist der Pflege-Pool mit flexiblen Arbeitszeitmodellen die Ideallösung. © Heinz-Peter Mohr

Die beiden jungen Mütter aus Marl sehen in einem Pflege-Pool nur Vorteile. Mara Gerlach: „Man kann sechs Wochen im Voraus Termine und Freizeit planen, hat Zeit für die Familie. Wenn man Feierabend hat, hat man Feierabend, es klingelt nicht ständig das Telefon.“

Nicole Döring-Dörrenberg stimmt ihr zu: „Morgens stehe ich ganz anders auf, weil ich weiß, ich kann den Nachmittag genießen. Und wenn ich entspannter bei der Arbeit bin, kann ich viel mehr auf die Bedürfnisse der Patienten eingehen. Wenn andere Häuser auch auf flexible Modelle umsteigen, würde man viel mehr Pflege-Personal bekommen.“