Erste Fakten zu Flugzeugabstürzen: Kollision nach Überholmanöver

© Ingrid Wielens (Archiv)

Erste Fakten zu Flugzeugabstürzen: Kollision nach Überholmanöver

rnFlugzeugunglück in Sythen

Gut elf Wochen nach dem tragischen Segelflugzeug-Unglück in Sythen mit zwei Toten liegen erste Ergebnisse vor. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung hat das Geschehen rekonstruiert.

Sythen

, 30.09.2020, 05:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Zum Unglück der beiden Segelflugzeuge in Haltern-Sythen, bei dem am 11. Juli zwei Niederländer ums Leben kamen, hat die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) in Braunschweig jetzt einen Zwischenbericht vorgelegt. Die Unfallursache steht noch nicht fest. Zahlreiche Fakten liegen allerdings bereits vor.

Die Behörde rekonstruierte das tragische Ereignis. Demnach hatte der 29 Jahre alte Pilot des Segelflugzeugs DG-300 einen Streckenflug vom Flugplatz Lemelerveld (auf halber Strecke zwischen Almelo und Zwolle) nach Deutschland und zurück geplant. Gegen 10.25 Uhr sei er gestartet. Der Flugweg führte ihn an Venlo vorbei zunächst bis in das Gebiet östlich des Flugplatzes Borkenberge. „Das geht aus den Radardaten hervor“, erklärte BFU-Sprecher Germout Freitag am Dienstag auf Anfrage.

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Der 25 Jahre alte Pilot des anderen Segelflugzeuges mit der Modellnummer LS4-b war vom Flughafen Soesterberg (bei Amersfoort) gestartet. Mithilfe von Radardaten und GPS-Aufzeichnungen konnte die Behörde auch dessen Weg nachzeichnen. Dieser führte zunächst über Nijmegen bis etwa zehn Kilometer südöstlich von Lüdinghausen.

Laut dem Bericht sollen sich beide Segelflugzeuge gegen 13.40 Uhr etwa zweieinhalb Kilometer östlich des Flugplatzes Borkenberge befunden haben. Von dort aus flogen sie in westliche Richtung weiter.

Flugplatz Borkenberge passiert und Kurs geändert

Nach dem Passieren des Flugplatzes gegen 13.42 Uhr habe der 25-Jährige den Kurs in etwa 1.150 Metern Höhe auf 310 Grad geändert. Wenige Sekunden zuvor hatte der 29-Jährige mit seiner DG-300 bereits den Flugplatz passiert. Er folgte dem jüngeren Piloten nach einem Kreisflug in 1.080 Metern Höhe - ebenfalls mit Kurs 310 Grad.

Nach den Erkenntnissen der BFU überholte die etwa 80 Meter tiefer fliegende DG-300, nur zwei Kilometer vom Flugplatz Borkenberge entfernt, das andere Segelflugzeug. Danach habe sie die Geschwindigkeit reduziert und sei im Geradeausflug gestiegen. In etwa 1.100 Metern Höhe sei es dann zu der Kollision mit der LS4-b gekommen. „Der Pilot der LS4-b verließ nach der Kollision das Luftfahrzeug mit dem Rettungsfallschirm“, heißt es in dem Bericht. Auslösen konnte er ihn demnach aber nicht mehr.

Beide Piloten waren erfahrene Flugzeugführer

Laut BFU waren die beiden Piloten erfahrene Segelflugzeugführer. Beide Flugzeuge waren mit Funk und Navigationssystemen ausgerüstet. Flugdatenschreiber oder Cockpit Voice Recorder seien nicht vorhanden gewesen, hieß es. Derartige Aufzeichnungsgeräte werden allerdings nach den luftrechtlichen Regelungen auch nicht für Segelflugzeuge gefordert.

Das Wrack des anderen Segelfliegers wurde gut 100 Meter entfernt am Waldrand entdeckt.

Das Wrack des anderen Segelfliegers wurde gut 100 Meter entfernt am Waldrand entdeckt. © Ingrid Wielens (Archiv)

Die beiden Piloten gehörten zur niederländischen Junioren-Kernmannschaft der Segelflieger. Sie kannten sich. Am Unglückstag sollen sie keinen direkten Sprechfunkkontakt gehabt haben. Auch mit der Flugleitung Borkenberge gab es keinen Funkkontakt.

Die Datenanalyse beginnt jetzt

Dass es zur Kollision kam - daran besteht bei der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung kein Zweifel. Typische Berührungsspuren einer Kollision sowie Farbabschürfungen und -abtragungen an beiden Flugzeugen seien eindeutig zuzuordnen. Bei der BFU geht es jetzt in die Analyse der zusammengetragenen Daten. Was war letztlich der Auslöser für die Kollision? Ein toter Winkel, der Wind, die Thermik oder blendende Sonne? „Das werden wir nun mithilfe zahlreicher Gutachten analysieren“, erklärt Germout Freitag. Wann ein endgültiges Ergebnis vorliegt, wagt er nicht vorauszusagen. „Das kann viele Monate dauern“, meint er. Sicher sei aber: „Bisher haben wir jede Unfallursache ermittelt. Das wird uns auch in diesem Fall gelingen.“