Ein Tag in einer Halterner Kita Anspruchsvoll, laut und unheimlich anstrengend

Ein Tag in der Kita: Anspruchsvoll, laut und unheimlich anstrengend
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Der Wecker geht um kurz vor sechs. Viel zu früh für mich. Normalerweise. Heute aber hospitiere ich im DRK-Familienzentrum in Sythen und tausche Laptop und Handy gegen Fingerfarben, Bauklötze und Spiele.

Um 7.15 Uhr wird die Kita geöffnet. Erste wenige Kinder trudeln ein. Insgesamt werden hier 82 Kinder in vier Gruppen von 1 bis 6 Jahren betreut.

Die beiden Erzieherinnen Beata Gavulova und Yvonne Schmidt, die mich freundlich begrüßen, leiten die Bärengruppe. Nebenan gibt es auch noch Löwen, Elefanten und Krabbelkäfer.

Entspannter Start

Der Tag beginnt entspannt. Und ruhig. „Die Kinder sollen Zeit haben, hier anzukommen“, erklärt Yvonne Schmidt. Manche sind noch ein wenig müde. Einige der Drei- bis Sechsjährigen beschäftigen sich aber auch direkt.

Bis 9 Uhr sind alle Bären da. In den Osterferien sind es nur 16 von 25. Es ist sehr viel lauter geworden. Wie laut wäre es wohl erst mit der kompletten Gruppe?, frage ich mich.

Um 9 Uhr wird gefrühstückt. „Jedes Kind kann frei wählen, ob und was es essen möchte“, sagt Beata Gavulova. Der Tisch im Gruppenraum ist gedeckt. Es gibt verschiedene Brotsorten, Käse und Marmelade. Die Hauswirtschaftskraft hat frisches Obst, Möhren und Paprika zurechtgeschnitten.

Eine halbe Stunde später sitzen wir alle im Kreis zusammen, begrüßen uns mit einem Bewegungslied - „Hallo, hallo, schön, dass du da bist“. Jetzt sind alle voll dabei.

„Was wollt ihr heute machen?“, fragt Beata. „Malen, turnen, Lego, Autos, Puppen, Kaufladen spielen“ - in kleinen Gruppen bis zu vier Kinder geht es los.

Das DRK-Familienzentrum versteht sich als teiloffene Einrichtung. Die Kinder dürfen ihre Stammgruppen verlassen und an anderen Angeboten teilnehmen. In der Eingangshalle gibt es ein Atelier und einen Forscherraum. Regelmäßig bieten die Fachkräfte hier spannende Aktionen an. Auch autogenes Training, Musizieren oder Naturspaziergänge in den Wald sind möglich.

Eierlauf im Turnraum

Heute hat Lena Klebolte im Turnraum einen Balancierparcours aufgebaut. Mit Löffeln und Plastikeiern ausgerüstet, bezwingen die Kinder, Turnbänke, Bodenmatte, Laufwippe und Kletterbogen.

Eierlauf auf einem Parcours im Turnraum.
Eierlauf auf einem Parcours im Turnraum. © Ingrid Wielens

In der Bärengruppe packt Yvonne Schmidt Malkittel und Fingerfarben aus. Felix, Leni, Pia, Anna und Moritz sind Feuer und Flamme - jetzt malen wir gelbe Osterküken.

Einige Kinder fordern meine Aufmerksamkeit ganz selbstverständlich ein. Berührungsängste? Fehlanzeige.

Sie haben viel zu erzählen. Wie sie heißen, wie alt sie sind, dass die Schulzeit bald beginnt oder noch nicht, wie man mit den Farben umgeht...

Beata Gavulova nutzt die Zeit, um ein Elterngespräch vorzubereiten. Yvonne Schmidt hatte am frühen Morgen bereits einen Termin mit einer Mutter.

Es ist 11 Uhr. Singend werden alle Kinder wieder in die Gruppen „zurückgetrommelt“. Matschhosen, Jacken, Gummistiefel an, die Sonne scheint. Geordnet geht es in Zweierreihen auf den Spielplatz. Jetzt wird getobt, geklettert und geschrien.

Anni hat sich ein Osterküken auf die Hand gemalt.
Anni hat sich ein Osterküken auf die Hand gemalt. © Ingrid Wielens

An einem „Verkaufsstand“ darf ich zwischen Fisch oder Frikadellen wählen, liebevoll und minutiös aus Sand zubereitet. Ein Zweijähriger zieht mich rüber zu einer hängenden Wackelmatte, über die er gerne laufen möchte.

Kurz drauf muss ich das Auto in der Waschstraße spielen und werde „geputzt“.

Der große Sandkasten zieht irgendwann alle Kinder an. Burgen werden gebaut und Sandkuchen gebacken. Für das Wasserspiel ist es noch zu kalt. Die Erzieherinnen beobachten das bunte und laute Treiben.

Sitzkreis vor dem Mittagessen

Um 12 Uhr findet sich die Gruppe im Raum zum Sitzkreis ein. Jetzt liest Beata Gavulova die Geschichte von der Osterkuh Polly vor. Bilder werden bestaunt und beschrieben. Jetzt kommen die kleinen Bären wieder zur Ruhe. Gleich gibt es Mittagessen. Geliefert wird es von der Stadtküche, die Hauswirtschaftskräfte portionieren es.

Beata Gavulova liest eine Ostergeschichte vor. Die Kinder der Bärengruppe hören begeistert zu.
Beata Gavulova liest eine Ostergeschichte vor. Die Kinder der Bärengruppe hören begeistert zu. © Ingrid Wielens

Die meisten Eltern haben 35 Stunden Kita-Betreuung gebucht, sie holen ihre Kinder um 14.30 Uhr ab. Die verbleibenden Kinder werden in einer Gruppe zusammengelegt. Rund 25 Löwen, Elefanten und Bären sind noch da. Betreut von drei bis fünf Erzieherinnen.

Kita-Leiterin Stephanie Löer ist mit der Personalsituation einigermaßen zufrieden. „Wir sind gut besetzt, aber es darf auch nichts passieren.“ Wenn jemand schwanger werde, habe die Kita ein Problem. Ersatz, also Vertretungen, gebe es nicht. „Zur Not springe ich ein und helfe aus“, sagt Löer. „Meine Arbeit als Leiterin mache ich dann, wenn mein Sohn um 20 Uhr im Bett liegt.“

Stephanie Löer leitet das DRK-Familienzentrum in Sythen.
Stephanie Löer leitet das DRK-Familienzentrum in Sythen. © Ingrid Wielens

Trotz aller Unwägbarkeiten liebt Stephanie Löer ihren Beruf. „Ich stehe jeden Morgen gerne auf und freue mich auf die Arbeit“, sagt sie. So geht es hier allen. „Die Arbeit mit den Kindern macht großen Spaß“, erklärt Beata Gavulova.

Um 16.30 Uhr schließt das Familienzentrum. Ich muss zugeben: Ich bin geschafft. Fast neun Stunden lang ist meine Aufmerksamkeit Non-stop gefordert worden. Dazu die Lautstärke und die mitreißende Lebendigkeit der Kinder. Das kann schlauchen.

Der Tag hier in der Kita hat mir viele Eindrücke vermittelt - von Erzieherinnen und Erziehern, die mit Leib und Seele und großem Einfühlungsvermögen ihren Job machen. Die ständig bemüht sind, auf die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes einzugehen, es in seiner Entwicklung fördern und stärken. Und dabei helfen, es zu einer gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit werden zu lassen.

Impressionen aus dem Kita-Alltag auf halternerzeitung.de

  • In mehreren Folgen beleuchten wir derzeit die Kita-Situation in Haltern aus unterschiedlichen Perspektiven.
  • Das Sythener Familienzentrum ist werktags von 7.15 bis 16.30 Uhr geöffnet.
  • Die Einrichtung ist offen für alle Bürger. Pilates, Yoga, pädagogische Vorträge, Babymassage und vieles mehr wird in den Räumen nach Kita-Schluss angeboten. „Jeder, der aus Haltern kommt, darf mitmachen“, sagt Leiterin Stephanie Löer.
  • Es gibt vier Stammgruppen: Die Drei- bis Sechsjährigen sind in einer Gruppe mit 25 Kindern und drei pädagogischen Fachkräften. In zwei Gruppen der Zwei- bis Sechsjährigen sind jeweils 20 Kinder und drei Fachkräfte. In der Kleinkindergruppe (1 bis 2 Jahre) kommen drei Erzieherinnen auf zehn Kinder.

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