Mit Kriegsausbruch vor mehr als einem Jahr begann für die 41-Jährige wie für die meisten ihrer Landsleute ein völlig neues Leben. Der heutige Lebensmittelpunkt von Diana Bilokobylska liegt 1800 Kilometer weit weg von ihrem früheren. Am 24. Februar 2022 um 4.30 Uhr hat Diana Bilokobylska ihre Wohnung in Kiew verlassen - und ihr Zuhause seitdem nicht wiedergesehen. Die beiden Kinder, zwei Haustiere und Koffer mit dem Nötigsten - mehr war nicht zu retten am frühen Morgen, als die ersten russischen Geschosse die Ukraine trafen. Drei Wochen verbrachte die Familie noch bei Freunden in einem Schutzkeller in der West-Ukraine. Dann dachten sie: „Der Krieg geht nicht so schnell zu Ende.“ Und vor allem: „Der Krieg ist überall.“ Auch im Westen des Landes würden sie nicht sicher sein. Diana Bilokobylska sagt: „Wir wussten nicht, wohin wir laufen müssen, um unsere Kinder zu retten. Die russischen Soldaten..., meine Tochter ist 19...“, sie unterbricht und beendet den Satz nicht.
Am 10. März 2022 begann das neue Leben in Deutschland
Am 8. März des letzten Jahres machte sie sich mit ihren Kindern mit Bus und Bahn auf den Weg in Richtung Deutschland. Am 10. März begann ihr neues Leben hier. Auf die elementarste Angst ums Überleben folgte schnell die Frage, wie und vor allem wo ein Weiterleben möglich sein könnte. Diana Bilokobylska hatte einen Helfer in Marl. Er sitzt beim Gespräch etwa ein Jahr nach ihrer Flucht neben ihr und ist Oberarzt der gleichen Abteilung an der Paracelsus-Klinik. Volodymyr Pavlov kam 2012 nach Deutschland. Schon vor Kriegsbeginn war die Situation in der Ukraine alles andere als einfach, berichtet er. Er spricht für seinen Berufsstand. „Die Medizin dort ist ganz anders. Sie ist nicht auf dem Niveau wie hier. Es gibt keine Krankenversicherung“, erklärt der Oberarzt. Neben fehlenden medizinischen Standards sei es auch die Bezahlung, die ukrainische Ärzte belasteten. Pavlov berichtet von einem Monatsgehalt von 150 Euro. „Das ist offizielles Geld. Dazu muss man noch Wege finden, Geld zu verdienen.“
Oberarzt Volodymyr Pavlov hilft ukrainischen Kollegen beim Start
Eigentlich wollte er der Medizin schon den Rücken kehren, dann änderte sich ein Gesetz: Es betraf die Arbeitserlaubnis für Menschen aus Nicht-EU-Staaten. Er überdachte seine Meinung und bekam ein Berufsvisum, was ihn zunächst nach Niedersachsen führte. Seit 2020 ist er in der geriatrischen Abteilung der Paracelsus-Klinik, ein Jahr später hat er seinen Facharzt gemacht. Jetzt ist er Oberarzt in der Abteilung von Chefarzt Dr. Ludger Springob. Beide beschreiben ihren Chef als besonders engagiert, was ihre Integration angeht. Für Diana Bilokobylska schuf er extra einen bezahlten Praktikumsplatz.
Volodymyr Pavlov hat seine Erfahrungen weitergegeben. Seit Beginn des Krieges 2022 hat er schon einigen ukrainischen Kollegen bei der Flucht geholfen und für sie in seinem Privathaus die Türen geöffnet. Hier fanden auch Diana Bilokobylska und ihre Familie ein erstes Zuhause in Deutschland.
Vorübergehende Berufserlaubnis
Der Weg führte die Ärztin über verschiedene Stationen nach Marl in die geriatrische Klinik der Paracelsus-Klinik. Von der Erstunterkunft bei ihrem Kollegen ging es weiter nach Haltern, ihr Wohnort bis heute. Ihr Mann kam auch nach. Die Tochter will studieren, der Sohn besucht Sportvereine und Musikschule. Seit November hat Diana Bilokobylska eine vorübergehende Berufserlaubnis, ist als Assistenzärztin an der Paracelsus-Klinik angestellt. Schon jetzt hat sie die Approbation im Kopf. Davon hängt ihre berufliche Zukunft ab. Sie weiß, dass sie viel investieren muss. „Wir kommen mit riesigen Defiziten hier an“, sagt sie. Angst lässt sie nicht zu. Die hat sie sich schon während der Flucht nicht gestattet: „Ich durfte keine Angst haben. Ich musste meine Kinder retten.“
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