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Der Overrather Hof: Versunkener Glanz einer strahlenden Epoche in Haltern
Historisches Haltern
Längst ist der Grund, auf dem der Overrather Hof stand, überwuchert und überspült. Wenig erinnert an das einstige Kurhotel, das über die Stadtgrenzen hinaus berühmt war - ein Juwel der Zeit.
Zu seinen Hochzeiten in den 1930er-Jahren war der Overrather Hof ein Treffpunkt der „feinen Gesellschaft“, die dort festlich speiste und mit exquisiten Weinen und anderen Getränken verwöhnt wurde. Vorher gingen die Gäste in der Steverbucht baden oder Tennis spielen auf den eigens eingerichteten Plätzen, anschließend verjubelten sie so manche Mark im hauseigenen Spielcasino. Auch übernachten konnte man in dem vornehmen Haus, das damals als Kurhotel firmierte. 1931 bot der Overrather Hof 2500 Sitzplätze, eine Kaffeehalle, Restaurant, Gesellschaftszimmer und mehrere, teils überdachte Terrassen.
Der Overrather Hof in Bildern
Die Reichen und Schönen seien dort ein- und ausgegangen, wie Marianne Louis im Halterner Jahrbuch von 2018 schreibt. Normalbürger gönnten sich nur ab und an ein frisch gezapftes Bier im Bierkeller des Hauses. Ab 1931, unter der Regie des erfolgreichen Unternehmers Otto Blau aus Essen, erlebte der Overrather Hof seine Blütezeit. 400 Parkplätze, die bald auf 1000 erweitert wurden, boten Platz für Erholungssuchende aus der nahen und fernen Umgebung.

Das Strandbad war ein Publikumsmagnet. Hier tummelten sich die Halterner, aber auch viele auswärtige Besucher. © Archiv Stadt Haltern
Begonnen hatte alles kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Erfrischendes Seewasser, feinsandiger Strand, saubere Luft: Die Lage an der Steverbucht konnte kaum besser sein. Das muss sich auch Theodor Rohling gedacht haben, als er kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges Strandkörbe dort aufstellen ließ. Der damalige Pächter der Stadtmühle konnte sich schon bald über eine Vielzahl an Paddlern und Badegästen freuen. Bald darauf erhielt der Gastwirt eine Konzession und baute eine Gastwirtschaft „an‘t Hanower“ (am hohen Ufer) an der Stever, wie Marianne Louis weiter schreibt. Der Name „Overrather Hof“ stamme von der nahegelegenen Bauernschaft Overrath.
Der bekannte Geschäftsmann Otto Blau übernimmt den Betrieb
Weil die Bevölkerung wächst und vor allem der Industriestandort Ruhrgebiet immer mehr Wasser braucht, soll eine Talsperre gebaut werden. Dafür muss das Wasserwerk für das nördliche westfälische Kohlenrevier (heute Gelsenwasser AG) Grundbesitz erwerben, darunter auch das Gelände des Overrather Hofs. Für die 16 Morgen Land (umgerechnet etwa 40.000 qm) bezahlte Gelsenwasser am 6. Juli 1926 175.000 Reichsmark an Theodor Rohling, samt Gebäude und Inventar.
Anschließend verpachtete Gelsenwasser den Overrather Hof wieder an Rohling. Der übergibt das Geschäft im Oktober 1928 an den Olfener Kornbrenner Philip Sebbel, bevor der eingangs erwähnte Otto Blau übernimmt. 1930 wird die Talsperre geflutet. 1931 eröffnet der Overrather Hof nach umfangreichen Umbauarbeiten und wird zum Treffpunkt der reichen Leute. Das neu angelegte Strandbad tut ein Übriges zur Beliebtheit des Ortes.
Das Hotel wird vom Militär beschlagnahmt
Als der Zweite Weltkrieg beginnt, endet die goldene Ära des Overrather Hofs. Das Hotel wird für militärische Zwecke beschlagnahmt, wie Beate Olmer in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläums des Halterner Wasserwerks festhält. Regelmäßig meldet das Unternehmen Beschädigungen des Inventars. Otto Blau sieht sich gezwungen, den Hotelbetrieb zu beenden - er kündigt den Pachtvertrag zum 1. November 1939.
1940 entschließt sich Gelsenwasser, zur „Förderung der Volksgesundheit“ das Strandbad für die Badesaison 1940 zu öffnen. In den Kriegsjahren werden „ausländische Arbeiter“ der Chemischen Werke Hüls, damaliger Mieter der Anlage, untergebracht.

Der Overrather Hof verfiel zusehends nach Kriegsende, zunächst beherbergte er britische Soldaten und wurde schließlich 1958 abgerissen. © Archiv Stadt Haltern
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs beschlagnahmen die Briten die Immobilie. Im See zu baden, war verboten, dennoch nutzten viele Halterner die Badestelle. „Bad der Arbeitslosen“ wurde der Strand im Volksmund genannt. 1951 beendeten die Engländer das Badevergnügen, indem sie das Ufer absperrten und Kontrollen durchführten. Bombensplitter, Granaten und auch Bombenkrater unter Wasser machten das Schwimmen zu einem gefährlichen Vergnügen.
Die Briten planten zeitweilig, aus dem Overrather Hof ein Ledigenheim für Bergarbeiter oder ein Müttererholungsheim zu machen. Doch die meiste Zeit diente es als Residenz für britische Truppen. Als die Briten das Gebäude 1957 wieder freigaben, dachte Gelsenwasser über eine Restaurierung des Hauses nach. Doch das wäre sehr teuer geworden, so dass der Overrather Hof 1958 abgerissen wurde.
Strand versank im Wasser des Stausees
1972 wurde der Stausee auf 20,5 Millionen Kubikmeter erweitert - ein Teil der einstigen Halbinsel versank im Wasser, auch der feine Sandstrand. An den Overrather Hof soll auf der jetzigen Insel nur noch ein alter Laternenmast erinnern.

Auf dem zeitgenössischen Luftbild erkennt man mittig hinten die Stadtmühlenbucht. Vorne an der Insel ist die ehemalige Landzunge zu erkennen, auf der einst der Overrather Hof war. © www.blossey.eu
Heute steht die Insel unter Naturschutz. Lediglich Mitarbeiter der Gelsenwasser AG als Eigentümer und professionelle Naturschützer dürfen sie betreten.
Vor mehr als zwanzig Jahren über ein Praktikum zum Journalismus gekommen und geblieben. Seit über zehn Jahren bei Lensing Media, die meiste Zeit davon als Redakteurin in der Nachrichten- und Onlineredaktion in Dortmund. In Haltern seit September 2019.
