Christine Kern (62) ist Halterns erste Obstbaumwartin „Wollte nie auf Bäumen klettern“

Christine Kern ist Halterns erste zertifizierte Obstbaumwartin
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Die Halternerin Christine Kern (62) ist Diplom-Agraringenieurin – und seit neuestem zertifizierte Obstbaumwartin. Damit ist sie nicht nur die erste in Haltern, sondern auch eine der ersten in ganz Nordrhein-Westfalen.

Zusammen mit 24 anderen Teilnehmenden absolvierte sie eine anderthalbjährige Weiterbildung, bestehend aus Grund- und Aufbaukurs. In Köln, Brakel, Bielefeld und Münster ließ sie sich in der Planung, Beratung und Pflege von Streuobstwiesen ausbilden: „Unter anderem von Hans-Joachim Bannier, dem Obstbaum-Papst schlechthin in NRW!“

Die Weiterbildung ist Teil des Pilotprojekts „Netzwerk Streuobstwiesenschutz.NRW“: „Dabei geht es um den Schutz und Erhalt artenreicher Obstwiesen und deren Pflege und Neuanlage“, berichtet Carola de Marco, Vorständin des NABU-Ortsverbands Haltern, bei dem auch Christine Kern aktiv ist. Neben dem NABU sind noch weitere Naturschutzverbände und -gemeinschaften am Projekt beteiligt, das nordrhein-westfälische Umweltministerium fördert es.

„Kulturgut Streuobst erhalten“

Mit Christine Kern als Obstbaumwartin wolle der NABU Haltern das Kulturgut Streuobst erhalten und den fortschreitenden Verlust von Streuobstbeständen aufhalten. Kern: „Streuobstbäume können bis zu 100 Jahre alt werden, wenn sie richtig geschnitten werden.“

Bei der Pflege von Obstbäumen spielen laut Kern verschiedene Faktoren eine Rolle: „Bevor man einen Obstbaum schneidet, sollte man zum Beispiel wissen, in welcher Entwicklungsphase er sich befindet. Ist er noch in der Erziehungsphase oder schon in der Ertrags- oder Alterungsphase?“ Wer das nicht richtig erkennt, könne schon die ersten Fehler machen.

Christine Kern steht auf einer Leiter und schneidet einen Obstbaum.
„Früher wollte ich nie auf Bäumen klettern“, sagt Christine Kern, „jetzt mache ich es doch!" © privat

Denn unter Umständen schneidet man zu viel ab: „Das, was oben als Blattwerk wächst, wächst auch als Wurzeln unter der Erde. Wenn man den Baum zu stark zurückschneidet, können die Wurzeln nicht mehr adäquat versorgt werden. Letztendlich kann der Baum auf kurz oder lang eingehen.“ Äste mit einem Durchmesser von 10 Zentimetern oder mehr seien beim Schnitt tabu.

Wer pflegt Ausgleichsflächen?

Manche andere würden ihre Bäume fälschlicherweise gar nicht schneiden. Kern: „Das ist häufig bei sogenannten Ausgleichsflächen der Fall, die angelegt werden müssen, wenn der Natur an einer anderen Stelle etwas genommen wird.“ Städte und Kreise würden diese Ausgleichsflächen zwar anlegen, sie danach aber oft wenig oder gar nicht pflegen, obwohl es das Bundesnaturschutzgesetz vorsieht.

Paragraf 15, Absatz 4 des Bundesnaturschutzgesetzes regelt die Pflege von Ausgleichsflächen: „Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind in dem jeweils erforderlichen Zeitraum zu unterhalten und rechtlich zu sichern. Der Unterhaltungszeitraum ist durch die zuständige Behörde im Zulassungsbescheid festzusetzen. Verantwortlich für Ausführung, Unterhaltung und Sicherung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist der Verursacher oder dessen Rechtsnachfolger.“

Aktenordner mit der Aufschrift "Weiterbildung zum Obstbaumwart" im Vordergrund, dahinter ein Garten mit Wildblumen.
Mit viel Fleiß, Engagement und Liebe zu Obstbäumen hat Christine Kern die Weiterbildung zur Obstbaumwartin in NRW absolviert. © Antonia Strotmann

Auch in Haltern scheint die Stadt mit der Pflege der Obstbaumwiesen nicht immer hinterherzukommen. Den Eindruck erwecken zumindest Christine Kerns Bewertungen mancher Obstbäume im Stadtgebiet und dieser Absatz in der Berichtsvorlage 23/071, infolge einer Bestandsaufnahme Anfang 2023: „Da die Anzahl der zu pflegenden Grünflächen stetig steigt und der Fachbereich Technische Dienste eine hohe Arbeitsauslastung zu verzeichnen hat, kann der erforderliche Umfang der Pflegemaßnahmen nicht immer eingehalten werden.“

Aus der Berichtsvorlage geht auch hervor, dass die Stadt seit 2015 nach „Paten“ sucht, die bei der Pflege unterstützen. So kam Anfang 2024 ein Pflegevertrag mit dem NABU Haltern für die Obstwiese Sundernstege zustande, die die Stadt Haltern als Ausgleichsfläche für das Baugebiet Nesberg angelegt hat. „Hier pflegt Christine Kern nun knapp 40 Obstbäume, die in einem sehr traurigen Zustand sind“, berichtet Carola de Marco.

Das sagen Stadt und Kreis

Neben der Obstwiese Sundernstege hat die Stadt Haltern 12 weitere Obstwiesen oder -reihen. Die meisten davon pflegt laut Pressesprecherin Sophie Hoffmeier der Baubetriebshof. Es gibt aber noch weitere Pflegeverträge wie mit dem NABU.



So kümmert sich um die Obstwiese an der Dülmener Straße eine Privatperson, die Obstwiese am Schloss Sythen pflegt der Förderverein Schloss Sythen und die CDU-Ortsunion Hullern ist für die Obstwiese an der Buttstraße zuständig. „Die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen der Pächter wird regelmäßig stichprobenartig überprüft“, schreibt Hoffmeier.

„Diskrepanz bei Einschätzungen“

Laut der Berichtsvorlage 23/071 befanden sich zum Zeitpunkt der Bestandsaufnahme die meisten dieser Obstbaumwiesen in einem guten Zustand. Auch diejenigen, die laut Christine Kern viel mehr Pflege benötigten: „Da besteht eine gewisse Diskrepanz zwischen den Einschätzungen.“

Der Kreis Recklinghausen besitzt laut Pressesprecherin Lena Heimers noch keine Ausgleichsflächen in Haltern, jedoch eine Ökopoolfläche im „Fräither (Fritter) Bruch“ zwischen der Dorstener Straße und der Lippe. „Diese könnte bei zukünftigen Maßnahmen eingesetzt werden“, so Heimers. Die Pflege übernehme die Landschaftsplanung und -gestaltung des Kreises.

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Obstbäume richtig schneiden

Für Privatleute, die mehr über den richtigen Obstbaumschnitt lernen wollen, bieten der NABU und die Biologische Station Recklinghausen Schnittkurse an. Informationen zur Obstbaumwart-Weiterbildung gibt es auf der Internetseite des Netzwerk Streuobstwiese.NRW unter www.nua.nrw/bildungsprogramm.