Halternerin will nach Afrika auswandern „Mein Herz ist in Uganda, mein Körper in Deutschland“

Christina Gawarecki will nach Afrika auswandern: „Mein Herz ist in Uganda“
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Es gibt Mädchen, die träumen davon, Schauspielerin oder Sängerin zu sein. Manche wollen Tierärztin oder Ärztin werden und wieder andere stellen sich ein Leben auf einem Märchenschloss vor.

Dann gibt es aber noch Mädchen wie Christina Gawarecki, die schon in der Kindheit eine andere Idee vom Leben haben. Die heute 45-Jährige verfolgt schon lange einen eher ungewöhnlicheren Kindheitswunsch: „Wenn ich groß

bin, dann gehe ich nach Afrika und helfe den Kindern dort!“

Wann genau sich dieser Traum in ihrem Kopf festgesetzt hat, weiß Christina Gawarecki nicht mehr. „Es war irgendwann als ich zwischen sieben und 12 Jahre alt war“, erinnert sie sich nur vage. Ganz genau weiß sie allerdings noch den Auslöser: „Ich hatte viele Bilder von Kindern mit dicken Hungerbäuchen und ganz dünnen Ärmchen gesehen. Das hat mich damals so traurig berührt, dass ich diesen Wunsch durchs ganze Leben getragen habe“, sagt sie.

Lange Zeit blieb dieser Traum aber eben nur ein Traum. Zu viele Hindernisse stellten sich der Halternerin immer wieder in den Weg. Nach dem Abitur wollte sie den Traum in Angriff nehmen. Um eine gute Voraussetzung zu haben, müsse sie aber zunächst etwas lernen, dachte sie. So fiel die Wahl auf den Beruf der Krankenschwester.

„Ich war nicht mutig genug“

Noch heute übt Christian Gawarecki diesen Beruf aus. Wirklich glücklich wurde sie damit aber nie. „Ich liebe den Kontakt zu den Menschen, ihnen Gutes zu tun

und ihnen Freude zu bereiten, aber das Medizinische und den Zeitdruck mag ich

nicht“, erklärt die 45-Jährige.

Über die Organisation „World Vision“ übernahm Gawarecki schließlich Patenschaften für afrikanische Kinder. Zweimal verpasste sie aber die Möglichkeit, die Kinder über die Patenschaftsreisen von „World Vision“ zu besuchen. „Kein Urlaub, Vollzeitjob, zu wenig Geld“, das waren einige Gründe.

Das Hauptproblem aber war hausgemacht. Christina Gawarecki gesteht sich ein: „Ich war einfach nicht mutig genug.“ Diesen Mut, den nächsten Schritt auf dem Weg zu ihrem Kindheitstraum zu gehen, hat die Halternerin nun aber gefasst.

Nach Jahren erinnerte sich Gawarecki im vergangenen Jahr wieder an die Patenschaftsreisen von „World Vision“. Obwohl ihr Patenkind in Kenia lebt, ergatterte sie sich auf den letzten Drücker einen Platz und reiste nach Tansania.

Zwei Wochen in Tansania

Die Erfahrung, die sie während der 14-tägigen Reise von Ende Juli bis Anfang August 2022 machte, bestärkte Christina Gawarecki in ihrem Traum vom Auswandern. „Ich wollte eintauchen, mich unter die Menschen mischen, an ihrem Leben teilhaben. Ich wollte länger als nur zwei Wochen dort sein.“

Von den Hindernissen, die sich aus ihrem Leben in Deutschland ergaben, ließ sich die Halternerin ihre Pläne nicht mehr durchkreuzen. Zufällig stieß sie auf die Plattform „Workaway“, die das Unterkommen in einer Gastfamilie für eine bestimmte Zeit ermöglicht. Die Tür zum Traum war plötzlich weit geöffnet.

So verschlug es Christina Gawarecki in die Familie von Emmanuel Bulolo nach Kamonloli im Osten Ugandas. Ein Glücksgriff, wie sich herausstellen sollte. Innerhalb kürzester Zeit war ich keine Freiwillige mehr, sondern bin in seine Familie aufgenommen worden. Eine Familie, wie ich sie in Deutschland nie hatte“, berichtet Gawarecki stolz.

Christina Gawarecki (l.) wurde in die Familie von Emmanuel Bulolo (r.) aufgenommen.
Christina Gawarecki (l.) wurde in die Familie von Emmanuel Bulolo (r.) aufgenommen. © Privat

Soziale Projekte für Kinder

Gemeinsam mit Emmanuel Bulolo half die Halternerin an zahlreichen Projekten für Kinder und Frauen mit. Unter anderem gehe es darum, den Frauen Wege zu zeigen, wie sie selbst für sich und ihre Kinder sorgen können, um beispielsweise Schulgebühren bezahlen zu können.

Dem Thema Schule widmet sich eines der Projekte genauer. Mit Hilfe von Schul-Patenschaften sollen Kinder aus sehr armen und benachteiligten Familien eine Chance auf eine bessere Perspektive bekommen. „Die staatlichen Schulen sind überfüllt, die Kinder gehen dort unter. Ich will einigen Kindern den Gang auf eine private Schule ermöglichen“, sagt Christina Gawarecki.

Auf privaten Schulen wie die Naugalo School in Mokono in Uganda gibt es besser ausgebildete Lehrer und überschaubarere Klassengrößen.
Auf privaten Schulen wie die Naugalo School in Mokono in Uganda gibt es besser ausgebildete Lehrer und überschaubarere Klassengrößen. © Privat

Für eine Schule sammelte Gawarecki Spenden für Nahrungsmittel und Schulmaterial wie Schreibhefte, Bleistifte, Spitzer, Radierer und Kugelschreiber. Wenn wir die Kinder unterstützen, Schulen zu besuchen, um später zu studieren oder einen anderen Beruf zu erlernen, können sie ihr eigenes Land anheben“, ist sie sich sicher.

Während ihrer Zeit in Uganda ist ihr vor allem die achtjährige Stecia ans Herz gewachsen. Sie kommt aus einer armen Familie mit neun Brüdern. Ihr Vater verdient unregelmäßig etwas als Feldarbeiter dazu. Ihre Mutter war in einer Schule. Stecia soll es einmal besser haben. Dank Christina Gawarecki besucht sie bald eine private Schule mit Klassen zwischen 20 und 30 Schülern. „Sie ist wie eine kleine Freundin für mich“, betont die Halternerin.

Christina Gawarecki (l.) hat die achtjährige Stecia ins Herz geschlossen.
Christina Gawarecki (l.) hat die achtjährige Stecia ins Herz geschlossen. © Privat

Unterstützung für Krankenhaus

Ein weiteres Projekt ist das Shawin Foundation Hospital, eine kleine Krankenstation, die von Emmanuel Bulolos Oma im vergangenen Jahr gegründet wurde. Bisher fehle es dort noch an fast allem. „Es gibt einen OP, der bisher nur ein leerer Raum ist. Medikamente sind kaum vorhanden und es gibt keinen richtigen Arzt, sondern nur medizinische Assistenten“, beschreibt Christina Gawarecki die Lage vor Ort.

Dank von ihr gesammelter Spenden konnten zumindest schon mal ein Autoklav und ein Sterilisationsgerät angeschafft werden. Um den OP in Betrieb nehmen zu können, fehlen jedoch noch einige weitere Geräte wie ein Anästhesiegerät, ein Absauggerät, ein gutes OP-Licht, Equipment für den Krankenwagen oder ein Notstrom-Aggregator.

Christina Gawarecki (M.) präsentiert stolz den Autoklav, den Emmanuel Bulolo (l.) und Dr. Paul vom Shawin Foundation Hospital in Empfang nehmen.
Christina Gawarecki (M.) präsentiert stolz den Autoklav, den Emmanuel Bulolo (l.) und Dr. Paul vom Shawin Foundation Hospital in Empfang nehmen. © Privat

Doch nicht nur fehlende Geräte bereiten Probleme. Personal ist Mangelware. Einen richtigen Arzt gibt es nicht, sondern lediglich medizinische Assistenten. Erschrocken war Christina Gawarecki über die Anzahl der Medikamente. Es gibt kaum welche.

„Wie sollen Patienten versorgt werden?“, fragt sich die Halternerin. Das Ziel für die Zukunft ist also klar: „Alle Patientin sollen kostenlos versorgt werden können“.

Ein fast leerer Medikamentenschrank im Shawin Foundation Hospital in Uganda.
Ein leerer Medikamentenschrank im Shawin Foundation Hospital in Uganda. © Privat

Nicht nur in die Projekte ihres Hosts Emmanuel Bulolo steckte Christina Gawarecki ihr Herzblut. Sie startete auch eigene Projekte. An kinderreiche Familien verteilte sie Lebensmittel-Überraschungen. „Viele Kinder bekommen keine einzige Mahlzeit am Tag, weil ihre Eltern kein Geld für Lebensmittel haben“, sagt sie.

Brote für Straßenkinder

Ein besonderes Augenmerk legte die Halternerin auf die Straßenkinder vor einem Supermarkt in Mbale. Mit Hilfe von Spenden und ihrem eigenen Geld verteilte sie täglich geschmierte Brote. Was bleibt ist vor allem die tiefe Dankbarkeit der Kinder. „Diese Höflichkeit war beeindruckend. Ich habe Hoffnung in den Augen gesehen, das hat mein Herz berührt“, sagt die 45-Jährige.

Genau das ist auch der Grund, weshalb die Halternerin bald den endgültigen Schritt wagen und nach Afrika auswandern will. „Es war die schönste Zeit meines Lebens. Ich bin aufgeblüht und habe geleuchtet. Es macht einen großen Unterschied zu wissen, was in Afrika los ist und es selbst zu erleben. Es ist ein großer Unterschied, nichts zu tun oder auch nur einem Kind zu helfen.“

Leuchtende Augen erlebte die Halternerin auch kurz vor ihrer Abreise. Für die Kinder aus der Nachbarschaft organisierte sie eine große Party mit Musik, Luftballons, Süßigkeiten und einer besonderen Mahlzeit. Es gab für jedes Kind Reis, Kartoffeln, Fleisch, Gemüse, Chiapati, Kuchen und Softgetränke.

Emmanuel Bulolo brachte die Stimmung bei den Kindern an diesem Tag auf den Punkt: „You brought Christmas early this year“, habe er zu Christina Gawarecki gesagt.

Christina Gawarecki (r.) verteilte Brote an Straßenkinder.
Christina Gawarecki verabschiedete sich mit einer großen Kinder-Party aus Uganda. © Privat

Keine Heimweh nach Deutschland

Inzwischen ist Christina Gawarecki wieder in Deutschland – nach drei Monaten intensiver Afrika-Erfahrung. Heimweh habe sie in dieser Zeit keine Sekunde gespürt. Für sie steht fest: „Mein Herz ist in Uganda, mein Körper in Deutschland.“

Spätestens an ihrem nächsten Geburtstag im August 2024 will sie für immer nach Afrika ausgewandert sein. Bis dahin will sie noch ein bisschen Geld für das nötige Startkapital verdienen. Eine Sache wird sie aber an Deutschland dann doch vermissen: „Meine Waschmaschine! In Uganda habe ich alles mit der Hand gewaschen“, sagt sie.

Mehr Informationen zu den einzelnen Projekten, die Christina Gawarecki in Uganda unterstützt und zum Teil selbst mit aufgebaut hat finden Sie unter den nachfolgenden Weblinks. Christina Gawarecki ruft zudem jeden Interessierten zu Spenden auf.

Wiederverwendbare binden für Mädchen
Lebensmittel-Überraschungen

Aktion "Brighter Days" (Schenke Kindern in Uganda ein besseres Leben)