Bauern-Sprecher distanziert sich von Rechten und Querdenkern Ausreißer bei Protestzug in Haltern

Bauern-Sprecher distanziert sich von Rechten und Querdenkern
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Ludger Winkelkotte, Vorsitzender des landwirtschaftlichen Ortsverbands Haltern, hat die Teilnahme der Halterner Landwirte an der Demo in Recklinghausen mit organisiert. Redakteurin Ingrid Wielens sprach mit ihm.

Herr Winkelkotte, wie zufrieden sind Sie mit den Bauernprotesten?

Die Bauern haben ein anständiges Zeichen gesetzt, dass das Maß voll ist. Ich hoffe, dass die Politik das begreift, um bei zukünftigen Entscheidungen etwas wohlwollender mit uns umgeht.

Wird die Ampelkoalition einlenken und die Agrardiesel-Subvention wieder einführen?

Ich hoffe, dass es passiert. Sonst weiß ich nicht, wie meine Berufskollegen reagieren werden.

Sie haben auch Unterstützung aus dem Handwerk bekommen?

Unserem Protest haben sich viele andere Berufsgruppen, zum Beispiel Spediteure und Handwerker, angeschlossen. Bei mir haben sich mehrere Handwerksbetriebe aus Haltern gemeldet, die gerne bei der Demo mitgefahren wären - aus Solidarität und auch, weil bei ihnen der Frust ebenfalls sehr tief steckt. Hier müssen wir uns aber klar abgrenzen. Es geht um die Steuerpläne der Bundesregierung für die Bauern.

Auch andere Gruppen wie Querdenker, Rechte und Rechtsradikale springen auf Ihren Protestzug auf...

Wir distanzieren uns deutlich von diesen Gruppierungen.

Reichen Erklärungen allein, um sich wirksam und glaubwürdig von solchen Gruppen abzusetzen?

Unser Protest in Recklinghausen hat seine Route und auch die Abfahrtszeit kurzfristig geändert, um solchen Gruppierungen keine so große Chance zu bieten, mitzumachen. Statt einer Sternfahrt wurde auch die Strecke geändert.

Wie deutlich fällt Ihre Abgrenzung zum Vorfall letzter Woche aus, als eine wütende Menschengruppe Vizekanzler Robert Habeck am Verlassen einer Fähre hinderte?

Eine solche Aktion geht nicht. Man kann die Politiker in ihren Büros besuchen und dort mit ihnen diskutieren. Aber für alles, was in Richtung Nötigung geht, sind die Bauern hier nicht zu haben. Vieles spricht ja dafür, dass diejenigen, die dort richtig Krawall gemacht haben, gar keine Bauern waren. Es sieht nicht schön aus, weil Trecker im Hintergrund stehen und ein paar Bauern wahrscheinlich auch applaudiert haben, aber das gehört sich nicht.

Was halten Sie als Mitorganisator der Proteste dann von einem Trecker aus Haltern mit der Parole „Geht’s dem Bauer an die Butter, bleibt der Habeck auf dem Kutter“?

Dieses Schild hätte ich gern aus dem Verkehr gezogen. Aber ich kann das nicht verhindern. Wir hatten bei uns rund 60 Anmeldungen. In unserer Gruppe habe ich mehrmals geschrieben, dass solche Banner nicht verwendet werden sollen. Es gibt auch Listen mit Vorschlägen für Parolen.

Ich habe in letzter Zeit viele doofe Sprüche gelesen, die aber nicht immer von den Bauern kommen. Und: Nicht auf jedem Trecker sitzt ein Bauer. Diesmal sind wir auch nicht als Kolonne durch die Polizei geleitet worden. Wenn sich jemand aus dem Seitenverkehr da reinschleicht, haben wir da keinen Einfluss mehr drauf.

Zurück zu den Sparplänen der Regierung: Nachdem die Kfz-Steuer in der Landwirtschaft nun doch nicht erhoben wird, fordern die Bauern noch die Abschaffung der Agrardiesel-Steuer. Werden sie Ruhe geben, falls sie sich mit ihrer Forderung durchsetzen?

Der Protest wird dann sicher abebben. Zufrieden sind wir aber sicher nicht.

Die Landwirte haben in der Vergangenheit oft gegen die Pläne der Bundesregierung demonstriert. Wie erklären Sie dem Bürger, dass es Ihrem Berufsstand besonders schlecht geht?

Die Bauern müssen ohnehin schon mit Einschnitten in Höhe von zwei Milliarden leben, weil wir vier Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen entschädigungslos stilllegen müssen, um weiterhin EU-Mittel zu bekommen.

In steuerlicher Hinsicht hat sich auch vieles geändert. Größere Betriebe unterliegen jetzt der Regelbesteuerung. Für die kleinen Betriebe hat sich die Vorsteuerregelung geändert. Dadurch haben sie massive Einschnitte.

Flächen aus Deutschland sind mit falschen Werten zur Einstufung in rote Grundwasserkörper zur EU gemeldet worden. Dadurch gab es Einschränkungen bei der Düngung und in Folge im Ertrag und in der Qualität des Getreides. Pflanzenschutzverordnungen sind verschärft worden.

Der Frust ist also groß?

Der Frust sitzt wirklich tief. Die aktuellen Sparpläne haben das Fass zum Überlaufen gebracht.