
© Quarzwerke
Auf Halterner Sand gebaut: Quarzwerke wachsen beständig
Quarzwerke
Das Werk Haltern gilt als wichtiger Tochterbetrieb der Quarzwerke. In unserer Serie zur Historie Halterns stellen wir die langjährige Geschichte des Familienunternehmens vor.
136 Jahre Geschichte - die Quarzwerke können auf eine abwechslungsreiche, stürmische und nicht zuletzt erfolgreiche Vergangenheit zurückblicken. Wir stellen einige Stationen vor:
Die Ursprünge der Quarzwerke und damit auch des Werks in Haltern gehen auf Wilhelm Köhnen und Carl Grosspeter zurück. Die Essener Bauunternehmer gründen 1884 eine Quarzsand-Handelsgesellschaft. Streusand für Eisenbahnen, Quarzsand für die Glasindustrie und Gießereien wurden damals mit dem Quarzsand aus Frechen bei Köln beliefert. Der qualitativ hochwertige Sand gilt wie auch die Halterner Sande als besonders feiner und hochwertiger Quarzsand und eignet sich für viele Anwendungen in der Industrie.
Die Quarzsande aus dem Raum Haltern sind Ablagerungen aus der oberen Kreidezeit und dabei mit 85 Millionen Jahren älter als die Frechener Sande. Sie verfügen über einen hohen Weiß- und Reinheitsgrad.
Nach dem 1. Weltkrieg ist die Wirtschaft stark geschwächt. Das Unternehmen fusioniert 1919 mit der Unternehmergruppe „Cöln-Frechener-Kristall-Sandwerke mbH“, die von August Lindemann geführt wird. Fortan heißt der Betrieb „Grosspeter, Lindemann & Co. Kommanditgesellschaft“. August Lindemann übernimmt später die alleinige Führung. In den 1920er-Jahren sorgt er dafür, dass die Quarzwerke zu einem überregional bedeutenden Unternehmen mit Tochtergesellschaften expandieren. Hier kommt Haltern ins Spiel.
Werk Haltern ist ein Stammunternehmen der Quarzwerke-Gruppe
Wie die Quarzwerke in ihrem Jubiläumsbuch anlässlich des 125-jährigen Bestehens im Jahr 2009 betonen, gilt die älteste Tochter, das Quarzwerk in der Seestadt, genauer: in Sythen, als Stammunternehmen der Gruppe.

Der Grubenbetrieb Haltern in den 1930er-Jahren: Der vom Bagger aufgeworfene Sand wird in die Loren geschaufelt. Links ist der Förderteich zu sehen. © Quarzwerke
1921 nimmt die „Sythener Quarzsandwerke GmbH“, eine Gemeinschaftsgründung von Quarzwerken und der Heinrich Jung KG, den Betrieb an einer Quarzsandgrube in der Schmaloer Heide (Silbersee III) auf. Das ausgedehnte Quarzsand-Vorkommen liegt strategisch günstig am Rande des Ruhrgebiets mit seiner gewaltigen Industrielandschaft. Otto Lindemann, Sohn von August Lindemann, übernimmt 1923 die Gesamtleitung des Unternehmens. Es herrscht eine extreme Inflation. Ein Laib Brot kostet 399 Milliarden Mark.
Am 15. März 1924 gründet Otto Lindemann mit seinem Vater und dem langjährigen Partner Karl Lenders die „Rheinische Bau- und Kristallsandwerke GmbH“, die die Sythener Sandwerke übernimmt, den Betrieb erweitert und modernisiert. Ab 1956 wird das Unternehmen den Namen „Quarzwerke GmbH - Werk Haltern“ tragen.
Dampfbagger kam in Haltern zum Einsatz
Anders als im Frechener Tagebau, wo Sand per Hand und Schaufel gewonnen werden kann, wird der Großteil der Quarzsandvorkommens in Haltern unterhalb des Grundwasserspiegels gefördert. Dort baut ein Dampfbagger den Sand bis zu einer Fördertiefe von acht Metern unter der Wasseroberfläche ab.

Die Trockengewinnung in Haltern erledigte in den späten 1920er-Jahren ein Dampfbagger. Der größte Teil des Quarzsandes wurde jedoch aus dem Tagebau gefördert. © Quarzwerke
Die Wirtschaft im Ruhrgebiet kommt in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre wieder in Gang. Gießerei-, Eisen- und Stahlproduzenten bestellen den Quarzsand im Werk Haltern, das seit 1927 mit einem eigenen Gleisanschluss ausgestattet ist. Zur Stammkundschaft gehören auch große Glasfabriken wie die Essener „Glaswerke Ruhr AG“ und die Gelsenkirchener „Schalker Glas und Spiegel“.
1928 werden durch Anpachtung des „Sandwerks Haltern“ der Firma Max Klein & Co. neue Abbaumöglichkeiten in Sythen und Flaesheim gewonnen. Inzwischen fördert ein 150 Tonnen schwerer und mit Krupp entwickelter Eimerkettenbagger bis zu 20 Meter tief und pro Stunde 80 Tonnen den Sand.
Die chemische Industrie benötigt zunehmend Quarzmehle. Scheuermittel werden beliebt. Das bekannteste Produkt ist Ata aus dem Hause Henkel.
Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg
In den 1930er-Jahren setzt sich der Aufschwung fort - nach kurzer Durststrecke während der Weltwirtschaftskrise. Später treibt die Rüstungsindustrie die Nachfrage der Eisen- und Stahlindustrie in die Höhe. Im Zweiten Weltkrieg kommt die Produktion in Haltern zum Erliegen. Vieles im Werk muss später wieder aufgebaut werden.
Nach der Währungsreform 1948 und mit dem Boom der deutschen Wirtschaft wächst auch wieder die Nachfrage nach Quarzsand. In Haltern gründen die Quarzwerke am 7. Mai 1951 zusammen mit dem Grundbesitzer Graf Westerholt die „Westfälische Sandwerke Lindemann & Co. KG“ mit weiteren Quarzsandvorkommen in Haltern-Ost. Der Großteil der Erträge fließt in den Ausbau und die Modernisierung der Werksanlagen.
Weil Gießereisande immer wichtiger werden, bekommt das Halterner Werk 1953 eine Hydroklassieranlage. Damit können Quarzsande in verschiedenen Korngrößen hergestellt werden. 1959 kommt eine Kunstharzumhüllungsanlage hinzu. Sie ermöglicht das so genannte Croning-Verfahren: Mit Phenolharz umhüllte Quarzsande dienen als Form- und Grundstoffe, aus denen sich stabile und maßgenaue Gussformen herstellen lassen. Gießereisand aus Haltern wird ein Markenzeichen über deutsche Grenzen hinaus.
Saugbagger auf Schwimmpontons ersetzen Eimerkettenbagger
Im Werk Haltern bricht im Januar 1950 ein Damm in einem Gewinnungsteich ein - Lokomotiven, Muldenkipper, Eimerkettenbagger und Stromleitungen werden überflutet. Leistungsstärkere Saugbagger auf Schwimmpontons, die den Sand vom Grund des Förderteichs abpumpen, halten danach Einzug.

Die Quarzwerke am Standort in Sythen werden derzeit ausgebaut. Unter anderem entsteht ein zweiter Siebturm. © Ingrid Wielens
1954 liefern die Quarzwerke ihre Quarzmehle bereits in 13 europäische Länder. Es entstehen Tochtergesellschaften in Belgien, Frankreich, der Schweiz, Italien, Spanien und Norwegen. In Frechen werden 1960 rund 850.000 Tonen Quarzsand gefördert, in Haltern wird die 1-Million-Tonnen-Grenze erstmals überschritten.
Quarzwerke übernehmen die Heinrich Jung KG in der Geisheide
Die Heinrich Jung KG wird 1966 von den Quarzwerken übernommen. Diese hatte in der Geisheide Land vom Herzog von Croy gepachtet. Der Förderteich trägt seit der Übernahme durch die Quarzwerke, die nun ihrerseits einen langfristigen Pachtvertrag mit dem Herzog schließen, die Bezeichnung Haltern-West.
Mit einem Schneidkopfbaggerschiff wird der Quarzsand angefräst und abgesaugt - rund 1200 Tonnen Sand pro Stunde. Mit Hilfe einer drei Kilometer langen Rohrleitung, die über die Münsterstraße führt, wird das Wasser-Sand-Gemisch transportiert.
1966 auch steigt das Unternehmen in den wachsenden Markt für Füllstoffe ein. Außer in der Dentaltechnik werden diese feinen Mehle in Fugen- und Dichtungsmassen, Klebstoffen, Silikonen, Farben, Lacken und in der Elektrotechnik verarbeitet.
Quarzsandgewinnung auch in Flaesheim
Im Dezember 1966 schließlich verkauft die Rheinstahl-Bergbau AG, vormals Arenberg Bergbaugesellschaft mbH, ihren Grundbesitz im Forstamt Haard und die damit verbundenen Aussandungsrechte des Quarzwerks Flaesheim an die Quarzsandwerke GmbH in Köln. Die Aussandung wird aber weiterhin vom Pächter, den Dörentruper Sand- und Tonwerken, betrieben.
1970 zieht die Hauptverwaltung von Köln nach Frechen um. 1984 übernehmen die Quarzwerke die Quarzsandgewinnung in Flaesheim. Heute wird dort allerdings kein Sand mehr unter Wasser abgebaut.
Im Sommer kauft das Unternehmen das Werk Haltern-Sythen der „Westdeutschen Quarzwerke Dr. Müller GmbH“, das sich ebenfalls auf dem Gelände des Herzogs von Croy in der Geisheide in Sythen befindet.
Zwei Millionen Tonnen Sand pro Jahr
Heute zählen die Quarzwerke 73 Mitarbeiter und acht Auszubildende am Standort Haltern (Stand Ende 2019). Daniel Duric (39) ist neuer Werkleiter. „Die Lagerstätte, aus der wir in unserem Werk Haltern fördern, ist besonders“, sagt er. Derzeit wird der Standort ausgebaut. Eine neue Nasssand-Bunkeranlage und ein zweiter Siebturm entstehen. Jährlich werden rund zwei Millionen Tonnen Sand gefördert.
Geboren in Dülmen, Journalistin, seit 1992 im Medienhaus Lensing - von Münster (Münstersche Zeitung) über Dortmund (Mantelredaktion Ruhr Nachrichten) nach Haltern am See. Diplom-Pädagogin und überzeugte Münsterländerin. Begeistert sich für die Menschen und das Geschehen vor Ort.
