Die Steinbildhauerei ist ein uraltes Handwerk, das vom Betrieb Wirtz in Haltern seit 140 Jahren gepflegt wird. Die digitale Revolution stellt eine ganz neue Herausforderung dar.
Die digitale Revolution macht sogar vor dem Friedhof nicht halt. Steinmetz Bernd Wirtz bietet Grabsteine in Verbindung mit QR-Codes an, die auf eine Internetseite zur Erinnerung an die Verstorbenen führen. Der Fachmann für Grabmale gestaltet auch die dazu gehörigen Homepages nach Wünschen seiner Kunden.
Seit 140 Jahren trotzt der Halterner Familienbetrieb den Stürmen der verschiedenen Epochen. Bis heute beeinflusst der jeweilige Zeitgeist das Aussehen von Grabstätten und Grabmälern. „Der Friedhof ist ein Spiegelbild der Gesellschaft“, sagt Bernd Wirtz. Aus Sicht des Steinmetzes hat das nicht nur positive Auswirkungen. Die Attribute effizient und kostengünstig lassen sich aktuell auch in der Erinnerungskultur finden.
„Früher gab es eigentlich in unserem christlich geprägten Kulturraum nur die Erdbestattung im Sarg. Die Gräber wurden aufwendig gestaltet und liebevoll gepflegt“, berichtet Bernd Wirtz. Diese Kultur übt einen besonderen Reiz aus und lässt uns bis heute historische Grabstätten in aller Welt besuchen.
Pflegeleichte Bestattungsformen sind gefragt
Heute geht der Trend hin zu pflegeleichteren Bestattungsformen, die sich auch auf die Arbeit des Steinmetzes auswirken. Allerdings: Wenn sich Kunden entschließen würden, einen Gedenkstein gestalten zu lassen, würden sie sich meist für hochwertige Lösungen entscheiden, so Bernd Wirtz.

Das Ehrenmal in Hullern vor 1890 © privat
1881 lag der Tätigkeitsschwerpunkt bei Gründer Bernhard Wirtz sen. noch in der sakralen Bildhauerei für Kirchen. Im Ersten Weltkrieg waren Wegekreuze sowie Ehrenmale für gefallene Soldaten mehr gefragt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Grabmale aufgrund der wirtschaftlichen Not noch kleiner und der Betrieb nahm die Fertigung von Treppenstufen und Fensterbänken in sein Programm auf. Nach den Aufbaujahren erfolgte erneut die Konzentration auf den Grabmalbereich, wobei Materialien und Farben vielfältiger wurden.

Die Kommunionbank im Krankenhaus um 1900 © privat
Wie überall auf dem Arbeitsmarkt machte sich die Globalisierung bemerkbar. Importierte Grabdenkmäler aus Indien und aus China drängten auf den Markt. Auch auf dem Friedhof habe das Motto „Geiz ist geil“ Einzug gehalten, erklärt Bernd Wirtz. Allzu gern würden davor die Augen verschlossen, dass hinter den günstigen Preisen für die Rohstoffe aus anderen Ländern extrem niedrige Löhne oder gar Kinderarbeit stecken könnten.
Der Formgebung sind keine Grenzen gesetzt
„Die Formgebung hatte nichts mehr mit formschöner sowie individueller Grabmalgestaltung zu tun. Frei nach dem Motto, je verrückter und trotzdem günstig, desto besser“, sagt Bernd Wirtz.

Die Mariensäule an der Sixtuskirche von 1914 © privat
Die Steinbildhauerei Wirtz hat sich laut eigener Firmenphilosophie seit 140 Jahren der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes verpflichtet. „In der neueren Zeit haben wir unser Material natürlich auch über unsere Lieferanten aus der ganzen Welt bezogen. Zu 90 Prozent wurden allerdings die Rohblöcke (3 – 6 Tonnen schwer) ausschließlich in Deutschland weiter verarbeitet bzw. veredelt“, informiert Bernd Wirtz über seine Lieferketten.
Importe aus Indien oder China habe der Betrieb Wirtz so weit es geht unterlassen, denn kein Lieferant könne zu 100 Prozent die Fertigung von Grabdenkmälern ohne Kinderarbeit garantieren. „Die benötigten Bescheinigungen werden von den jeweiligen Regierungen an die Produktionsfirmen gegen Geld ausgestellt. Ein Besuch von deutschen Importeuren ohne Anmeldung und ein uneingeschränkter Blick in die Produktionskette sind nicht möglich“, so der Halterner Fachmann.

Erlöserkirche von 1912 © privat
Wirtz hat sich auf die Produktion in Deutschland fokussiert und ist damit nach eigenen Angaben gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie gut aufgestellt. Aufgrund des Vertrauensverhältnisses mit den Lieferanten im eigenen Land, werde man zeitnah beliefert. Berufskollegen, die im Ausland bestellten und sich jetzt ebenfalls in Deutschland umsähen, um Zeitverzögerungen zu vermeiden, würden weniger bevorzugt versorgt.
Das Thema Nachhaltigkeit steht weiter im Fokus
Weil das Thema Nachhaltigkeit weiterhin gelebt werden soll, will Bernd Wirtz eine besondere Idee umsetzen. Für jeden erteilten Auftrag will er ein kleines Stück Blumenwiese zum Erhalt der Artenvielfalt in Haltern anlegen. Bernd Wirtz sieht gute Zukunftschancen für das Steinmetzhandwerk im Halterner Betrieb gegenüber des Sundernfriedhofs.

Bernd Wirtz und Jens Eilert mit dem Heiligen Sixtus im Jahr 2007 © privat
Die fünfte Generation steht mit Jens Eilert in den Startlöchern. Die kreativen Ideen gehen nicht aus, die jeden individuellen Kundengeschmack befriedigen sollen, denn es gibt auch den Trend zu besonders gestalteten Grabdenkmälern.
So bietet die Steinbildhauerei Wirtz seit neuestem auch nach Kundenwünschen individuell gefertigte Grabdenkmäler aus Cortenstahl an. Außerdem wird mit Hochdruck an der Gestaltung von Naturstein in Verbindung mit geeignetem Holz gearbeitet. „Auch versuchen wir Hologramme, egal ob einfarbig oder in Farbe, individuell in die Gestaltung Grabdenkmäler zu integrieren“, informiert Bernd Wirtz.
Die Zukunft im Bewusstsein der Wurzeln im Blick
Die Zukunft hat er gemeinsam mit Jens Eilert fest im Blick und will darüber doch die eigenen Wurzeln nicht vergessen. Auf längere Sicht plane die Steinbildhauerei Wirtz, die Attraktivität der Halterner Friedhöfe auf verschiedenste Art aufzuwerten. „Auch der Erhalt von alten Grabdenkmälern auf den Friedhöfen liegt uns am Herzen“, ergänzt Bernd Wirtz.
Jeder Mensch hat eine Geschichte zu erzählen und hinter jeder Zahl steckt eine ganze Welt. Das macht den Journalismus für mich so spannend. Mein Alltag im Lokalen ist voller Begegnungen und manchmal Überraschungen. Gibt es etwas Schöneres?
