Die Remigrationsfantasien des neu erstarkten Rechtsextremismus in Deutschland treiben am 27. Januar auch in Haltern Menschen auf die Straße, um für Demokratie und Freiheit einzustehen. Das Datum ist wohl gewählt, denn es ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus und an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz 1945.
Wohin uns ein völkischer Nationalismus, Hass und Ausgrenzung führen, zeigt ein Blick in die eigene Stadtgeschichte. Die jahrelange Verfolgung und Erniedrigung jüdischer Mitbürger im Dritten Reich ab 1933 fand in Haltern am 27. Januar 1942 ihren Höhepunkt. Die in einem Haus an der Münsterstraße 28 ghettoisierten letzten fünf Juden der Stadt wurden über Dortmund nach Riga deportiert.
Es waren das Ehepaar Nathan und Lotte Lebenstein mit ihrem 15-jährigen Sohn Alexander, Hermann Cohn und Jenny Kleeberg. Nur Alexander Lebenstein überlebte den Holocaust. Die mindestens vierfache Anzahl gebürtiger Halterner Juden wurde in der NS-Zeit ermordet. Sie waren in nahe Großstädte oder in die Niederlande verzogen und hatten sich dort in Sicherheit gewähnt, wurden aber ebenfalls deportiert.
Eine Stele auf dem alten jüdischen Friedhof in Haltern trägt die Namen aller 20 bekannten Holocaustopfer aus Haltern. Wenn man in Familienzusammenhängen denke, sei die Zahl noch weit größer, hat Stadtarchivar Gregor Husmann recherchiert.
Der Brückenbauer
Alexander Lebenstein kehrte 1995 auf Initiative von Schülern erstmalig in seine Geburtsstadt zurück. Seine Größe, die Hand zur Versöhnung zu reichen, bleibt unvergessen. „Ihr könnt nichts dafür, was geschehen ist; ich war dabei und konnte es nicht verhindern. Aber wir können gemeinsam alles tun, dass sich solches nie wiederholt“, gab er Halterner Jugendlichen mit auf ihren Weg. Sein Vermächtnis ist aktueller und bedeutender denn je.
Was würde der am 28. Januar 2010 in seiner neuen Heimat USA Verstorbene dazu sagen, dass in Deutschland wieder über Deportationen fabuliert wird, auch wenn man diese Idee in Schönfärberei als Remigration bezeichnet?

Am 27. Januar 2010 ist die Stadt Haltern dem Riga-Komitee beigetreten, um an das Schicksal der verschleppten und ermordeten Juden zu erinnern. Sie wurden zum Großteil in Viehwaggons unter unmenschlichen Bedingungen in die lettische Hauptstadt deportiert, wo sie, wenn sie nicht sofort an Ort und Stelle erschossen wurden, ausgebeutet, gequält und schließlich getötet wurden. Neben dem Gedenken sei es wichtig, den Opfern einen Namen zu geben, hieß es damals in einem Bericht der Halterner Zeitung über das Riga-Komitee.
Zusammen gegen rechts
„Zusammen Halte(r)n gegen rechts“ ist das Motto für die aktuelle Aktion, mit der die Halterner ein Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung am Samstag um 18 Uhr auf dem Marktplatz setzen wollen. Die Stadtgesellschaft ist aufgerufen, zu unterstreichen, was Erinnerungskultur und „Nie wieder“ bedeuten.
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