Es war ein besonderer Auftrag, den das „Büro für außerordentliche Schreibangelegenheiten“ am Donnerstag (6. März) in der Halterner Innenstadt erfüllt hat. Im Rahmen der „Grand Snail Tour“, einer Kunst-Aktion der Kulturinstitution „Urbane Künste Ruhr“, haben die Autoren Caren Jeß und Tim Holland einen Tag lang die Anliegen der Halterner in Textform verwandelt. Von der Einkaufsliste über die Krankmeldung bis hin zum Liebes- oder Abschiedsbrief – den literarischen Wünschen der Auftraggeber waren keine Grenzen gesetzt.
Lediglich unterstützende Hilfsmittel kamen zum Einsatz: Mittels kreativer Fragebögen konnten die Halterner vorab wichtige Informationen zum Wunsch-Text ergänzen. Etwa, ob und welche Tiere oder Pflanzen eine Rolle spielen sollten oder ob der Text an einem bestimmten Ort oder zu einer bestimmten Jahreszeit spielt. Julian Rauter, Kurator der „Grand Snail Tour“ erklärte: „Das ist ein spielerischer Ansatz, um die Menschen dazu anzuregen, mit den Künstlern ins Gespräch zu kommen.“
Begegnung schaffen
Überhaupt sei es Sinn und Zweck der Aktion, einen Raum für Austausch zu schaffen: „Wir wollen eine Durchmischung von Kunstschaffenden und der Zivilgesellschaft anstoßen“, so Rauter. Im Fall der Kunst-Aktion auf dem Marktplatz geschehe das mit einem Angebot, das sogar eine konkrete Funktion erfülle.
Und auch Besucher, die spontan durch die Innenstadt schlenderten, zeigten sich interessiert an der Kunst-Aktion. So auch die Halternerin Ulrike Kottmann: „Erstmal konnte ich mir nichts unter einem ‚Büro für außerordentliche Schreibangelegenheiten‘ vorstellen. Aber es hörte sich direkt sehr spannend an.“ Auch sie wollte im Laufe des Tages noch einen Text in Auftrag geben. Ideen für mögliche Empfänger hatte sie auch schon: „Vielleicht lasse ich Menschen eine Nachricht zukommen, die sonst keine Post bekommen. Das ist doch eine schöne Idee.“
Dieses Angebot wurde gerne genutzt: Schon um die Mittagszeit lagen den Autoren 23 Aufträge vor. Unter anderem von einer Mutter, die einen Mutmach-Text für ihre Tochter wünschte, weil diese die Hoffnung auf ein Arbeitsvisum im Ausland verloren hat; von einer Seniorin, die einen Liebesbrief an den Ehemann erbat, und von einer Clique, die ihrer Freundin nur die besten Wünsche zum Geburtstag zukommen lassen wollten.
„Besonderes Privileg“
Aufträge, deren sachgerechte Erfüllung die beiden Autoren durchaus ernst genommen haben: „Es ist ein Privileg, Texte zu schreiben für Menschen, die uns damit viel Vertrauen schenken. Dem will man natürlich gerecht werden“, sagte Holland. „Wir sitzen hier zwar als Autoren und haben gewisse Tools, um anderen eine Stimme zu geben, aber wir sitzen hier auch als Menschen, die mitfühlen.“ Autorin Caren Jeß hatte am Vormittag etwa ein Abschiedsbrief an den verstorbenen Ehemann einer Auftraggeberin geschrieben. „Das ist natürlich berührend.“
Rund 40 Auftragstexte hatten die beiden Autoren am Donnerstag zu bewältigen. „Das ist mehr als wir erwartet haben“, lautet das positive Fazit von Julian Rauter. „Das war an dem einen Tag gar nicht zu schaffen, deshalb müssen die beiden noch nacharbeiten. Aber alle Textaufträge werden erfüllt.“ Darunter übrigens auch einer der Redaktion der Halterner Zeitung: Wir hatten die beiden Autoren gebeten, einen Text über ihre ersten spontanen Eindrücke in Haltern zu verfassen.

Über das Projekt
Die „Grand Snail Tour“ ist ein Projekt der Kulturinstitution „Urbane Künste Ruhr“. Gemeinsam mit lokalen Akteuren initiiert die „Grand Snail Tour“ auf öffentlichen Plätzen in der Region künstlerische Formate des Austauschs, der Teilhabe und der Koproduktion. Sie führt im Verlauf von drei Jahren durch alle 53 Städte des Ruhrgebiets.