Bei den Erdbeben in Nordsyrien und dem Südosten der Türkei kamen bis Donnerstagmorgen rund 15.300 Menschen ums Leben, Tausende wurden schwer verletzt und obdachlos, unzählige Opfer werden noch immer vermisst.
„Die Auswirkungen des Bebens waren bis ins vier Autostunden entfernte Damaskus noch zu spüren“, erzählt Ahmad Mardini aus Haltern. Der 38-jährige Syrer, der seit 2015 in Deutschland lebt, ist in der Hauptstadt Syriens aufgewachsen, stammt aber ursprünglich aus Mardin, einer Stadt, die bis vor dem Ersten Weltkrieg zu Syrien gehörte, nun aber im Grenzgebiet zur Südosttürkei liegt.
„Die Lage in Syrien ist seit zwölf Jahren katastrophal. Nun kommt zu all dem Elend auch noch eine Naturkatastrophe hinzu. Präsident Assad behindert Rettungsmaßnahmen und Hilfen, das Schicksal seines Volkes ist ihm auch in dieser Situation völlig egal“, sagt der Halterner. „Politisches Kalkül blockiert die Hilfe. Internationale Rettungstrupps haben es hier sehr schwer.“
Während die Schrecken des Krieges für die Menschen schon seit über einem Jahrzehnt zum traurigen Alltag gehören, traf sie das fürchterliche Erdbeben nun zusätzlich. Ohne Vorwarnung, berichtet Ahmed Mardini, hatten viele kaum eine Chance, sich in Sicherheit zu bringen. Anders als in der Türkei stehen den Überlebenden und Obdachlosen in Syrien keinerlei staatliche Hilfen oder öffentliche Unterkünfte zur Verfügung.

Ahmad Mardini berichtet weiter: „Mein Neffe, der mit seiner Familie im Grenzgebiet lebt, erzählte mir, wie sie morgens um 4 Uhr aus ihren Häusern fliehen mussten. Es war nachtschlafende Zeit und so blieb ihnen keine Möglichkeit, sich warm anzuziehen oder irgendetwas mitzunehmen. Ohne Schuhe und zum Teil sogar barfuß mussten sie alle hinaus in die bitterkalte Nacht. In Syrien liegt der Schnee derzeit einen halben Meter hoch, die Temperaturen liegen bei 7 Grad unter Null.
Meinem Neffen und seiner Familie ist glücklicherweise nichts Ernsthaftes passiert, dennoch sind auch sie alle völlig geschockt und schwer traumatisiert. Viele andere hatten weniger Glück. Sie konnten sich zwar aus ihren einstürzenden Häusern retten, viele sind dann allerdings in der Kälte erfroren. Alle Hilfsmaßnahmen sind ein Wettlauf gegen die Zeit.“
„Dachten, das ist die Apokalypse“
Ahmad Mardini macht sich Sorgen um seine Landsleute. Dort hinfahren möchte er allerdings nicht. „Das geht schon aus politischen Gründen nicht. Es wäre viel zu gefährlich für mich. So wie ich, leben viele meiner syrischen Freunde und Bekannten heute im Ausland. Das ist einerseits beruhigend, andererseits verursacht es mir schlaflose Nächte, wenn ich an meine Landsleute denke.“
Im Internet und in den Sozialen Medien kursieren erschütternde Videos und Bilder. „Das Weinen und Schreien der Menschen ist nur schwer zu ertragen“, bestätigt der Halterner. „Immer wieder hört man sie rufen: Das ist die Apokalypse, das ist unser Ende!“
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