Immer wieder tauchen sie rund um die Sixtus-Kirche in Haltern auf: abgeknabberte Taubenbeine. „Wir finden fast täglich einzelne Füße“, sagt Lisa-Marie Krieger. „Sie liegen überall am Marktplatz. Einmal haben wir sogar Munition auf dem Boden neben den Füßen gefunden.“
Lisa-Marie Krieger hat vor einem Jahr den Vogelschutzverein Vogelschutzverein "Hast du 'nen Vogel?" mitgegründet. Sie päppelt verletzte Tauben und Wildvögel in Haltern und Umgebung wieder auf. Dass so viele beringte Taubenbeine rund um den Marktplatz liegen, macht sie wütend.
„Der Wanderfalke, der im Kirchturm lebt, tötet die Tauben“, sagt Lisa-Marie Krieger. „Ich weiß nicht, mit welcher Begründung der Wanderfalke dort heimisch gemacht wurde.“ Sie vermutet, dass die Stadttauben-Population damit reguliert werden soll.

Aber: „Es hilft nicht. Die Stadttauben sind so schlau, die entkommen dem Wanderfalken. Stadttauben sind den Kampf gewohnt“, sagt die Vogelschützerin. „Es sind die Brieftauben, die von dem Greifvogel gefressen werden. Die kennen das nicht. Die sind treudoof.“
Nistkasten seit 2015 am Kirchturm
Im September 2015 wurden der Nistkasten im Kirchturm von St. Sixtus angebracht - aus Initiative von Dr. Markus Holt. „Ich habe damals gesehen, dass sich ein Wanderfalken-Paar für den Turm interessiert hat“, sagt er. Der Bestand der Greifvögel war besonders in den 1970er-Jahren stark gefährdet.
Es wurden seitdem Schutzmaßnahmen eingeleitet - mit Erfolg. Aktuell ist der Wanderfalke nicht mehr gefährdet. In Haltern hat die Population stetig zugenommen. Auch der Nistkasten im Kirchturm wurde sofort angenommen. „Aus Sicht des Vogelschutzes war das der absolut richtige Weg“, sagt Markus Holt.

Für ihn stand der Wanderfalke stets im Vordergrund. Doch die Ansiedlung des Greifvogels hatte einen Nebeneffekt: „Die Kirchengemeinde hatte immer wieder Schwierigkeiten mit verwilderten Tauben“, sagt Markus Holt. Die Tauben haben am Gebäude ihre Nester gebaut. Meistens benutzen die Tiere die Nester nur einmal. Die leeren Nester sind mit der Zeit abgerutscht und in der Dachrinne der Kirche gelandet. Die Dachrinne verstopfte, lief über und hat regelmäßig das Mauerwerk der Kirche beschädigt.
„Das Gemäuer hatte immer wieder Feuchteschäden, die saniert werden mussten“, sagt Markus Holt. „Da reden wir nicht von Taschengeldbeträgen, das ist richtig teuer.“ Zu den Feuchteschäden kommt der Taubenkot noch hinzu. „Die Idee, die seltenen Wanderfalken zu schützen und die Zahl der verwilderten Tauben zu dezimieren, hat funktioniert.“
„Das ist die Natur“
Dass der Greifvogel aber nicht nur die verwilderten Tauben, sondern auch andere Vögel wie Brieftauben oder Dohlen frisst, ist ein offenes Geheimnis. „Das ist die Natur“, sagt Manfred Stockhofe vom Brieftaubenverein Aliso. „Da kann man nichts dran machen. Da müssen wir mit leben.“
Die Züchter wissen, worauf sie sich einlassen. „Meistens holen die noch die besten weg“, sagt Manfred Stockhofe. „Da sind wir ganz traurig.“ Trotzdem findet er es nicht verkehrt, dass Wanderfalken im Kirchturm nisten. „Wenn die sich die Stadttauben holen, ist es zwar auch nicht schön, aber die sind oft übervölkert. Und das mit dem Kot ist auch unangenehm.“
Kein Taubenproblem laut Stadt
Doch hat Haltern überhaupt ein Taubenproblem? „Aus Sicht der Stadt Haltern am See gibt es kein Taubenproblem“, sagt Stadtsprecherin Sophie Hoffmeier auf Anfrage. „Dass sich Falken auf dem Kirchturm der Sixtus-Kirche angesiedelt haben, trägt sicherlich dazu bei, dass die Situation im Rahmen bleibt.“
Maßnahmen zum Schutz der verwilderten Tauben sind vonseiten der Stadt deswegen nicht geplant. Lediglich ein Wildtierfütterungsverbot, worunter auch die Tauben fallen, herrscht auf dem Stadtgebiet.

Für Lisa-Marie Krieger ist diese Lösung unbefriedigend. „Das kann es nicht sein“, sagt sie. Ihr Wunsch: Der Wanderfalke sollte sich nicht weiter in Haltern ausbreiten. Sonst nimmt die Zahl der abgeknabberten Taubenbeine weiter zu.
Immer wieder erleben sie und andere Mitglieder aus ihrem Verein, dass Tauben in der Stadt nicht wertgeschätzt werden. „Einmal wollte ein Mitglied ein verletztes Ringeltaubenkücken retten. Da hat nur jemand gesagt ‚Warum nehmen Sie das mit? Das ist doch nur 'ne Taube.‘“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 13. September 2023.
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