Über 200 Stunden Recherche Halterner entdeckt das Erbe seines Urgroßonkels in Brasilien

Halterner entdeckt das Erbe seines Urgroßonkels in Brasilien
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Über 200 Stunden hat Gerd Rohlf aus Lavesum in den vergangenen drei Monaten recherchiert. In einem dicken Ordner hat er alle Informationen gesammelt, die er zu seinem Urgroßonkel finden konnte: Berichte von Kirchengemeinden, Fotos von Zeitzeugen und Informationen von Privatpersonen. Rund 100 Seiten kamen so über Wilhelm Anton Rohlf zusammen – einem gebürtigen Halterner, der als Bruder Placidus viele Jahre in Brasilien gelebt hat und dort noch heute für sein Wirken gefeiert wird.

Dass Rohlf sich so intensiv mit dem Lebenswerk seines Urgroßonkels beschäftigt hat, sei einer spontanen Eingebung im vergangenen Herbsturlaub geschuldet gewesen: Als er durch den Petersdom in Rom spazierte, fragte Rohlf sich, ob es wohl noch die Grabstelle seines Urgroßonkels in Brasilien gibt, die seine Eltern im Jahr 1987 besucht hatten.

Wieder zuhause angekommen macht der Halterner sich direkt an die Recherche – und findet heraus, dass auch 58 Jahre nach dem Tod seines Urgroßonkels in dessen Wirkungsstätte Xaxim jährlich eine Prozession zu dessen Ehren stattfindet. „Da wird man natürlich neugierig“, erklärt Rohlf. „Was hat dieser Mann gemacht, dass er so viele Jahre später noch verehrt wird?“

Prozession, die jährlich am Todestag zu Ehren von Bruder Placidus in Xaxim stattfindet.
Gerd Rohlf hat bei seiner Recherche auch Bilder der Prozession gefunden, die jährlich am Todestag zu Ehren von Bruder Placidus in Xaxim stattfindet. © privat

Kontaktsuche über Grenzen hinweg

In den nächsten Tagen verbringt der Halterner jede freie Minute damit, über seinen Urgroßonkel zu recherchieren: Er stellt Kontakt zu den Franziskanern in Dorsten und São Paulo her, schreibt mithilfe eines Übersetzers zahlreiche Mails nach Brasilien und sucht Personen und Organisationen über die sozialen Medien – bis er am Ende einen mehrseitigen, detaillierten Lebenslauf über Bruder Placidus zusammenstellen kann. „Ich weiß jetzt auf den Tag genau, wo er gewesen ist“, erklärt Rohlf.

Seine gesammelten Informationen hält er in einem Ordner fest, möchte die Akte zukünftig dem Archiv der Deutschen Franziskanerordensprovinz in Paderborn zur Verfügung stellen. „Sie hat ihr Interesse bereits bekundet“, erzählt Rohlf. Der 50-Jährige ist überzeugt, dass das Wirken seines Urgroßonkels ohne Zweifel mit dem anderer Halterner Größen mithalten kann: „Ich würde ihn durchaus mit Joseph Hennewig auf eine Stufe stellen“, sagt er. Der Lebenslauf sei ähnlich.

„Priester der Maultiere“

Placidus Rohlf kommt 1887 in Lavesum als Wilhelm Anton Rohlf zur Welt. Nach einer Lehre als Tischler und als Bruder bei den Franziskanern in Dorsten geht er im Jahr 1913 nach Blumenau in Brasilien, um dort Philosophie und Theologie zu studieren. Fünf Jahre später wird er zum Priester geweiht, kurz darauf übernimmt er seine erste eigene Gemeinde. „Sie hatte eine Größe von Belgien und Holland zusammen, von Norden nach Süden waren es 1600 Kilometer“, weiß Rohlf. Mehrfach sei Placidus diese Distanz mit dem Maultier geritten, mehrere Tage war er dann unterwegs. „Deshalb wurde er auch ‚Priester der Maultiere‘ genannt.“

Bruder Placidus mit seinem Bruder in Haltern
Bruder Placidus ist im Jahr 1966, kurz vor seinem Tod, auf Heimatbesuch in Haltern. Dort trifft er auch seinen Bruder (rechts). © privat

Der Neffe recherchiert, dass sein Urgroßonkel bis zu seinem Tod im Jahr 1966 über 340 Orte in Brasilien besucht hat, um die 3000 Beichten abgenommen und ebenso viele Kommunionen verteilt hat: „Er war sehr beliebt bei seiner Gemeinde und hat viele gute Taten vollbracht“, ist Rohlf überzeugt. Auch sei Bruder Placidus verantwortlich für den Bau zahlreicher Kapellen und zweier Kirchen gewesen, die noch heute in Brasilien stehen.

Ehrenbürger der Stadt Xaxim

Nicht zuletzt deshalb sei in Xaxim eine Straße, ein Friedhof und eine ganze Gemeinde nach ihm benannt worden. Ebenfalls sei ihm als Ehrenbürger der Stadt nach seinem Tod ein Museum errichtet worden, das jetzt das Pfarrhaus der Gemeinde bildet. „Dort, wo er beigesetzt wurde, steht heute eine Kapelle“, berichtet Rohlf.

Eines Tages, kann sich der Halterner vorstellen, will er die Gedenkstätte seines Urgroßonkels ebenfalls besuchen. Bis dahin hat er sich aber noch einiges vorgenommen: „Es gibt noch einige leere Stellen im Lebenslauf von Placidus, die ich noch füllen möchte“, sagt er. Schließlich sei die Recherche für Rohlf zu einem bedeutenden Hobby geworden: „Es ist wie eine Sucht, noch kann nicht damit aufhören.“

Kapelle in Xaxim
Dort, wo Bruder Placidus beerdigt liegt, wurde eine Kapelle errichtet. © privat

Hinweis der Redaktion: Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 15. Juni 2025.