Mit der Mehrheit seiner CDU-Parteifreunde war Josef Hovenjürgen in Sachen Windkraft nicht immer einer Meinung. Er fand weder die pauschale 1.500- noch die 1.000-Meter-Abstandsregelung wirklich gut, sagt er. Jetzt ist sie abgeschafft.
Was das für seine Heimatstadt Haltern bedeutet und ob er nun mit einem Bauboom und neuem Aufruhr in der Bevölkerung rechnet, erklärt der Landtagsabgeordnete (60) im Interview.
„Wer die Windräder vor der Haustür hat, soll auch daran partizipieren können“, sagt der Lavesumer, der Mitgesellschafter der Windenergie Haltern GmbH & Co.KG ist. Noch in diesem Jahr soll ein Gesetz verabschiedet werden, damit Städte und Bürger bei neuen Anlagen grundsätzlich finanziell profitieren können.
Sie haben mit Ihrer Fraktion für die Abschaffung der bisherigen Abstandsregel für die Aufstellung von Windkraftanlagen in NRW gestimmt. Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung.
Die Energiewende kann nur funktionieren, wenn wir größeren Zubau von regenerativer Energie haben. Die Windkraft ist hier die wichtigste Säule. Insofern ist die Entscheidung zwangsläufig und dem gemeinsam gefassten Koalitionsvertrag entsprechend. Schon 2017, in den Koalitionsverhandlungen mit der FDP, habe ich für die Orientierung an der sogenannten 3H-Regelung plädiert, die die notwendigen Ausbauziele und den Schutz der Menschen gleichsam berücksichtigt. Leider konnte ich mich damals nicht damit durchsetzen.
Dem jetzt erzielten Kompromiss konnte ich problemlos zustimmen. Wichtig ist, dass wir als schwarz-grüne Regierungskoalition die Bürgerbeteiligung an weiteren Windvorhaben gesetzlich festschreiben, um Bürgern oder Städten die Möglichkeit der Beteiligung einzuräumen. Dies halte ich im Zuge der Akzeptanzgewinnung für ausdrücklich richtig. Wer die Windräder vor der Haustür hat, soll auch daran partizipieren können.
Erwarten Sie, dass die neue Abstandsregel auch Auswirkungen auf den Windkraftausbau in Haltern haben wird?
Eine Auswirkung auf den Windkraftausbau in Haltern sehe ich derzeit nicht, da die bisher errichteten Anlagen schon nicht der „1500 bzw. 1000-Meter Regel“, sondern eher der 3H-Regelung entsprechen und damit näher an Wohnbebauungen stehen. Ich glaube, dass es bei zukünftigen Planungen dazu keine großen Unterschiede geben wird, Anlagen also nicht näher an die Wohnbebauung rücken.

Vor einigen Jahren haben Sie öffentlich eine Abstandsregel von 1.500 Meter verteidigt. Woher kommt Ihr Sinneswandel? Oder waren Sie damals anderer Meinung als ihre Partei?
Im Zuge der Koalitionsverhandlungen 2017 zwischen CDU und FDP habe ich in der Verhandlungskommission für die 3H-Regel plädiert, weil diese auch durch Gerichtsurteile des OVGs als rechtssicher gelten konnte. 3H bedeutet, dass der Abstand zur Wohnbebauung dem dreifachen Gesamthöhenabstand der Anlage entspricht. Dieser Vorschlag fand keine Mehrheit. Beschlossen wurde die 1500-Meter-Abstandsregel. Als Generalsekretär der Partei habe ich diese Abstandsregel als Mehrheitsmeinung in der Koalition vertreten.
Als vor einigen Jahren das erste Windrad in Lavesum gebaut wurde, war die Aufregung in Teilen der Bevölkerung groß. Wie blicken Sie heute auf diese Zeit zurück? Und gäbe es einen solchen Disput nach Ihrer Einschätzung heute noch genauso?
Den Bau des Windrads um die Jahrtausendwende in Lavesum habe ich anders in Erinnerung. Beim Bau dieses ersten Windrades gab es so gut wie keine Reaktionen, da es noch gar keine Erfahrung mit den Windrädern gab. Es gab zu dieser Zeit auch noch keine Abstandsregeln zu Wohnbebauungen. Der Bau der aktuellen Anlagen in Sythen und Lavesum vor etwa 8 Jahren dagegen hat viel mehr Aufregung und Widerstand hervorgebracht. Auch in Ihrer Zeitung wurde in den Jahren 2013 bis 2016 regelmäßig darüber berichtet.
Ich glaube aber, dass heute die Prozesse deutlich sachlicher ablaufen würden und es zu einer derart aufgeregten Situation nicht mehr kommen würde. Die Akzeptanz von Windkraft ist heute höher, die rechtlichen Rahmenbedingungen für alle Beteiligten klarer und die meisten Menschen haben sich an das Vorhandensein dieser Anlagen gewöhnt.
Halten Sie die Investition in weitere Windkraftanlagen in unserer Region nach dem jüngsten Beschluss des Landtages nicht nur aus Gründen des Umweltschutzes, sondern auch wirtschaftlich für attraktiv?
Die Frage kann ich mit „Ja“ beantworten. Gesamtgesellschaftlich ist die Investition in regenerative Energien aus Gründen des Klimaschutzes wichtig. Das gilt sowohl für Photovoltaik- als auch für Windkraftanlagen. Für jeden einzelnen kann die Investition auch wirtschaftlich interessant sein. Das kann die PV-Anlage auf dem eigenen Dach sein oder wie es in Haltern am See möglich ist, durch eine Beteiligung an der Energiegenossenschaft.
Ich selbst habe auch in erneuerbare Energien investiert. Für Investitionen in die Windkraft wird die CDU-Fraktion im Landtag zusammen mit der Grünen-Landtagsfraktion im nächsten Plenum ein Gesetz für eine verpflichtende Bürgerbeteiligung einbringen und im Laufe des Jahres beschließen. Wir möchten von Windkraft betroffenen Bürgern und Kommunen die Möglichkeit der finanziellen Beteiligung einräumen. Auch das stärkt letztlich die Akzeptanz von Windkraft.
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