Die Lage ist sicher für viele interessant und verlockend: Das einzige Haus, das im Mai im Dortmunder Westen zur Zwangsversteigerung steht, punktet hier doppelt: Es liegt in einer Straße, die zwar keine ausgewiesene Anliegerstraße ist, allerdings ist zu erwarten, dass größtenteils Anwohner sie nutzen.
So steht es im für Zwangsversteigerungen obligatorischen Wertermittlungsgutachten und so zeigt es sich bei einem Besuch vor Ort. Im Brunshollweg ist es ruhig, sehr ruhig. Nur nahegelegene Bauarbeiten haben in den letzten Jahren zwischenzeitlich mal für Ärger und Unruhe gesorgt.
Das Ende des Brunshollwegs mündet in einen Fußweg, allein eine weitere Straße führt noch ab. Gleichzeitig aber ist man in nur gut zehn Minuten zu Fuß im Huckarder Ortskern, wo sich Bäcker, eine Drogerie, Apotheken, Banken, Supermärkte, Discounter und viele Geschäfte mehr befinden.
Beschaulich, aber dennoch ziemlich zentral – so würden potenzielle neue Besitzer des Hauses wohnen, das nun vor dem Dortmunder Amtsgericht unter den Hammer kommt. Wie viele andere Häuser in der Siedlung ist auch das voll unterkellerte Haus mit der Nummer 9 einige Jahrzehnte alt: Gebaut und erweitert wurde es in den 1950er Jahren.
Es gibt zwei separate Wohnungen, daher läuft er offiziell als eingeschossiges Zweifamilienhaus, Mieteinnahmen sind prinzipiell denkbar. Die Wohnung im Erdgeschoss hat ein Schlaf-, ein Kinder-, ein Wohn- und ein Esszimmer sowie eine Küche und ein Bad und auch einen Wintergarten. Der Wohnung im ersten Geschoss fehlen Kinder- und Esszimmer, statt des Wintergartens hat sie eine Dachterrasse.
Einige „gefangene“ Räume
Was von der Raumaufteilung grundsätzlich gut klingt, ist für heutige Verhältnisse allerdings mehr als beengt: Die reine Wohnfläche kommt auf nur rund 121 Quadratmeter, 67 Quadratmeter misst die Wohnung im Erdgeschoss, die im Dachgeschoss noch mal 13 Quadratmeter weniger.
Das bedeutet: Die Zimmer in beiden Wohnungen sind klein bis geradezu winzig. So hat das Bad im Erdgeschoss gute drei Quadratmeter, die Küche 7,5 und das Esszimmer 8. Das Bad in der zweiten Wohnung kommt nicht mal auf drei Quadratmeter. Außerdem gibt es im Haus einige „gefangene“ Räume, das sind Zimmer, die nur durch andere Zimmer zu betreten sind.
Das alles liegt sicher weit entfernt von heutigen Wohn-Standards, gerade im Eigenheim, aber auch bei Mietwohnungen. Wer an den Zuschnitten der Wohnungen grundlegend etwas ändern möchte, muss bereit und in der Lage sein, einiges zu investieren.
Zumal ganz unabhängig von zeitgemäßen Zimmergrößen weitere Kosten auf die neuen Eigentümer zukommen: Im Haus hat es laut Gutachten in den vergangenen 70 Jahren nur „punktuelle“ Modernisierungsarbeiten gegeben. So soll das Dach besser gedämmt worden sein, ein Bad saniert und auch die Fenster und Türen teils erneuert sein – doch liegen die Arbeiten wohl mitunter bis zu 25 Jahre zurück.

Auch für eine neue Heizung müssten die neuen Eigentümer Geld haben: Die jetzige soll nicht mehr betriebsfähig und daher teilweise demontiert sein. Die Warmwasserversorgung ist ebenfalls „augenscheinlich nur eingeschränkt funktionsfähig“, heißt es im Gutachten in der stichpunktartigen Auflistung aller Baumängel.
Diese fällt insgesamt recht lang aus und führt beispielsweise noch einen Brandschaden im Schlafzimmer auf, bemängelt nicht mehr zeitgemäße Elektroinstallationen sowie generell starke Verschmutzungen. „Grob- und Feinreinigungen“ seien erforderlich. Den Eindruck vermitteln auch die dem Gutachten beigefügten Fotos aus dem Haus, das in Teilen leer stehen, sich aber auch noch in Eigennutzung befinden soll.
Garten ist zugewuchert
Das Gutachten kommt zu dem Schluss: Das Wohnhaus befinde sich in einem „im Wesentlichen dem Baujahr entsprechenden Zustand“. Die Ausstattung entspreche nur noch „bedingt dem Zeitgeschmack“, erhebliche Renovierungen und Instandsetzungen seien einzukalkulieren, darunter eine „umfangreiche energetische Sanierung“.
Sehr in die Jahre gekommen sein soll auch das Nebengebäude, das als Garage genutzt werden kann, früher aber wohl mal ein Stall mit Heuboden war; im recht großen, aber ziemlich zugewucherten Garten befindet sich außerdem ein niedriger Verschlag, der ebenfalls verwittert ist.

Wie oft bei Gebäuden, die zur Zwangsversteigerung stehen, warten auf die neuen Eigentümer also noch viel Arbeit und einiges an Investitionen. Der Verkehrswert des Hauses liegt bei 290.000 Euro, im günstigsten Fall ist die Immobilie am Dienstag, 13. Mai, 10.30 Uhr am Dortmunder Amtsgericht damit für 145.000 Euro zu haben.
Wer sich das Facelifting eines 71 Jahre alten Hauses zutraut, für den kann sich ein Spaziergang durch die Nachbarschaft lohnen: Direkt gegenüber endet das große Wohnquartier Bergmannsgrün – seit Jahren baut der Immobilienkonzern Vivawest seinen Bestand in gleich vier Straßen in moderne, wie attraktive und energieeffiziente Wohnungen um. Häuser, die ähnlich alt sind wie das im Brunshollweg, sind gedämmt und frisch gestrichen, neue Fenster eingesetzt, Gasheizungen gegen Wärmepumpen ausgetauscht, die Bäder saniert und Photovoltaik ist installiert worden.
Das mehr als 100 Millionen Euro schwere Vorhaben ist ein Mammutprojekt, aber als Inspiration vielleicht nicht schlecht. Man muss ja nicht bis zum Äußersten gehen: Einen Teil der Häuser hat Vivawest abreißen lassen, sie werden noch neu gebaut.