Zirkus Flic Flac feiert Premiere in Dortmund Hervorragende Artisten, aber Stammgäste staunen nicht mehr

Zirkus Flic Flac feiert Premiere mit Motorrädern und Auto
Lesezeit

Der Grat zwischen guter Tradition und langweiliger Wiederholung ist schmal – der Zirkus Flic Flac hat bei seiner zwölften X-Mas-Show in Dortmund auf ihm balanciert wie ein Drahtseilkünstler. Was vor allem deshalb erstaunlich ist, weil für die Show im Vorhinein eine „Weltneuheit“ angekündigt worden war.

Eine Bezeichnung, die erst mal, so spektakulär sie auch klingt, nicht viel heißen muss: Auch das Jonglieren mit drei Flaschen Dortmunder Export-Biers wäre für sich genommen vielleicht eine Weltneuheit – und trotzdem noch lange nicht wirklich beeindruckend. Flic Flacs „Weltneuheit“ nun bezog sich auf ein anderes, deutlich größeres, vom Prinzip her aber ähnliches Detail: ein Auto.

Wie neu ist die "Weltneuheit"?

Über dieses Auto sprangen die Artisten in Flugrollen, Grätschen oder Saltos. Für Zuschauer, denen Samuel Kochs verunglückter Sprung über einen fahrenden Wagen bei „Wetten dass..“ noch schmerzlich in Erinnerung ist, scheint der Begriff Weltneuheit dabei doch etwas übertrieben.

Er begründet sich wohl in der Kombination der Dinge: dem Auto, einem Zirkuszelt – dieses Jahr übrigens neu, und, das muss man sagen, wirklich sehr komfortabel – und einer „Airtrack“. Das ist eine Art übergroße Luftmatratze mit ähnlichen Federeigenschaften wie einem kleinen Trampolin, was zur Folge hat: Von dort über beeindruckende Hindernisse zu springen, hat man durchaus schon häufiger gesehen.

Flic Flacs Weltneuheit: ein Auto in der Manege
Flic Flacs Weltneuheit: ein Auto in der Manege © Joscha F. Westerkamp

Der Effekt dieser Nummer wurde auch dadurch geschmälert, dass es vorher schon eine andere Nummer gab, die ebenfalls voller Saltos und Motoren war: Beim Duo „Christoph und Partner“ traten gleichzeitig ein Motorradfahrer und ein Freerunner auf. Anders als das Auto fuhr das Motorrad wirklich, und es machte teilweise sogar gleichzeitig mit dem Akrobaten Salti.

Viele Nummern sind zu lang

Ansonsten gab es eine ganze Reihe Nummern, die alle ihre Highlights, aber auch ihre Längen hatten. Das Tanz-Quartett „Tumar KR“ etwa begann mit einer sehr beeindrucken Isolationsdarbietung. Sie ließen einen Koffer wirklich so aussehen, als klebe er in der Luft, und tanzten um ihm herum. Doch statt dabei viel auf Synchronität zu setzen, traten sie alle nacheinander auf.

Akrobat Li Zhenyu baute immer mehr Stäbe übereinander, auf denen er in äußerst wackliger Höhe im Handstand balancierte. Auch das war für sich genommen sehr beeindruckend – beim dritten, vierten, fünften Stab doch sehr erwartbar.

Handstandakrobat Lin Zenyu
Handstandakrobat Lin Zenyu © Joscha F. Westerkamp

Ebenso war es bei einer Nummer recht zu Beginn, in der ein Mann eine beachtliche lange Stange auf seinen Kopf hievte, auf der dann ein weiterer Artist einen Handstand machte. Als die Stange aber immer wieder hochgehoben wurde, ging der Effekt schnell verloren. Und so ging es bei noch einigen anderen Auftritten.

Als in der Illusionsnummer ein Artist angekettet in einem schwarzen Umhang verschwand und wenige Sekunden später sich eine andere Artistin darunter befand, ging nicht mal ein beachtliches Raunen durch die Reihen, so vorhersehbar war das.

Joscha F. Westerkamp ist seit vielen Jahren als Jongleur in der Zirkusszene aktiv. Er ist Autor zweier Jonglierbücher, hat mehrere Weltrekorde im Jonglieren gebrochen und ist zertifizierter Zirkus-Übungsleiter. Er gibt regelmäßig Workshops und Kurse und beobachtet seit vielen Jahren die neuesten Zirkus-Trends auf der Welt.

Viele andere Nummern – Trapez, Jonglage, Vertikaltuch oder auch Cyr (ein großer Reifen, in dem man stehen kann) – waren alle nicht schlecht, aber auch nicht merkbar besser oder wenigstens deutlich anders als dutzende andere Shows ihrer Disziplin.

Und selbst der Clown, der sonst immer eine sehr prägende Rolle bei Flic Flac spielt, konnte dieses Jahr nicht wirklich überzeugen. Das lag schon daran, dass man sich anscheinend nicht so recht entscheiden konnte, wer hier überhaupt der leitende Clown ist. Da gab es einmal einen Typen mit wuscheligen Haaren, der sich später als Pole-Artist herausstellte. Außerdem eine unzuordbare Stimme von Band, die immer mal wieder in Umbaupausen Kommentare von sich gab. Und dann gab es Chantall.

Chantall kam nach eigener Aussage aus Berlin, sie klang auch so, und Chantall machte Comedy, die zu großen Teilen auf ihren Brüsten und ihrem Po basierte. Über ihren Humor lässt sich streiten, es haben durchaus viele gelacht. In Zeiten, in denen Belästigungsvorwürfe aber auch über Vergewaltigungen hinausgehen dürfen (zum Glück), sind Gags, bei denen ein Zuschauer auf die Bühne gebracht, ihm ein Klaps auf den Po gegeben sowie Chantalls Brüste vor einem Motorradhelm in sein Gesicht gedrückt werden, ist das doch fragwürdig.

Chico hat auch zugeguckt

Was aber allemal ein Hingucker für die Dortmunder war: Für eine andere Zuschaueraktivität bezog Chantall auch Lotto-Millionär Chico ein, der mit seiner Freundin Candice bei der Premiere im Publikum saß. Er sollte ein paar Worte in ein Mikrofon sagen.

Zirkus-Darstellerin Chantall (stehend) mit Lotto-Millionär Chico
Zirkus-Darstellerin Chantall (stehend) mit Lotto-Millionär Chico © Joscha F. Westerkamp

Ganz zum Ende der Show gab es dann erneut Motorräder, diesmal zehn gleichzeitig, und sie fuhren alle durch einen riesigen metallenen Ball, die „Todeskugel“. Wer diesen Flic-Flac-Klassiker nicht kennt, ist sicher beeindruckt. Wer ihn aber – wie vermutlich viele der Flic-Flac-Fans – schon zahlreiche Male gesehen hat, kennt ihn eben schon. Und sichtbar neu war dann nichts.

Der darauffolgende Abschluss war, zumindest soweit es in Erinnerung geblieben ist, sogar identisch zum letzten Jahr. Wieder trugen alle Artisten Leuchtstäbe rein, die zu einem riesigen Peace-Zeichen auf den Boden gelegt wurden. Dann gab es einen Einspieler, der darauf hinwies, dass diese Show ohne die „sogenannten Ausländer“ nach fünf Minuten vorbei sei. Solche Hinweise sind bei Flic Flac schöne Tradition. Doch Tradition entbindet nicht von Kreativität.

Ist die Show den Besuch wert?

Also, lohnt sich diese Show? Für jemanden, der Flic Flac noch nicht gut kennt, sicherlich. Die Artisten sind alle hervorragend in ihrem Fach, ohne Frage. Die Technik im Zelt ist hochmodern, die Laune gut, die Musik flashig. Es gab sogar einen Schlagzeuger, der vieles live begleitete.

Die Kritik in den oberen Zeilen ist hoch, sie basiert auf dem Vergleich mit den besten Zirkusauftritten auf der Welt. Aber das muss sie auch, denn das ist das Niveau, das sich Flic Flac selbst auferlegt und die vergangenen Jahre über geprägt hat.

  • Die Weihnachtsshow von Zirkus Flic Flac wird aufgeführt bis zum 7. Januar.
  • Das schwarz-gelbe Zelt steht auf dem Parkplatz E2 der Westfalenhallen.
  • Tickets kosten zwischen 29 und 69 Euro.
  • Weitere Informationen und Vorverkauf unter flicflac-dortmund.de.

Spektakuläre Fotos vom Zirkus Flic Flac in Dortmund: Premiere mit Motorrädern und Sportwagen

Erste Fotos von Zirkus Flic Flac in Dortmund: Artisten proben lebensgefährliche Stunts

Flic Flac kommt mit neuem Zelt und Weltpremiere nach Dortmund: Show über die Weihnachtstage