Zicken-Streitereien auf dem Hochhausdach Komödie „Schwindel“ feierte Premiere in Dortmund

Zicken-Streitereien auf dem Hochhausdach
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Ohrenbetäubend laut dröhnt Lady Gagas „Bad Romance“ aus den Lautsprechern und die vier, in schwarze Lack-Kostüme gekleideten Schauspielerinnen rekeln sich choreografisch dazu. So startet die Romanadaption von Hangameh Yaghoobifarahs „Schwindel“ im Studio des Schauspielhauses am Freitagabend (8.11.).

Als abgedreht-grelles Spektakel hat Shari Asha Crosson, die auch die Bühnenfassung und das Sounddesign besorgt hat, die queere Beziehungskomödie inszeniert. Gespielt wird in der poppig-bunten Ausstattung von Lorena Díaz Stephens, deren Bühne von einer pinkfarbenen, drehbaren Treppe dominiert wird.

Szene aus "Schwindel"
Sexy in Lack: Mit einer Choreografie zu Lady Gagas „Bad Romance“ startet „Schwindel“. © Birgit Hupfeld

Ava hat ein Date mit Robin, nur leider klingelt es kurz vorm Orgasmus ­­– und zwei weitere Lover von ihr stehen vor der Tür. Delia will nur ihr im Schlafzimmer vergessenes Handy abholen, und Silvia will wissen, warum Ava sie meidet. Ava ist von der Situation überfordert und flieht auf das Hochhausdach. Die anderen folgen ihr – und dann sitzen sie dort fest, denn niemand hat einen Schlüssel mitgenommen oder ein Handy dabei.

Während sie versuchen, einen Ausweg zu finden, lernt das Publikum die vier Lesben und Queers kennen, erfahren von ihrer Suche nach Liebe und Zugehörigkeit. In Rückblicken erzählen sie von ihren Coming-outs und ersten queeren Erfahrungen ­– unterstützt von einer Stimme aus dem Lautsprecher.

Ist Selbstmord egoistisch?

Doch bevor sie sich in unterschiedlichen Formationen verbünden und sich hysterische Zicken-Streitereien liefern, wird geklärt, ob sich Ava vielleicht vom Dach gestürzt hat. Das vermutet die heulende Delia, die Rabea Lüthi als Gast im Dortmunder Ensemble als nervös-verunsicherndes Pummelchen spielt und sich selbst als Kampflesbe und kleine Schwuchtel bezeichnet.

Antje Prust als MILF Silvia im lila Morgenmantel und mit Getränkedosen anstatt Lockenwicklern im Haar und Fabienne-Deniz Hamemer als „Elfe“ Robin in rosafarbenem Hosenanzug und Vokuhila-Frisur glauben das allerdings nicht. Diskutieren hingegen, ob Selbstmord egoistisch und verantwortungslos ist oder eben nicht.

Begehren und Indentitätsfragen

Dann taucht Ava wieder auf, die von Akasha Daley in Trainingsklamotten gegeben wird, ab und an in die englische Sprache wechselt und ihren Unglauben über die Wortgefechte ihrer Lover mit großen Kulleraugen ausdrückt. Am Ende befürchtet sie sogar, dass die drei sie vom Dach stürzen könnten.

Aber bis dahin geht es um queeres Begehren und Identitätsfragen (Ist man noch eine Lesbe, wenn man mit einem trans Mann zusammen ist?) – und ganz schlicht um Hunger. Delia hat vier Sandwichs dabei, aber teilen fällt ihr schwer. Nachdem auch das ausdiskutiert ist, jeder ein Brot hat, wird es auf der Treppe in grotesk-albernen Weise verzehrt.

Weitere Aufführungen

Das humorvoll inszenierte queere Beziehungschaos und das engagierte Spiel des Quartetts feierte das Premieren-Publikum mit Ovationen im Stehen. Weitere Aufführungen von „Schwindel“ sind am 21. November und 1./14./21. Dezember im Studio am Hiltropwall zu sehen. Karten gibt es unter Tel. 502 72 22 und auf der Homepage des Theaters Dortmund: www.theaterdo.de

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