Er ahnt, was auf ihn zukommt: Natürlich werde er dann emotional werden, sagt Wolfang Schnoor (67). Aber was wäre der Mensch ohne Emotionen? Ob beim Lieblingslied der Rockband oder bei „You’ll never walk alone“ im Stadion.
Der Abschied vom „Getränke-Drive-In“ an der Hagener Straße in Kirchhörde sei eben auch emotional. Er ist ein Geschäft, das schon äußerlich ganz anders ist als gewöhnliche Geschäfte. Die Genehmigung für die historische Tanke stammt aus den 1930er-Jahren – samt amtlichem Stempel mit Hakenkreuz.
Dass es auch beim Einkauf anders ist als anderswo, daran hat Wolfgang Schnoor maßgeblichen Anteil: Hier kann man nicht nur Getränke kaufen, hier kann man auch quatschen, wenn man möchte, oder sich Rat holen – in welcher Angelegenheit auch immer. Es ist ein „Drive-In“ nicht nur zu den Getränkekisten, sondern auch zu menschlicher Zuwendung.
Kunden im Getränke-Drive-In sind Freunde
„Es war immer so in den 38 Jahren, dass wir hier die Menschen mehr als Freunde empfunden haben als als Kunden“, sagt Wolfgang Schnoor. Es ging natürlich auch immer um den Getränkenachschub, aber eben auch um Essen und Trinken, um Krankheiten, eben um „Gott und die Welt“. Der heute 67-Jährige sagt über sich selbst, er rede gerne. Etwas, das die Menschen wohl zu schätzen wissen. „Die meisten Kunden duze ich, und die mich.“
Wolfgang Schnoor sagt: „Wenn Du heute irgendwo einkaufen gehst, dann ist doch alles anonym.“ Bei ihm sei das anders – wenn man möchte. „Wir haben auch schon mal den seelischen Mülleimer gemacht.“ Und das störe ihn nicht. Auch nicht, wenn es weniger um Getränke gehe, sondern vielmehr um Reifen, die gewechselt werden müssen, oder um die Motorhaube, die geölt werden muss. Alles kein Problem.
Angefangen hat für Wolfang Schnoor in Kirchhörde alles schräg gegenüber, in seinem Kiosk. 1989 war das. 38 Jahre und ganz genau sechs Monate ist es her, damals war Schnoor 29 Jahre alt. Der Kiosk lief. „Wir waren Zeitungsladen Nummer eins“, erinnert er sich. 250 Titel hatte er, sagt er – und zu Spitzenzeiten mehr als 500 Kundinnen und Kunden am Tag.
Überhaupt: Es sei gut gelaufen für Läden wie seinen. Sieben, acht Kioske habe es im Umkreis gegeben. „Wir konnten alle leben.“ Doch dann kamen die Bäcker und Discounter, „und wir waren im Arsch“, sagt Schnoor.
Als die historische Tankstelle schließlich Anfang der 2000er-Jahre frei wurde, griff er zu. Drei Jahre lang führte er das Geschäft und den Kiosk parallel. Dann packte er vieles aus seinem Kiosk ein und zog endgültig auf die andere Straßenseite: Mitgenommen hat er die Zeitungen und Zeitschriften, auch die „gemischte Tüte“ fand im „Drive-In“ ein neues Zuhause. Und die Kinder, die früher im Kiosk die Tüte kauften, holen sich heute ein Bier zum Feierabend bei ihm.
Langjähriger Mitarbeiter
Die Kunden wissen, was sie an ihm, seiner Frau Karin und seinem langjährigen Mitarbeiter Sascha Groß haben. Kurz vorfahren, dann wird „wie immer“ ins Auto geladen. Service eben.
Sascha Groß ist schon 17 Jahre dabei. Und er wird bleiben, denn schließen wird der Getränke-Drive-In nicht: Wolfgang Schnoor hat in Paolo Rodriguez seinen Nachfolger gefunden: „Wir haben den gleichen Großhändler und uns dort getroffen. Als ich ihm erzählt habe, dass ich aufhöre, war er schon schwer interessiert“, berichtet Wolfgang Schnoor.

So wisse er sein Lebenswerk in guten Händen – auch, weil Sascha Groß bleibt. Und Wolfgang Schnoor weiß auch, was er mit seiner neu gewonnenen Freizeit als Erstes tun wird: den Jakobsweg mit seiner Frau gehen. Die Planungen stehen bereits.
Im „Drive-In“ soll sich indes nichts ändern. „Unser Prinzip bleibt: Service, Kommunikation und einfach lächeln“, erklärt der 67-Jährige. Jeder werde hier freundlich bedient, solange er freundlich sei – „sogar Schalker“, sagt Wolfgang Schnoor und lacht.
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