Wohnungslose einfach zu vertreiben bringt gar nichts

© Oliver Schaper (Archiv)

Wohnungslose einfach zu vertreiben bringt gar nichts

rnMeinung

Das Ordnungsamt weckt jetzt Wohnungslose, die in der Innenstadt schlafen. Unser Autor sieht das als Vertreibung – und sagt: Das kann es doch wohl nicht sein.

Dortmund

, 27.10.2021, 09:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Stadt Dortmund nennt es wecken. Ich würde es vertreiben nennen. Also: Der kommunale Ordnungsdienst vertreibt seit einigen Wochen morgens Wohnungslose aus Eingangsbereichen von Geschäften oder Wohnhäusern in der Innenstadt.

Dieser „Weckdienst“ ist zwar eine Reaktion auf – durchaus nachvollziehbare – Beschwerden von Geschäftsinhabern und Anwohnern. Aber es kann beim besten Willen nicht die Lösung sein, die Menschen einfach zu verscheuchen.

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Der „Weckdienst“ erinnert mich an das Jahr 2018: 265 Knöllchen hat die Stadt Dortmund an Wohnungslose wegen „unerlaubten Campierens“ verteilt. Es sind Menschen, die draußen, in der Kälte, auf der Straße schlafen. Wir reden hier von Menschen, die vielfach wirklich Hilfe brauchen.

Wo bleibt die richtige Hilfe?

Wieso nimmt man nicht die Beschwerden von Geschäftsinhabern und Anwohnern als Signal, dass man mehr gegen die Wohnungslosigkeit und auch mehr für die Wohnungslosen in der Stadt tut?

Ja, wir haben Notschlafstellen. Eine für Frauen, eine für Männer und zwei für junge Menschen. Ja, es gibt auch Aufenthaltsmöglichkeiten und Betreuungsangebote. Aber ich glaube, die reichen nicht: Im Wohnungsnotfallbericht vom Land NRW wurden 1.666 Wohnungslose für Dortmund gezählt, die FH Dortmund zählte 2019 bei einer Feldforschung 606 und die Stadtverwaltung nannte in der Vergangenheit Zahlen, die sich etwa zwischen 400 und 700 bewegen.

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So oder so: Es gibt deutlich mehr Wohnungslose als Schlafplätze. Und: Die Notschlafstellen haben Hürden, gerade die für Erwachsene: Sie richten sich zum Beispiel in erster Linie an in Dortmund gemeldete Bürger. Heißt: Wer als Wohnungsloser dort schlafen will, muss (in der Regel) in Dortmund gemeldet sein. Zum Wesen der Wohnungslosigkeit gehört jedoch auch, dass sich in unserer Stadt Menschen aus anderen Städten aufhalten und hier womöglich auch schlafen. Wenigstens temporär.

Statt des Weckdienstes wären niederschwellige Angebote oder Maßnahmen in meinen Augen eher angebracht. Man könnte zum Beispiel anfangen, in der kalten Jahreszeit die U-Bahn-Stationen für Wohnungslose zu öffnen – und nicht erst bei Temperaturen im Minusbereich. Oder leerstehende Geschäfte als Notschlafstellen zu öffnen. Und zwar in der Innenstadt. Dort, wo sich diese Menschen aufhalten.

Letztendlich müssen wir uns vor Augen führen, dass auch die Wohnungslosen Teil unserer Stadtgesellschaft sind. Ihnen ist nicht geholfen, wenn sie von Ort zu Ort gescheucht werden. Und auch der Stadtgesellschaft nicht. Denn dann geht die Diskussion gegebenenfalls nach kurzer Zeit an einem anderen Ort los.