
Öffentlich geförderte Wohnungen am Phoenix-See: Dogewo hat sie gebaut - nachdem DSW zuvor das Grundstück übertragen hat. © Schaper
Wohnungsbau: Die Stadt hat große Pläne - aber die Zweifel mehren sich
Meinung
Nach langem Anlauf soll die neue städtische Wohnungstochter DSG 2023 endlich ans Bauen kommen. Zielmarke: 830 neue Wohnungen bis 2027. Aber: Geht der Plan wirklich auf? Zweifel sind angebracht.
Ingrid Reuter gab sich zuversichtlich. Durch die Gründung der DSG (Dortmunder Stadtentwicklungsgesellschaft) „sind wir einen entscheidenden Schritt weitergekommen“, sagte die Grünen-Fraktionschefin am Donnerstag (12.5.) im Rat der Stadt. Als 100-prozentige Stadttochter könne die DSG nun „den sozialen Wohnungsbau in Angriff nehmen.“
Tatsächlich soll die Wohnungsgesellschaft, die zunächst über kaum mehr als ein Dutzend Mitarbeiter verfügt, auf acht städtischen Flächen bis 2027 rund 830 neue Wohnungen hochziehen. Angestrebt wird ein Mix aus öffentlich geförderten und frei finanzierten Wohnungen, die alle preiswert und bezahlbar sein sollen. Hinzu kommen u.a. weitere 53 bereits bestehende Wohnungen in der Nordstadt. Sie werden saniert und umgebaut.
Vorteil der Stadt-Tochter DSG: Sie muss das Bauland nicht erst für viel Geld kaufen. Die fraglichen Grundstücke werden von der Stadtverwaltung zum Nulltarif in die DSG eingebracht. Für Grünen-Fraktionschefin Reuter ist die Rollenverteilung zwischen der DSG und der ebenfalls kommunal geprägten Dogewo klar: „Die DSG baut und die Dogewo verwaltet und modernisiert.“ Soweit die Theorie.
Der Wirtschaftsplan für die Stadt-Tochter ist längst Makulatur.
Die Frage ist nur: Geht die Rechnung unter den aktuellen Bedingungen noch auf? Die Zweifel mehren sich. Und sie sind angebracht.
Die finanzielle Kalkulation der Stadt für ihre Tochter DSG basiert auf einem Wirtschaftsplan aus der Feder einer privaten Beraterfirma. Demnach sollen die "Anlaufverluste", die das Unternehmen zunächst ansammelt, bereits 2026 nahezu überwunden sein und eine „rote Null“ erreicht haben, wie es heisst. Ein Jahr später sollen dann schwarze Zahlen geschrieben werden - und das Jahresergebnis ein Plus ausweisen.
Der Schönheitsfehler dabei: Der Wirtschaftsplan stammt aus der ersten Jahreshälfte 2021 – und dürfte von der Realität inzwischen überholt sein. Der Plan geht von einer jährlichen Kostensteigerung in Höhe von 2 Prozent aus. Längst Makulatur - aktuell beträgt die Inflationsrate 7,4 Prozent (April 2022).
Die Baukosten sind um satte 14 Prozent gestiegen – und sie steigen munter weiter. Wohnungsunternehmen können ihre Projekte kaum noch verlässlich planen, ringen mit Zulieferfirmen um Materialien, Preise und Termine. Wärmepumpen beispielsweise sind im Zuge der Energiewende groß im Kommen – aber wegen der riesigen Nachfrage nur unter erschwerten Bedingungen zu haben. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Die Hürden fürs Bauen werden täglich höher
Richtig ist natürlich, dass die Stadt 2021 Entwicklungen wie den Ukraine-Krieg nicht auf dem Radar haben konnte. Jetzt schon. Und das heisst: Die Verwaltung wird ihre Wirtschaftlichkeitsrechnung für die DSG neu aufrollen und der Echtzeit anpassen müssen. Die Zahlen dürften zwar nicht besser werden - aber zumindest realistischer. Auch für die Politiker im Rat der Stadt.
Erschwerend kommt hinzu, dass die DSG ohne einen hauptamtlichen Chef an den Start geschickt werden soll. Dabei wäre wohl eher ein Profi aus der Praxis angesagt - jemand mit Erfahrung in Sachen Wohnungsbau. Ein solcher Führungsposten war zwar ausgeschrieben, doch die Resonanz bescheiden.
Jetzt sollen es zwei Verwaltungsmitarbeiter aus dem Wohnungsamt und aus der Kämmerei richten. Im Nebenamt. Also quasi "nebenbei". Was angesichts der kritischen Rahmenbedingungen, die selbst erfahrenen Unternehmenslenkern Schweißperlen auf die Stirn treibt, nicht ohne Risiko ist.
2023, sagt OB Westphal, soll die DSG tatsächlich ans Bauen gebracht werden. Dem Dortmunder Wohnungsmarkt und all denen, die händeringend bezahlbaren Wohnraum suchen, ist das zu wünschen. Die Hürden, die dabei zu überwinden sind, werden allerdings von Tag zu Tag höher.
Jahrgang 1961, Dortmunder. Nach dem Jura-Studium an der Bochumer Ruhr-Uni fliegender Wechsel in den Journalismus. Berichtet seit mehr als 20 Jahren über das Geschehen in Dortmunds Politik, Verwaltung und Kommunalwirtschaft.