
EDG-Mitarbeiter könnten Macht im Aufsichtsrat verlieren. Dagegen regt sich Widerstand (Symbolbild). © Oliver Schaper (Archiv)
„Wir sind stinksauer“ - EDG-Arbeitnehmer kämpfen weiter um Macht im Aufsichtsrat
Zoff um EDG-Aufsichtsrat
Die Arbeitnehmer im EDG-Aufsichstrat sollen einen Teil ihrer Macht abgeben und Mandate verlieren. Die Betriebsräte sind auf dem Baum. Auch in der SPD-Fraktion gibt es Kritik – an der eigenen Führung.
„Wir sind nicht sauer – wir sind stinksauer.“ Heiko Nickel, bis vor Kurzem Verbund-Betriebsratsvorsitzender der Entsorgung Dortmund (EDG), findet klare Worte. Seine Ansage zielt auf das Vorhaben von CDU, Grüne und Linke+. Die drei Fraktionen wollen am Donnerstag (22.9.) im Rat der Stadt die Neuordnung der Machtverhältnisse im EDG-Aufsichtsrat auf den Weg bringen. Die Arbeitnehmer sehen sich dabei als Verlierer.
Das bisherige Gleichgewicht der Kräfte im Aufsichtsrat soll aufgegeben werden. Bislang besetzen Arbeitnehmer und Arbeitgeber je sechs der insgesamt zwölf Plätze. Per Antrag will eine Dreier-Konstallation aus CDU, Grüne und Linke+ die Zahl der Plätze künftig von zwölf auf 15 erhöhen. Zwei der drei zusätzlichen Sitze sollen den Arbeitgebern zugewiesen werden, der weitere Platz fällt an die Arbeitnehmer.
Folge: Die Arbeitgeberseite hätte mit 8:7 Stimmen fortan die Mehrheit im Kontollgremium der EDG – das Gleichgewicht der Kräfte, die Parität, wäre dahin. Entsprechend die Stimmung innerhalb des EDG-Betriebsrates. „Selbstverständlich wollen wir an der Parität festhalten“, sagt EDG-Mann Nickel.
Fraktionsspitzen müssen sich Fragen gefallen lassen
Was die Betriebsräte vor allem irritiert: Die SPD-Fraktion hatte sich dem Antrag der drei anderen Ratsfraktionen ohne Not angeschlossen. Den Finanzauschuss des Rates hat das Papier bereits durchlaufen. Ohne weitere Diskussionen und mit den Stimmen der SPD. Das wiederum hat jetzt Teile der Rathausfraktion auf den Plan gerufen – die Spitzen um Carla Neumann-Lieven mussten sich in der Sitzung am Montag (19.9.) Fragen und auch Kritik gefallen lassen.
Es habe zuvor keine Rücksprache innerhalb der Fraktion gegeben, so der Tenor. Die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten, sei „ureigene Politik der SPD“. Von daher, so Kritiker, bleibe es unverständlich, wie man sich dem Vorhaben anschließen könne, die Mitbestimmung zu schleifen. Zwar kämen CDU, Grüne und Linke+ auch zu Dritt auf die notwendige Stimmenmehrheit. Aber die SPD müsse das Vorhaben zumindest nicht noch unterstützen, hieß es.
Was ebenfalls für Irritationen gesorgt hatte: Im Vorfeld des gemeinsamen Antrages soll der amtierende EDG-Betriebsrats-Vorsitzende seine Zustimmung signalisiert haben. Er befindet sich zurzeit in Urlaub.
DGB-Chefin spricht von „reinem Machtkalkül“
Was das ein Missverständnis? Das aktuelle Stimmungsbild bei den Arbeitnehmer-Vertretern jedenfalls sieht anders aus. „Wir sind angefressen“, kommentiert Betriebsrätin Bianca Herrmann auf Anfrage. Dortmunds Verdi-Chef Michael Kötzing spricht von „einem falschen Signal vor allem für die Beschäftigten.“ Der Aufsichtsrat werde aufgebläht, „um Parteiinteressen zu positionieren und damit Arbeitnehmerrechte zu schleifen“, schimpft Kötzing.
„Mit den verdi-Betriebsräten und mit uns selbst war das jedenfalls nicht abgestimmt“, stellt der verdi-Geschäftsführer trocken fest. Und: „Mit einem von uns geführten Betriebsrat hätte es diese Entwicklung nicht gegeben.“ Damit zielt Kötzing auf die Gewerkschaft Komba, die ihren Einfluss innerhalb des EDG-Betriebsrates zuletzt deutlich stärken konnte.
Die Mitbestimmung auf Augenhöhe sei für die Arbeitnehmer in den 90er Jahren eine wichtige Voraussetzung gewesen, den Weg von der Auflösung des damaligen Stadtreinigungsamtes hin zur Gründung der EDG mitzugehen, erinnert Kötzing. „Wir werden uns nicht zufriedengeben und mit dem DGB unseren Einfluss nutzen, um weitreichende Sicherheiten für die EDG-Beschäftigten nachzuverhandeln“, kündigt der Gewerkschafter an.
Die DGB-Vorsitzende Jutta Reiter assistiert: Es sei aus „reinem Machtkalkül der CDU gehandelt“ worden. „Dass die Grünen dies inhaltlich mittragen, macht es nicht besser“, kritisiert Reiter. Wo der Vorteil für die Beschäftigten liegen solle, sei nicht erkennbar.
SPD lässt abstimmen - und verabschiedet sich vom Antrag
Offenbar ist die Stimmungslage von den SPD-Fraktionsspitzen unterschätzt worden. Man sei „vom Betriebsrat nicht vollumfänglich informiert worden“, heißt es dazu aktuell aus der Rathausfraktion. Dabei hatte Fraktionschefin Neumann-Lieven während der Diskussion sogar auf den ursprünglichen Plan von Schwarz-Grün verwiesen: Der sah zunächst vor, es bei insgesamt zwölf Plätzen im Aufsichtsrat zu belassen, den sechs Arbeitnehmern aber zwei Plätze wegzunehmen. Das hätte noch schwerer gewogen, so der Tenor von Neumann-Lieven.
Es nutzte nichts: Am Ende kam es zur Abstimmung. Das Ergebnis war eindeutig: Ohne Gegenstimme und mit zwei Enthaltungen pfiffen die Fraktionsmitglieder ihre Spitzen zurück – die SPD schert nun aus dem gemeinsamen Antrag wieder aus.
Dennoch: Am Vorhaben von CDU, Grüne und Linke+ ändert das nichts. Bleiben die drei Fraktionen in der Ratssitzung geschlossen bei der Fahne, haben sie die Mehrheit der Stimmen. Auch ohne die SPD. Die künftig neuen Machtverhältnisse im EDG-Aufsichtsrat hätten u.a. zur Folge, dass auch CDU und Linke+ künftig mit je einem Gesandten im Kontrollgremium vertreten wären.
Jahrgang 1961, Dortmunder. Nach dem Jura-Studium an der Bochumer Ruhr-Uni fliegender Wechsel in den Journalismus. Berichtet seit mehr als 20 Jahren über das Geschehen in Dortmunds Politik, Verwaltung und Kommunalwirtschaft.