Immer wieder erwische ich mich dabei, wie ich meinem Partner dankbar bin für Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Jüngstes Beispiel: Ich komme völlig gestresst zu ihm, will eigentlich nur kurz bleiben. Denn ich habe an dem Tag jede Menge zu tun, das nicht warten kann und fühle mich gleichzeitig nicht besonders fit.
Mein Plan ist, nur kurz Hallo zu sagen und mich dann um meine Besorgungen zu kümmern. Ich will ihm mit meiner schlechten Laune nicht auf die Nerven gehen und denke, dass er so wahrscheinlich ohnehin keine Lust hat, Zeit mit mir zu verbringen.
Ein trauriger Gedanke eigentlich, der impliziert, dass mein Partner mich nur um sich haben will, wenn ich gut gelaunt und entspannt bin und er mit meinen Problemen nichts zu tun haben will. Nicht unbedingt die Definition von Partnerschaft.
Einerseits schön - andererseits selbstverständlich
Und so war ich auch überrascht, als mein Freund mich nicht so schnell wie möglich wieder loswerden wollte, damit ich ihn mit meiner schlechten Laune in Ruhe lasse. Stattdessen machte er für mich einen Schlachtplan: Er überlegte sich, wie wir meine Aufgaben schnellstmöglich zusammen erledigt kriegen, welche Dinge er mir abnehmen kann und was wir danach tun können, um uns zu entspannen.
Anders gesagt: Er half mir in einer Situation, in der ich Hilfe brauchte. Das ist einerseits natürlich sehr schön - andererseits aber auch selbstverständlich und nichts, das mich völlig überraschen sollte. Denn ich hätte umgekehrt dasselbe für ihn getan. So funktioniert Partnerschaft.
Doch das ist etwas, das ich nicht nur bei mir, sondern auch bei anderen Frauen beobachte: Überraschte Dankbarkeit, wenn ihr Partner etwas tut, das eigentlich ganz normal sein sollte. „Neulich hat er unser Kind ins Bett gebracht, damit ich duschen gehen konnte. Das war echt lieb.“, „Am Mittwoch hat er für uns Essen gekocht - ich bin so ein Glückspilz.“, „Er hört sich immer alle meine Probleme an - das ist so schön.“
Noch erschreckender ist es, wenn Frauen sich glücklich schätzen, dass ihr Partner nicht aggressiv oder übergriffig ist. Als wäre das nicht das zu erwartende Minimum, sondern ein Bonus, den es nur für besondere Glückspilze gibt.
Das ist keine Heldentat
Da frage ich mich: Wie niedrig sind eigentlich unsere Erwartungen an Männer, dass wir ihnen für völlig selbstverständliche Dinge dankbar sind?
Einander in einer Beziehung zu helfen, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen, füreinander da zu sein und Rücksicht zu nehmen, wenn es der anderen Person schlecht geht, ist keine Heldentat. Es ist die absolute Grundlage jeder Beziehung. Etwas, das wir tun sollten, ohne darüber nachzudenken.
Fleißsternchen für den Freund
Wenn wir aber unseren Partnern für jedes bisschen Aufmerksamkeit und Zuneigung dankbar um den Hals fallen wollen, dann geben wir uns selbst damit doch das Signal, diese Zuwendung eigentlich nicht verdient zu haben und sie nur durch einen glücklichen Zufall zu bekommen.
Gleichzeitig zeigt dieses Verhalten aber auch, wie wenig wir unseren Partnern zutrauen. Wenn wir ihn für die kleinste Selbstverständlichkeit loben, behandeln wir ihn wie ein Kleinkind, das es geschafft hat, sich nach dem Essen alleine den Mund abzuwischen. Wir tun so, als ob die elementaren Regeln des Zusammenlebens für unsere Ehemänner und Freunde nicht gelten - und sie ein extra Fleißsternchen verdienen, wenn sie sich trotzdem dazu herablassen.
Mehr Dankbarkeit zu zeigen, gilt häufig als Schlüssel für ein zufriedeneres, achtsameres Leben und sicherlich gibt es viele Bereiche unseres Lebens, für die wir dankbar sein sollten. Einen Partner zu haben, der uns mit dem Mindestmaß an Respekt und Zuneigung begegnet, gehört meiner Meinung nach nicht dazu.
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