„Wir mussten aus Scheiße Gold machen und haben viel Schläge abgekriegt“ Tatort-Tour mit Jörg Hartmann und Ex-OB Sierau

Auf Tatort-Tour mit Jörg Hartmann und Ex-OB Ullrich Sierau
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Ex-Oberbürgermeister Ullrich Sierau überrascht immer wieder mit seinem phänomenalen Gedächtnis für Daten. Es war ein Wiedersehen nach genau vier Jahren und sieben Tagen mit Jörg Hartmann, alias Hauptkommissar Peter Faber im Dortmund-Tatort. Herzlich begrüßten sich die beiden auf Phoenix-West zu ihrer vereinbarten Tatort-Tour an Hartmanns Lieblings-Drehorte.

Rund 60 Tatort-Fans aus Dortmund und Umgebung – sogar aus Bremen – waren dabei, als Stadtführerin Heike Regener von der Agentur „meineheimatruhr“ mit Hartmann und Sierau am frühen Sonntagnachmittag (17.9.) auf die gut dreieinhalbstündige Rundfahrt ging.

Die Tour war eine Art Friedensabkommen; denn in elf Jahren Dortmund-Tatort war das Verhältnis zwischenzeitlich schon mal angespannter zwischen OB und Tatort-Team. Die Geschichte ist schnell noch mal erzählt.

Bergbau-Siedlung

Seit der ersten Folge „Alter Ego“, die 2012 am Phoenix-See spielte, hat der Dortmund-Tatort Lokalpatrioten immer wieder viel Nachsicht abverlangt. Mit der war es dann allerdings im Januar 2019 bei Ullrich Sierau vorbei, als in der Folge „Zorn“ eine heruntergekommene Bergbau-Siedlung Ort des Geschehens war mit abgewrackten Bewohnern in ausgeleierten Jogginghosen.

In einem offenen Brief an den WDR-Intendanten Tom Buhrow schrieb Sierau von „fortwährendem Mobbing gegenüber einer Stadt, einer Region sowie den dort lebenden Menschen“ und wollte Faber in Rente schicken.

„Das war nie die schauspielerische Leistung“, die er kritisiert habe, stellte Sierau vier Jahre später unter dem Hochofen auf Phoenix-West klar, aber die Menschen hätten das nicht für eine Fiktion gehalten, „die glauben das.“ Busreiseveranstalter hätten Weihnachtsmarktbesuche abgesagt. Dabei lag besagte Bergbau-Siedlung in Marl.

Drehbuch umgeschrieben

Jörg Hartmann verriet, dass die Episode anfangs anders geplant gewesen sei:

„Das war nicht auf unserem Mist gewachsen. Es war alles ein bisschen kompliziert. Die Ruhrkohle, die uns schon zwölf Tage Dreherlaubnis zugesagt hatte, hat dann das Drehbuch gelesen und zwei Wochen vor Drehbeginn die Genehmigung wieder entzogen. Wir mussten das Drehbuch innerhalb von zwei Wochen komplett umschreiben. Wir mussten aus Scheiße Gold machen und haben viel Schläge abgekriegt.“

Nach dem Eklat trafen sich Sierau und Hartmann erst in Berlin, tranken dann ein Friedenspils auf Phoenix-West und vereinbarten bei der Gelegenheit die gemeinsame Tatort-Tour. Corona kam dazwischen, aber am Sonntag war es endlich soweit.

Auf den Spuren der Dortmunder TV-Morde ging es von Phoenix-West zum Phoenix-See, vorbei am Ruhrkohle-Hochhaus an der Hansastraße 101 – gleich zweimal Ort eines Showdowns mit Fabers letztlich erschossenem Gegenspieler Markus Graf – weiter zum Bergmann-Kiosk am Hohen Wall, in die Liebfrauen-Kirche, wo Fabers erschossene Kollegin Martina Boenisch (Anna Schudt) im Kolumbarium die letzte Ruhe fand, bis zum Westpark und zum Hafen.

„Da habe ich angebissen“

Jörg Hartmann beantwortete auf lockere, sympathische Art alle Fragen der wissbegierigen Tour-Teilnehmer. Was ihm an seiner Rolle so gefällt? In Herdecke aufgewachsen, habe ihn Dortmund interessiert und die sperrige Figur des Peter Faber, die theoretisch auf der anderen Seite hätte stehen können.

„Da habe ich angebissen.“ Denn eigentlich ist Hartmann kein Freund von TV-Krimis: „Ich wollte nie fragen, wo waren Sie gestern zwischen 15 und 17 Uhr. Da muss eine andere Story mitlaufen.“ Deshalb auch die vielen Abstecher der Ermittler ins Private.

In „Schwerelos“ (2015) auf Phoenix-West stand er auf dem Hochofen in knapp 70 Metern Höhe auf einer ziemlich angerosteten Traverse mit nur zwei dünnen Geländern. Das sei nicht einfach gewesen, erinnert er sich, zumal er dort „cool entlangschlendern“ musste.

In „Hydra“ (ebenfalls 2015) stolperte er auf Phoenix-West über einen Obdachlosen (in der Filmrolle), so Hartmann über die Ermittlungen seines Kommissar-Alter Egos. „Da ich als Faber ähnlich aussehe, waren wir relativ schnell beste Kumpel. Er hat mir einen entscheidenden Hinweis gegeben. Man muss Brötchen und frischen Kaffee mitbringen, dann läuft der Hase. Dann weiß man schnell, wer der Täter ist.“

„Leiche im Keller“

Hartmann, an Architektur und Städtebau interessiert, bemerkte manche Veränderung in der Stadt und freute sich über das neue, mit hochwertigen Ziegeln gebaute Stiftsforum in Hörde. „Ich kenne den Investor“, sagte Sierau, „ich werde ihm sagen, dass Sie das gelobt haben. Die haben bestimmt noch Platz für eine Leiche im Keller.“

Das Rathaus sei bislang kein Drehort gewesen, sagte Sierau weiter, „weil es dort keine Leichen gibt.“ – „Die sind im Obergeschoss“, konterte Hartmann. Es war eine kurzweilige Tour, auf der sich Ex-OB und TV-Kommissar immer wieder die Bälle zuwarfen.

Tiefgründig wurde es in der Grabeskirche, wo Faber schon zweimal trauernd am Grab von Martina Boenisch saß („Du bleibst hier“ und „Love is pain“). „Als wir das erste Mal hier am Grab von Frau Boenisch gedreht haben und ich die kleine Grabplatte mit ihren Initialen gesehen habe – das hat mich umgehauen.“

Jörg Hartmann zeigt den Tour-Teilnehmern in der Liebfrauen-Kirche, wo er am Grab von Martina Boenisch getrauert hat.
Jörg Hartmann zeigt den Tour-Teilnehmern in der Liebfrauen-Kirche, wo er am Grab von Martina Boenisch getrauert hat. © Kolle

Fake-Gully

Und noch eines verriet Hartmann aus der ersten Folge ohne Boenisch, für die er das Drehbuch geschrieben hat: Den Gully als Zugang in das Bunkersystem unter der Stadt gibt es gar nicht an der Stelle, wo er jetzt liegt. Fabers Kollegin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) hatte den Zugang entdeckt, durch den die Leiche ins Innere des Tiefstollens geschafft worden war.

Jörg Hartmann und Stadtführerin Heike Regener mit einem Foto des Fake-Gullys am Westpark.
Auf der Parkfläche am Westpark hatte das Tiefbauamt einen Fake-Gully eingebaut, den Stadtführerin Heike Regener hier auf einem Foto zeigt. Der Gully liegt da immer noch, doch meistens steht ein Auto drauf. © Kolle

Es handelt sich um einen Fake-Gully, den das Tiefbauamt gegen ein paar Autogramm-Karten eigens angelegt hatte. Der Gully liegt immer noch da – auf der Parkfläche an der Rittershausstraße, der vierte Parkplatz von oben. Der Original-Gully, wo auch gedreht wurde, liegt neben dem Dortmunder U.

Hartmann legte der Stadt ans Herz, die tatsächlich in Dortmund existierende größte unterirdische Bunkeranlage der Welt für Städtetouren zu öffnen. „Macht das. So etwas hat keine andere Stadt.“ Das sei nicht so einfach, erklärte Sierau, und hänge unter anderem an Fragen des Eigentums (Eigentümer ist der Bund), der Sicherheit und der Verkehrssicherungspflicht.

Für einen guten Zweck

Die Gegend an der Speicherstraße im Hafen hat Hartmann kaum wiedererkannt, so sehr hat sie sich gegenüber der Folge „Hundstage“ (2016) verändert. Er musste dort seinerzeit in voller Montur ins Hafenwasser springen, um eine Frau zu retten, konnte sich aber in einem kleinen Wärme-Pool aufwärmen, ebenfalls mit Kleidung.

„Das Wasser im Hafenbecken war gar nicht ekelig“, berichtete Hartmann, „das solltet ihr auch mal ausprobieren.“ „Das ist Lippewasser“, sagte der Ex-OB. Und Schwimmen sei dort verboten.

Jörg Hartmann mit der Gruppe am alten Hafenamt.
Die Tatort-Tour führte auch zum Hafen. © Kolle

Die Tour diente neben der Unterhaltung auch einem guten Zweck, die Akteure machten unentgeltlich mit. Knapp 60 Euro kostete die Karte. Meineheimatruhr rundete die Einnahmen auf 4000 Euro auf und spendete das Geld an „Kinderlachen“.

Viele Selfies

Zum 20-jährigen Bestehen des Dortmund-Tatorts wolle man sich wieder verabreden, sagte Heike Regener. Bis dahin gebe es sicherlich neue Drehorte. „In letzter Zeit haben wir sehr viel in Dortmund gedreht. Ich habe mir immer gewünscht, dass wir mehr in Dortmund drehen“, sagte Hartmann. Inzwischen sei das auch nicht mehr teurer als in Köln.

Die Gruppe mit Pils in der Hand auf Phoenix-West.
Zum Schluss gab's für alle ein Absacker-Pils. © Kolle

„Wenn dem WDR Köln zu teuer ist, kann er auch ganz nach Dortmund kommen“, sagte Sierau süffisant. So weit ist es noch nicht. Nach der Tour lächelte Hartmann beim gemeinsamen Absacker-Pils bereitwillig in viele Handykameras – um sich dann auf den Weg nach Köln zu machen. Dort wird noch elf Tage weitergedreht an der Tatort-Folge „Made in China“.