„Wir können ja nicht die Möbel von 1975 nehmen“ 4 Gründe, warum Kita-Plätze knapp werden könnten

Warum Kita-Plätze in Dortmund knapp werden könnten
Lesezeit

Die gute Nachricht zuerst: „Wir haben einen Ausbauplan“, sagt Tim Hammerbacher: „Die angefangenen Bauprojekte setzen wir auch um und dort werden wir bald auch eröffnen.“ Zudem schiebt der Chef der evangelischen Kitas in Dortmund hinterher: „Wir wollen auch weiter ausbauen.“

Nur: So einfach, so problemlos sei das nicht. Es gebe vier wichtige Aspekte, die man im Auge behalten müsse. Die bereiten Hammerbacher, der als Geschäftsführer Gemeinsame Trägerschaft beim Evangelischen Kirchenkreis angestellt ist, kleinere oder größere Sorgen.

95 Prozent Versorgungsquote

95 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen in Dortmund können eine Kita besuchen. Diese Zahl vom 31.12.2021 nannte Jugenddezernentin Monika Nienaber-Willaredt unlängst. Vergleiche man die Stadtteile, liege die Nordstadt hinten, mit einer Versorgungsquote von 92,6 Prozent.

Im U3-Bereich, so die Dezernentin weiter, seien es stadtweit 37,7 Prozent, in der Nordstadt 30,1 Prozent. Wobei es auch zur Wahrheit gehöre, dass es „in vielen Ländern nicht üblich ist, Kinder im frühen Alter außerhalb der Familie betreuen zu lassen.“ Deshalb sei es „wichtig, Eltern gezielt anzusprechen und sie über unsere Angebote zu informieren“.

Vier wesentliche Gründe

„Wir betreuen Kinder in allen Stadtteilen in Dortmund“, sagt Tim Hammerbacher: „Wir betreuen die bunte Vielfalt der Gesellschaft.“ Im August öffne eine sechsgruppige Einrichtung in Brechten, eine achtgruppige in Nette. In Wickede laufe ein Neubau. Zuletzt war Hammerbacher in Aplerbeck zur Eröffnung. Und doch sagt er: Es könnte noch mehr gebaut werden.

„Wir würde gerne mehr Kindergartenplätze schaffen, aber die Refinanzierung und die Möglichkeit, Landes- oder Bundesmittel zu bekommen, sind begrenzt.“ Doch zunächst einmal: Es gebe U3 und Ü3, also Betreuung von Kindern im Alter unter drei und über drei Jahre.

1. U3-Ausbau als Problem

„Der forcierte U3-Ausbau hat dazu geführt, dass wir teilweise eine Unterversorgung an Ü3-Plätzen haben“, verdeutlicht Hammerbacher. Denn jedes Kind, das mit null, ein oder zwei Jahren in die Kita komme, werde ja auch irgendwann drei und „rutsche“ so auf einen regulären Platz.

„Aber wir haben auch Vier- oder Fünfjährige, die noch keinen Kindergarten von innen gesehen haben“, erläutert Hammerbacher. Oder Dreijährige, die noch dazukommen müssten, auf deren Platz aber schon ein anderes dreijähriges Kind sitze, das vorher in der Betreuung für Unter-Dreijährige gewesen sei.

Deswegen dürfe man den U3-Ausbau nicht losgelöst vom restlichen Betrieb betrachten. Zumal das Thema Zuzug Dortmund stark betreffe. Bei den Erstklässlern schoss die Zahl in diesem Jahr von rund 5500 auf knapp 6000 hoch. Viele Familien aus der Ukraine oder anderen Ländern sind neu in Dortmund – und haben Kinder.

2. Geburtenstarke Jahrgänge

Corona macht sich in der Statistik bemerkbar. Im Jahr nach dem Lockdown, also 2021, lag die Zahl der Geburten in Dortmund so hoch wie noch nie: bei 6106. Zum Vergleich: 2012 waren es noch etwas weniger als 5000. Ab 2016 näherte sich die Zahl mehr und mehr der 6000er-Marke.

„Die kommen bald in den Kindergarten“, rechnet Hammerbacher aus. Und die Plätze könne man ja nicht erst machen, wenn es so weit ist. Gebaut, ausgebaut, umgebaut werden müsse eigentlich vorher.

3. Zuschüsse nur für Neues

Ein Außengelände kostet 200.000 Euro – und da ist noch kein Tellerchen, keine Schaufel, kein Ball, kein Klettergerät dabei.“ Da komme man „als Träger schnell an die Grenze und wir müssen es uns genau überlegen“. Natürlich gebe es Landes- und Bundesmittel als Zuschuss, aber ganz so einfach sei es eben nicht, erläutert Hammerbacher.

Zuschuss-Gelder gebe es eben nur für jeden neuen Kita-Platz. Im echten Leben aber baue man nicht nur neu, sondern oft eben auch aus. Beispielsweise werde eine Einrichtung für 50 Kinder ausgebaut, damit später 100 Kinder dort eine Kita besuchen könnten.

„Wir bekommen nur die neuen Plätze finanziert, aber wie soll das gehen bei Erweiterungsbauten?“, fragt der Geschäftsführer der evangelischen Kitas. Allein beim Mobiliar führe das zu Problemen: „Wir können ja nicht die Möbel von 1975 nehmen – erst recht nicht, wenn sie noch an die Wand geschraubt sind“.

Modern, hell und praktisch sollen Kita-Möbel sein – so wie hier in einer 2017 eröffneten Awo-Kita in Eving.
Modern, hell und praktisch sollen Kita-Möbel sein – so wie hier in einer 2017 eröffneten Awo-Kita in Eving. © Schaper

Aber ein Umbau, der zeitgemäß sein solle, in dem der Architekt aber alles Althergebrachte unterbringen müsse? Das könne es doch eigentlich nicht sein. Ebenso wie das Angebot Land und Bund: Man könne nur die Miete für neu geschaffene Kita-Plätze bezuschussen. Und die Mietforderungen mancher Investoren würden leider merklich steigen.

„Da geht leider niemand auf die Träger zu“, ärgert sich Hammerbacher. Zugleich betont er: Das betreffe die höhere Ebene. Mit der Stadt Dortmund setze man sich regelmäßig zusammen und ziehe da auch an einem Strang.

4. Personalsorgen

Selbst wenn der Kita-Ausbau gelingt. Die Frage bleibt: Wer kümmert sich um die Betreuung? „Letztes Jahr sind bei uns ein Dutzend Mitarbeiter in Rente gegangen, in diesem Sommer sind es 20“, verdeutlicht Hammerbacher: „Da steuern wir auf ein Problem zu.“

Natürlich versuche man gegenzusteuern: „Aktuell haben wir 75 Auszubildende.“ Zum Vergleich: Insgesamt beschäftigt der Evangelische Kirchenkreis etwa 1200 Mitarbeiter im Kita-Bereich. 10 bis 15 Stellen seien derzeit offen, überschlägt Hammerbacher, darunter auch vier Leitungsstellen. Darauf allerdings gebe es im Regelfall interne Bewerber.

Kostenexplosion bremst Kita-Ausbau in Dortmund: Stadt rechnet mit Mehrkosten von 73 Prozent

Neubau und Kampf gegen Wasser: Dortmunder Kindergarten-Team hat Stress an zwei Fronten

Kaffee trinken und ein bisschen am Sandkasten sitzen?: Wie der Alltag für Kita-Erzieher wirklich aus