Wie gut ist Dortmund auf einen Krieg vorbereitet? Ein Blick auf die kritische Infrastruktur

Wie wäre Dortmund auf einen Krieg vorbereitet?
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Es ist eine ernste Frage, die sich wohl kaum jemand stellen will, die sich einige Entscheidungsträger im Moment aber ernsthaft stellen müssen: Wie sind wir auf den Fall eines Krieges vorbereitet? Wie gut ist insbesondere die Zivilbevölkerung in so einem Fall geschützt? Das Thema des sogenannten Zivilschutzes beschäftigt gerade die Bundesregierung. Wir haben uns bei wichtigen Akteuren in Dortmund umgehört.

Im unwahrscheinlichsten Fall, nämlich einem Verteidigungskrieg auf deutschem Boden, müssten für die Dortmunder und Dortmunderinnen sichere Räume zur Verfügung stehen, in denen sie sich auch vor Luftangriffen schützen können.

In Dortmunds Boden schlummert die größte Zivilschutzanlage Deutschlands: die zwischen 1941 und 1945 gebaute „Großstollenanlage“. Heute ist sie als Bunker jedoch unbrauchbar – hat höchstens historischen Wert. Aktuell gibt es keine benutzbaren Schutzräume in Dortmund, wie die Stadtverwaltung mitteilt. Die meisten Anlagen seien vor Jahren aus der öffentlichen Bindung entlassen worden und alte Bunker, die noch vorhanden sind, seien privatisiert worden.

Katastrophenplan im Klinikum

Eine wesentliche Rolle bei jeder Art von Katastrophen spielt das Gesundheitssystem. Das Klinikum als größtes Krankenhaus Dortmunds teilt auf Nachfrage mit, es sei als Maximalversorger zu jeder Zeit auf größere Verletztenzahlen vorbereitet. „Der Umgang mit einem außergewöhnlichen Massenanfall von Verletzten wird regelmäßig trainiert, um die Abläufe in den beiden Notaufnahmen der Klinikzentren in Mitte und Nord zu überprüfen und zu festigen. Es existiert ein detaillierter Katastrophenplan. Wenn er greift, wird der gesamte Einsatz im Klinikum von einem kompetenten Krisenstab geleitet.“

Teil dieses Plans sei auch ein internes Alarmierungssystem, um Personal in allen relevanten Bereichen innerhalb kürzester Zeit aufzustocken. Auch Vorräte an Medikamenten, Blutkonserven und medizinischem Gerät halte das Klinikum vor. „Aus Gründen der Sicherheitsrelevanz können wir dazu jedoch keine näheren Angaben machen.“

Wahrscheinlicher als der Verteidigungsfall – wenn auch ebenfalls nicht unbedingt wahrscheinlich – ist ein Einsatz einer größeren Zahl deutscher Soldaten im NATO-Ausland, zum Beispiel auf dem Baltikum. Auch für die Behandlung von verletzten Soldaten könnten größere Krankenhäuser eine Rolle spielen. Die Bundeswehr unterhält jedoch auch eigene Krankenhäuser. Das Klinikum Dortmund teilt auf unsere Anfrage mit, ihm sei für ein solches Szenario bislang keine Rolle zugeteilt worden.

Stromnetze schwer zu stören

Auch der Schutz kritischer Infrastruktur fällt in den Bereich des Zivilschutzes. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf Stromnetzen. Energieinfrastruktur wird in der Ukraine seit Monaten immer wieder Ziel von Angriffen.

In Dortmund betreibt die DEW21-Tochter Donetz ein 7000 Kilometer langes Stromnetz. Hinzu kommen ein 2100 Kilometer langes Wasserleitungsnetz, ein 1900 Kilometer langes Gasnetz in Dortmund und Herdecke und 150 Kilometer Fernwärmeleitungen. „DEW21 und Donetz betreiben besondere Vorsorge für den Schutz ihrer Anlagen“, so eine Sprecherin. Die technischen Anlagen seien mehrfach geschützt, sodass die Versorgung bestmöglich sichergestellt werden könne. Ziel sei es, in allen Netzsparten die eigene Handlungsfähigkeit organisatorisch, personell und technisch zu sichern.

Auf der übergeordneten Ebene setzt sich das deutsche Stromnetz aus Überlandleitungen zusammen. Sie können einzeln relativ leicht angegriffen werden. Ein Zusammenbruch des Netzes ist aber unwahrscheinlich, erklärt Prof. Christian Rehtanz von der TU Dortmund. „Es bräuchte eine Kombination aus vielen Sabotagen an neuralgischen Punkten. Dafür braucht man aber Expertenwissen.“

Hybride Kriegsführung

Nicht nur wahrscheinlicher als ein Verteidigungskrieg, sondern bereits Realität, sind Cyberangriffe auf kritische Infrastruktur. Insbesondere Russland bedient sich der sogenannten hybriden Kriegsführung. Auch für sie bieten Stromnetze einen Angriffspunkt.

Leitwarten ließen sich theoretisch auch ohne physische Zerstörung sabotieren – durch einen Hack. „Die großen Leitwarten sind aber in einem eigenen Kommunikationsnetz ohne Anbindung an das Internet“, erklärt Christian Rehtanz. Schadsoftware müsste also auf physischem Wege, zum Beispiel über Speichermedien oder Geräte, in eine Leitwarte gelangen. Entsprechend strenge Sicherheitsvorkehrungen sollen auch dies verhindern.

Insgesamt sei das deutsche Stromnetz sehr sicher, betont Christian Rehtanz. „Der europäische Stromverbund ist überhaupt erst aufgebaut worden, um gegenseitige Sicherheit herzustellen. Die Netze sind so ausgelegt, dass immer mehrere Netze ausfallen könnten.“

Für das Klinikum Dortmund habe sich in der Vergangenheit gezeigt, dass auch Krankenhäuser durch Cyberangriffe bedroht sind. „Durch das Krankenhauszukunftsgesetz wurden Gelder für die Erhöhung der IT-Sicherheit zur Verfügung gestellt“, so das Krankenhaus. Insbesondere gehe es darum, auf neue Angriffsarten und die zunehmende Vernetzung von Medizingeräten zu reagieren.

„Heute werden daher zunehmend automatisierte Systeme zur Angriffserkennung eingesetzt. Auch organisatorisch wurden Maßnahmen ergriffen, z.B. regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter. Das Sicherheitsniveau im Klinikum Dortmund ist daher heute deutlich höher, als es noch vor drei Jahren war.“

Jedenfalls für den Schutz kritischer Infrastruktur vor digitalen Angriffen aus dem Ausland werden also bereits seit Jahren Maßnahmen ergriffen. Im Zuge der geplanten Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung dürfte zudem auch in anderen Bereichen der Zivilschutz weiter ausgebaut werden.