Wie räumt man ein Modehaus, Frau Marchlewski? Expertin über mögliche Zwangsräumung von Appelrath Cüpper

Ärger mit Appelrath Cüpper: Wie räumt man ein Modehaus, Frau Marchlewski?
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Der Streit zwischen dem Mieter Appelrath Cüpper und dem Vermieter Aachener Grundvermögen spitzt sich immer weiter zu. Das Modehaus möchte seinen Standort am Westenhellweg 59 bis 63 nicht aufgeben und verweigerte den Auszug zum Jahresende. Obwohl das Landgericht Dortmund bereits im November geurteilt hatte, dass Appelrath Cüpper das Objekt zum 31. Dezember 2023 räumen muss.

Der Mietvertrag war nach Angaben von Aachener Grundvermögen zum Jahresende ausgelaufen und nicht verlängert worden. Mit Deichmann und Snipes hat Aachener Grundvermögen bereits Nachmieter an der Hand.

Mit dem Urteil des Landgerichts erlangte Aachener Grundvermögen ein mächtiges Instrument. Denn mit diesem kann der Vermieter die Räumung der mehr als 6000 Quadratmeter großen Ladenfläche von einem Gerichtsvollzieher vollstrecken lassen. Zumindest theoretisch.

In der Praxis müsste Aachener Grundvermögen einen Antrag auf Vollstreckung beim Amtsgericht beziehungsweise beim zuständigen Gerichtsvollzieher stellen. Der wiederum müsste anhand des Antrags feststellen, ob alle Voraussetzungen für die Vollstreckung gegeben sind.

Das klingt schon kompliziert, ist aber nur einer von vielen Aspekten in dem Rechtsstreit. Offen blieb am Mittwoch (3.1.), ob Aachener Grundvermögen schon einen Antrag auf Vollstreckung der Räumung gestellt hat. Das Amtsgericht Dortmund, bei dem die Gerichtsvollzieher angesiedelt sind, konnte die Frage kurzfristig nicht beantworten.

Zu der Auseinandersetzung gehört auch, dass Appelrath Cüpper kurz vor Jahresende gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt hat. Über diese Berufung entscheidet das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Deshalb spricht man nach dem Urteil des Landgerichts nur von einer „vorläufigen Vollstreckbarkeit“.

Ein erfahrener Gerichtsvollzieher, der seinen Namen in diesem Artikel nicht veröffentlicht wissen möchte, betont, dass es in solchen Verfahren darum gehe, die Risiken für alle beteiligten Parteien zu minimieren.

Für Aachener Grundvermögen besteht grundsätzlich das Risiko, dass die Berufung am OLG verloren gehen könnte. Wäre die Räumung bis zu einer hypothetischen Niederlage schon vollstreckt worden, müsste sie rückgängig gemacht werden. Das wäre also ein gutes Argument dafür, auf die Entscheidung des OLG zu warten.

Eskalationsstufe überrascht

Appelrath Cüpper geht mit seiner Weigerung, den Standort fristgerecht zu verlassen, ohnehin ein hohes Risiko ein. Der Gerichtsvollzieher sagt, dass das Modehaus jederzeit mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung auf einen Vollstreckungsantrag seitens Aachener Grundvermögen reagieren könnte, um beim OLG einen Aufschub für den Auszug zu erwirken. Aber auch hier ist unklar, ob das Gericht zustimmen würde.

Der Gerichtsvollzieher schildert ein mögliches Modell: Appelrath Cüpper könnte im Gegenzug für eine Aussetzung der Vollstreckung Sicherheitszahlungen garantieren. Das könnte etwa die Summe der Monatsmieten sein, die in der Zeit anfällt, in der das Modehaus gegen den Willen des Vermieters in dem Haus bleibt. Mit diesem Modell würde ein finanzieller Schaden, der Aachener Grundvermögen womöglich entsteht, abgesichert.

Der Gerichtsvollzieher geht nicht davon aus, dass es tatsächlich zu einer Räumung kommt. Seine Erfahrung: „Je größer die Räumungsverfahren, desto weniger werden durchgeführt.“

Thomas Schäfer vom Handelsverband Westfalen-Münsterland
Thomas Schäfer vom Handelsverband Westfalen-Münsterland © Peter Wulle

So schätzt es auch Thomas Schäfer, der Chef des Handelsverbands Westfalen-Münsterland, ein. „Mich würde es wundern, wenn Appelrath Cüpper es darauf ankommen lässt“, sagt er.

Der Streit und dessen Eskalationsstufe verwundert Fachleute unisono. Michael Adel, der Justiziar der IHK zu Dortmund, zeigt sich überrascht, wie weit die Auseinandersetzung gediehen ist. Der Streit sei „juristisch interessant“.

Und er ist ziemlich einzigartig. Keiner der genannten Fachleute hat einen ähnlichen Fall in Erinnerung. Internetsuchmaschinen spucken keine Medienberichte zu Fällen aus, bei denen große Modehäuser vor der Zwangsräumung standen oder tatsächlich zwangsgeräumt wurden.

Dortmund würde „etwas fehlen“

Dass Geschäftsimmobilien zwangsgeräumt werden, komme durchaus vor, sagt Bettina Marchlewski, die stellvertretende Vorsitzende des Gerichtsvollzieherbundes in NRW. „Aber nicht unbedingt in der Größenordnung von Appelrath Cüpper.“ Der Fall sei „nicht alltäglich“.

Aber wie würde eine Räumung des Modehauses überhaupt ablaufen? „Es ist die Frage, um was für eine Art von Räumung es sich handelt. Wird nur das Schloss ausgewechselt oder müssen alle Gegenstände abtransportiert werden? Das hängt vom Antrag des Klägers ab“, sagt Bettina Marchlewski.

Und falls wirklich alles raus müsste? „Dann würde eine Spedition beauftragt, die das Haus leerräumt“, sagt Marchlewski. Die Waren würde man einen Monat lang einlagern. In dieser Zeit hätte das Modehaus die Möglichkeit, seine Waren gegen die Zahlung von Geld wiederzubekommen. „Geschieht dies nicht, könnten die Sachen nach einem Monat versteigert werden.“

Bettina Marchlewski kann sich durchaus vorstellen, dass die Räumung vollstreckt wird. Über Appelrath Cüpper sagt die Expertin: „Vielleicht lassen sie es drauf ankommen.“

Handelsverbands-Chef Thomas Schäfer betont, dass der Dortmunder City bei einem Weggang von Appelrath Cüpper „etwas fehlen“ würde. Das Modehaus „gehört zu Dortmund“, findet er. Eine mögliche Zwangsräumung wäre seiner Ansicht nach nicht nur ein schlechtes Zeichen für die Innenstadt, sondern auch für das Unternehmen.

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