Das Eisen- und Stahlwerk Hoesch wurde früh zu einem der größten Arbeitgeber in der Stadt. © Hoescharchiv
150 Jahre Hoesch
Wie eine Unternehmensgründung Dortmund für immer verändern sollte
Am 1. September 1871, vor genau 150 Jahren, wurde das Eisen- und Stahlwerk Hoesch gegründet. Es war eine Start-Investition von 2,4 Millionen Mark, die ganz Dortmund prägen sollte - für immer.
Es war der „Zug zur Kohle“, dem die Familie Hoesch folgte. Als am 1. September 1871 das „Eisen- und Stahlwerk Hoesch“ gegründet wurde, war das „eigentlich nur eine Standortverlagerung“, berichtet Dr. Karl-Peter Ellerbrock als Leiter des Westfälischen Wirtschaftsarchivs. Aber eine sehr folgenreiche.
Dortmund war noch dazu mit gleich zwei Eisenbahn-Linien ein früher Verkehrsknoten-Punkt geworden und erlebte ab den 1850er Jahren einen regelrechten Gründungsboom. Und es gab im Norden der Stadt, die gerade ihre aus dem Mittelalter stammenden Mauern gesprengt hatte, viel Platz.
Leopold Hoesch © Hoescharchiv
Also gründeten am 1. September 1871 Viktor und Eberhard Hoesch zusammen mit ihrem Cousin Leopold und dessen Söhnen Albert und Wilhelm mit einem Kapital von 2,4 Millionen Mark in Dortmund das Eisen- und Stahlwerk Hoesch. 1874 wurde das junge Unternehmen zu einer Aktiengesellschaft, dessen Vorstandsvorsitzender Albert Hoesch wurde - mit seinem Vater Leopold als Aufsichtsrats-Chef.
1874 wurden die ersten Hoesch-Aktien ausgegeben. © Hoescharchiv
Die ersten Industriepioniere in der Region waren die Hoeschs allerdings nicht. Den Anfang der Eisen- und Stahlindustrie im Raum Dortmund hatte Dietrich Piepenstock 1841 mit der Gründung der Hermannshütte in Hörde gemacht, aus der 1852 der „Hörder Bergwerks- und Hüttenverein“ hervorging. Er beschäftigte ein Jahr später schon 2100 Arbeiter und produzierte rund 24.000 Tonnen Rohstahl.
Technischer Fortschritt
Im Westen der Stadt war ab 1854 die „Dortmunder Hütte“ entstanden, die ab 1872 als Union AG firmierte. Die Eisenbahn, die Schienen und Fahrzeuge benötigte, war für sie und viele weitere neu gegründete Industrieunternehmen ein wichtiger Abnehmer für die Produkte.
So klein fing alles an: Der erste Plan des "Eisen- und Stahlwerks Hoesch" von 1871. © WWA
Das galt auch für Hoesch. Das Unternehmen betrieb im Dortmunder Norden unter anderem ein Walzwerk für Schienen und Träger und eine Achsenschmiede. Stahl wurde in zwei Konvertern im Bessemer-Verfahren produziert, das nach und nach die alten Puddel-Öfen ablöste. „Für die Tagesleistung eines Puddel-Ofens brauchte ein solcher Konverter nur 20 Minuten“, erklärt Ellerbrock den technischen Fortschritt.
Schon in den ersten Jahrzehnten wuchs das Eisen- und Stahlwerk Hoesch schnell. © WWA
1896 nahm Hoesch den ersten Hochofen in Betrieb, konnte nun also selbst Roheisen produzieren. Auch eine eigene Kokerei wurde gebaut. 1899 - dem Jahr, in dem der von Hoesch vehement geforderte Dortmunder Hafen eröffnet wurde - stieg man dann mit dem Erwerb der „Gewerkschaft Westphalia“ mit den Zechen Kaiserstuhl I und II selbst in den Bergbau ein.
1896 nahm Hoesch den ersten Hochofen in Betrieb. © WWA
Hoesch war nun ein vollwertiger Konkurrent für den Hörder Verein und die Dortmunder Union. Alle drei zusammen machten im Jahr 1900 mit mehr als 2,7 Millionen Tonnen Roheisen und rund 25.000 Beschäftigten fast ein Drittel der gesamten Eisen- und Stahlproduktion des Ruhrgebiets aus. Dass 66 Jahre später alle drei Betriebe unter dem Namen Hoesch zusammenwachsen sollten, konnte damals noch niemand ahnen.
Eigener Wohnungsbau
Die Bedeutung der Dortmunder Stahlunternehmen und vor allem von Hoesch ging aber weit über die wirtschaftliche Leistungskraft hinaus. Eine wichtige Rolle spielte das Werk, das später Westfalenhütte genannt wurde, auch bei der Entwicklung der Nordstadt und der Vororte im Nordosten der Stadt.
Die Firma Hoesch beflügelte auch die Entwicklung der Nordstadt unter anderem mit dem Bau von Wohnquartieren (r.). © Hoescharchiv
Schon 1872 wurde mit dem Bau eigener Werkswohnungen in der Nähe des Stahlwerks begonnen. Bis 1910 entstanden im Hoesch-Viertel am Borsigplatz fast 800 Wohnungen. Später förderte Hoesch auch gemeinnützige Baugesellschaften und den Bau von Kleinsiedler-Häusern.
Kindergarten und „Speiseanstalt“
In anderen Bereichen kümmerte sich das Unternehmen ebenfalls um die soziale Absicherung seiner Beschäftigten. 1872 entstand die „Fabrik-Krankenkasse des Eisen- und Stahlwerkes Hoesch“. In Not geratene Beschäftigte und ihre Witwen und Waisen wurden von der 1896 gegründeten Albert-Hoesch-Stiftung unterstützt, über die auch ein im Jahre 1900 gegründeter Kindergarten finanziert wurde.
Der Name Hoesch ist heute in Dortmund Geschichte, im Umfeld der Westfalenhütte aber immer noch lebendig. © Dieter Menne Dortmund
Im selben Jahr eröffnete am Werkstor eine „Speisanstalt“, in der auch „unterstützungsbedürftige Personen“ mit warmem Mittagessen versorgt wurden. Später entstanden Unterstützungskassen zur betrieblichen Altersvorsorge. Im Laufe des 20. Jahrhunderts entstanden eine Werksbücherei und der Hoeschpark für den Werkssport.
Gemeinschaft der Hoeschianer
Kurzum: Hoesch schuf sich einen eigenen Kosmos, der weite Teile des Lebens der eigenen Beschäftigten und ihrer Familien umfasste. Man arbeitete bei und lebte mit „Karl Hoesch“, den es als Person freilich nie gab. Die Hoeschianer wurden zu einer eingeschworenen Gemeinschaft - was sich später auch bei Arbeitskämpfen um mehr Lohn oder den Erhalt von Arbeitsplätzen zeigte.
Und die ganz besondere Verbundenheit ist auch heute noch spürbar, wenn die ehemaligen Stahlarbeiter zusammenkommen und etwa im Hoeschmuseum das Erbe des vor 150 Jahren gegründeten Unternehmens pflegen.
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