Bleibende Spuren hat der Nationalsozialismus ohne Zweifel im Dortmunder Stadtbild hinterlassen. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs war das Stadtzentrum zu mehr als 90 Prozent zerstört. Dabei wollten die NS-Oberen Dortmund ursprünglich zu einer Musterstadt des „deutschen Sozialismus“ machen. Doch die großangelegten Pläne kamen über Ansätze nicht hinaus.
Ein Teil davon ist allerdings heute noch zu sehen. Etwa am Rande von Hombruch. Hier wurde Rudolf Heß am 3. Februar 1939 ein großer Empfang bereitet. In Renninghausen setzte der „Stellvertreter des Führers“ den Spatenstich „zum größten deutschen Siedlungsbauvorhaben“, wie es in einem Zeitungsbericht heißt. Es sollte der Anfang für den Bau einer „großen Mittelstadt im Süden Dortmunds“ sein, einer „Stadt des deutschen Sozialismus“ mit neuem Wohnraum für bis zu 100.000 Menschen.

In der Tat waren die Pläne gewaltig. Das komplette Gebiet von Dorstfeld über Barop und Hombruch bis Brünninghausen sollte sternförmig bebaut werden. Hintergrund war eine akute Wohnungsnot. Im Jahr 1933 wurde geschätzt, dass in Dortmund mehr als 17.000 Wohnungen fehlten. Gefördert wurde zu Beginn der Bau von Kleinsiedlungen etwa in Brackel, Aplerbeck, Kirchhörde und Oespel, die zwischen 1934 und 1936 entstanden.

Insgesamt kam der Wohnungsneubau allerdings nur mühsam voran. Gerade einmal knapp 6000 Neubauten wurden bis Ende 1937 verzeichnet. „Damit lag die Stadt im Vergleich westdeutscher Großstädte an vorletzter Stelle“, heißt es im „Deutschen Historischen Städteatlas Nr. 5“ des Instituts für vergleichende Städtegeschichte Münster.
Neuen Schub erhofften sich die Dortmunder Stadtplaner durch das Gesetz über die Neugestaltung deutscher Städte vom 4. Oktober 1937. Im Fokus standen zwar anfangs nur die ausgeguckten sogenannten „Führerstädte“ München, Nürnberg, Hamburg und Berlin, aber auch andere Stadtführungen insbesondere in den „Gau-Hauptstädten“ machten sich Hoffnung auf die in Aussicht gestellte großzügige Förderung.
Platz für 100.000 Menschen
In Dortmund gab es schon 1936 Pläne für eine neue Großsiedlung im Südwesten der Stadt. 1938/39 entstanden dann Entwürfe für eine „Großsiedlung Dortmund-Süd“ für zunächst 20.000 Menschen. In einem ersten Schritt sollten bis 1943 4500 Wohnungen bei Hombruch entstehen, für die Rudolf Heß am 3. Februar 1939 den ersten Spatenstich setzte.
Den Plan für die dabei propagierte „Stadt des deutschen Sozialismus“ mit „weitläufigen Siedlungsbauten“ für bis zu 100.000 Menschen lieferte der Dortmunder Architekt Josef Wentzler, der zuvor die Gebäude des Hauptfriedhofs und das Haus der Handwerkskammer an der Reinoldistraße konzipiert hatte.

Doch auch außerhalb Dortmunds machte man sich Gedanken. Aus dem Juni 1939 stammen erste Pläne des Berliner Architekten Hermann Jansen - der auch den städtebaulichen Entwurf für die türkische Hauptstadt Ankara lieferte.
Sein Entwurf für die „Rudolf-Heß-Stadt“ setzte die NS-Ideologie der Volksgemeinschaft in großzügig angelegte Siedlungen mit einem Mix aus kleineren Siedlungshäusern und Mehrfamilienhäusern um – immer verbunden mit der entsprechenden ideologietypischen Infrastruktur. Sie sieht neben einer Ladenzeile über Schulen und einen Sportplatz auch ein Hitler-Jugend-Heim, ein „Volkshaus“ und einen Aufmarschplatz vor.
Beispielhaft dafür steht der Entwurf für eine Siedlung „Groß-Barop“ südlich von Dorstfeld und dem „Hindenburgdamm“, der heutigen B1/A40. Dort, wo sich jetzt der Uni-Campus Nord erstreckt, sollten nach dem Konzept Jansens eingebettet in viel Grün 1327 Wohnungen in „Zwei- und Dreigeschosshäusern“ entstehen.

Mit dem Entwurf für eine Siedlung in Brünninghausen vom Dezember 1938 – auch hier mit Schule, Sportplatz, Ladenzeile und einer Versammlungshalle an einer zentralen Straßenachse - schließt Jansen, wie ausdrücklich vermerkt wird, an die Pläne von Wentzler für den westlich angrenzenden Bereich Renninghausen an.

Die im Februar 1939 begonnene Rudolf-Heß-Siedlung beiderseits der Zillestraße war die einzige Wohnsiedlung, die tatsächlich gebaut wurde und bis heute erhalten ist. Der Siedlungsname wurde freilich bald getilgt, nachdem Heß 1941 auf eigene Faust nach England flog, um die britische Regierung zu einem Friedensschluss zu bewegen. „Im Volksmund wurde die Siedlung daraufhin Türmer-Siedlung genannt“, erinnert sich der frühere Stadtarchivar Hermann Josef Bausch.

Zur „Stadt des deutschen Sozialismus“ gehörten aber nicht nur neue Wohnsiedlungen, sondern auch der Umbau des Stadtzentrums mit einer monumentalen „Aufmarschachse“ durch die südliche Innenstadt. Schon 1938 wurden Hitlers Chef-Architekten Albert Speer als Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt erste Skizzen vorgelegt, an denen erneut Josef Wentzler mitgearbeitet hatte. Im Laufe der Jahre gab es immer neue Varianten der Umbaupläne, von denen aber viele im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen sind.

Im Stadtarchiv verwahrt und erforscht wird unter anderem einen Entwurf des Stadtplanungsamtes vom September 1939. Er sieht neben dem Stadthaus den Bau einer Stadthalle vor - etwa dort, wo heute das Rathaus am Friedensplatz steht. Von dort führt westlich der heutigen Hainallee (damals Adolf-Hitler-Allee) eine breite, von Neubauten gesäumte Nord-Süd-Achse in Richtung B1. Südlich des Hindenburgdamms sollten, ebenfalls gesäumt von monumentalen Bauten, ein Aufmarschplatz und an dessen Ende - spiegelbildlich zur Westfalenhalle – eine „Gauhalle“ entstehen.
Das Areal westlich des Kaiserhains, auf dem heute der Westfalenpark blüht, sollte ursprünglich eine Wohnsiedlung werden, wie ein weiterer Entwurf der Stadtplaner und auch ein Plan von Hermann Jansen zeigt. Sogar die Straßennamen standen schon fest. Doch die Stadtplaner und Jansen wollten die Fläche nun für andere Zwecke nutzen.

Eingebettet in ein Gebäude-Ensemble, gekrönt von Türmen (doppelt so hoch wie die Reinoldikirche) und der Gauhalle (deutlich größer als die Westfalenhalle), war ein Aufmarschplatz vorgesehen – für 200.000 Menschen, wie es auf dem auf den 26.10.1939 datierten Jansen-Plan heißt. Sogar die Plätze für Tribünen und die Fahnenabordnungen waren schon eingezeichnet.
So detailreich der Entwurf war, so viele Varianten gab es zu den Überlegungen. Auf einem Jansen-Plan vom Februar 1941 war die Gauhalle an die zentrale Stelle der Aufmarschallee gewandert, mit einem dahinterliegenden Aufmarschplatz und eingerahmt von Gebäude-Ensembles für Regierung, Gerichte und Partei. Die Lage der Aufmarsch-Straße verschob sich ebenfalls in den verschiedenen Planentwürfen.

Auch im Stadtzentrum selbst gab es unterschiedliche Überlegungen für eine Neugestaltung. Neben dem Quartier rund ums Stadthaus mit Stadthalle und Aufmarschplatz stand dabei vor allem der Bereich zwischen Kampstraße und Bahnhof im Blickpunkt, der bei Jansen als neues Geschäftsviertel konzipiert war.

Kampstraße/ Brüderweg und Kleppingstraße/Kuckelke sollten zu breiten Schneisen werden – eine Planung, die interessanterweise nach dem Krieg beim Wiederaufbau der zerstörten Innenstadt in die Tat umgesetzt wurde, als die Straßen zu zentralen Verkehrsachsen wurden. Die später propagierte „autogerechte Stadt“ hatten auch die Planer in der NS-Zeit schon im Sinn, etwa auch mit neuen Schnellstraßen durch den Norden der Stadt.

Aber auch die Grünplanung spielte eine große Rolle. Jansen wollte die Trasse der heutigen S-Bahnlinie 4 zum Grünzug machen, mit dem Gelände des Klinikums und des Südbahnhofs als größere Parks. Ein Konzept der Stadtplaner sah außerdem einen großen See im Bereich der Bolmke vor, offenbar durch Aufstauen der Emscher.

Bis auf die ansatzweise Übernahme der Verkehrsplanung und des Baus der Siedlung in Renninghausen wurde von den großangelegten Planungen aus der NS-Zeit nichts umgesetzt. Und das nicht nur wegen des fortschreitenden Krieges, bei dem Dortmund ab Mai 1943 zum Ziel massiver Bombenangriffe wurde.

Grund war vor allem, dass sich die Hoffnungen Dortmunds Hauptstadt des Gau Westfalen-Süd zu werden, nicht erfüllten. Diese Rolle wurde Bochum zugeteilt. Am Ende wurden die Umgestaltungspläne durch zwei persönliche Erlasse Hitlers von 1940 und 1941 gestoppt, wie aus den Erinnerungen von Albert Speer hervorgeht. Dortmund sollte danach bei der Planung der „Führerstädte“ keine Rolle spielen.

Ein einziges repräsentatives Gebäude entstand in der NS-Zeit im Stadtzentrum neu: Das später als „Dortberg-Haus“ bekannte gewordene Verwaltungsgebäude der Gelsenkirchener Bergwerks-AG, das 1937/38 nach Plänen des Kölner Architekten Emil Rudolf Mewes gebaut wurde. Es war ab Ende der 1960er Jahre interessanterweise für lange Zeit Domizil der Dortmunder Stadtplaner, bis es 2004 verkauft wurde und nach langem Leerstand zum Hotel umgebaut wurde. Es steht unter Denkmalschutz.
Schnelle Machtübernahme
Ähnlich schnell wie im Deutschen Reich lief 1933 auch die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Dortmund - verbunden mit der Drangsalierung von politischen Gegnern und der jüdischen Bevölkerung.
- Nachdem die NSDAP bei der Reichstagswahl im November 1932 in Dortmund nur 17,7 Prozent erreicht hatte, waren es bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 27 Prozent, bei der Stadtverordnetenwahl am 12. März 1933 30,2 Prozent.
- Bereits am 17. Februar 1933 übernahm mit Wilhelm Schepmann ein SA-Mann das Amt des Polizeipräsidenten.
- Im März 1933 wurden erste Zeitungen verboten, die KPD aus dem Stadtrat ausgeschlossen und ein Staatskommissar mit großer Machtfülle eingesetzt. Einheiten der SA und der Polizei besetzten das Stadthaus.