
Als die Stadt Dortmund am Donnerstag veröffentlichte, dass Oberbürgermeister Thomas Westphal 2024 rund 115.000 Euro für seine Nebentätigkeiten in zahlreichen Unternehmens- und Stiftungsgremien erhalten hat, kochte in den sozialen Medien schnell der Volkszorn.
Nur ein kurzer Auszug aus den Kommentaren unter dem Artikel auf unserer Facebook-Seite: „Ist doch erstaunlich, dass er noch soviel Zeit nebenbei erübrigen kann, bei all den Problemen der Stadt. Frechheit.“ - „Das ist unsere kaputte Welt. Und sich dann beschweren, wenn die wirklich arbeitenden Leute streiken“ - „Backschisch?“ - „So läuft Politik. Und zwar weltweit.“ - „Ämterpatronage im SPD-verfilzten Ruhrgebiet.“
Über 100.000 Euro nebenbei zu verdienen - das hört sich im ersten Moment tatsächlich unlauter und falsch an. Doch je mehr man sich mit dem Thema befasst, desto weniger will man „Skandal!“ schreien. So geht es mir zumindest. Und zwar aus mehreren Gründen.
1.: Die Ämter sind Teil des Jobs als OB
Alle lukrativen Gremien-Posten, die Westphal bekleidet, hängen an dem Amt des Oberbürgermeisters - egal, ob es der Aufsichtsrats-Sitz bei RWE (über 47.000 Euro im Jahr), der Vorsitz im Stiftungsvorstand der Schüchtermann-Schiller‘schen Familienstiftung (rund 23.000 Euro) oder der Verwaltungsrats-Vorsitz bei der Sparkasse (mit anderen Ämtern rund 10.000 Euro) ist. Sie sind also Teil seines Jobs.
Trotzdem bringen sie Mehrbelastungen für Westphal mit sich. Er muss sich auf Sitzungen vorbereiten, muss die Entwicklung der Unternehmen und Stiftungen verfolgen und kontrollieren, mannigfaltige Gespräche führen. Ob man dafür wie im Fall von RWE unbedingt gleich fast ein durchschnittliches Jahresgehalt eines Deutschen (51.876 Euro brutto im Jahr) bekommen muss, sei mal dahingestellt, zeigt aber zumindest, in welchen Gehalt-Sphären sich Großkonzerne bewegen.
Doch das hat auch einen Vorteil, denn...
2.: Westphal finanziert so einen Teil seines regulären Gehalts selbst
Wegen rechtlicher Bestimmungen fließen mehr als die Hälfte von Westphals Nebeneinkünften - fast 67.000 Euro - in die Dortmunder Stadtkasse. Damit finanziert der OB immerhin etwa ein Drittel seines regulären Jahresgehalts (etwa 180.000 Euro) durch seine Arbeit selbst.
Weitere 7000 Euro spendet er nach Angaben der Stadt an wohltätige Zwecke. Also bleiben von den 115.000 Euro „nur“ noch 41.000 Euro übrig. Immer noch ein Haufen Geld, erst recht, wenn man sich dazu noch Westphals reguläres Gehalt (siehe oben) denkt.
Doch wie so häufig im Leben ist das nur eine Frage der Perspektive. Was uns zu Punkt 3 bringt.
3.: Im Vergleich zu anderen Top-Managern verdient Westphal schlecht
Der Job des Oberbürgermeisters ist ein Knochenjob. Die Tage beginnen oft gegen 8 Uhr und enden nicht selten erst spätabends. Dazu gibt es oft Termine am Wochenende. Und es ist einer mit immenser Verantwortung: Westphal ist als Kopf der Stadtverwaltung Chef von rund 11.000 Mitarbeitern. In der freien Wirtschaft wäre das ein Großunternehmen.
Doch im Vergleich zu Top-Managern in der Privatwirtschaft verdient Westphal nur einen Bruchteil. Da reicht nur ein Blick in die Geschäftsführung des Dortmunder Vorzeigeunternehmens Borussia Dortmund: Dort verdient Hans-Joachim Watzke 2,4 Millionen Euro.
Selbst im Vergleich zu den Chefs der Stadttöchter ist Westphals Verdienst klein: Der Chef der Dortmunder Sparkasse, Dirk Schaufelberger, wurde 2023 mit knapp 800.000 Euro entlohnt, die damalige Chefin von DSW21, Heike Heim, verdiente im gleichen Zeitraum über 400.000 Euro.
Das spart dem Steuerzahler Geld
Daher empfinde ich Westphals Nebenverdienste nicht als Frechheit, sondern sage: „Weiter so!“
Das spart dem Steuerzahler Geld - und wenn dadurch der Oberbürgermeister einen finanziellen Bonus bekommt, der die Lücke zu anderen Top-Managern zumindest ein bisschen schließt, habe ich da kein Problem mit.