Marius Müller-Westernhagen spielte 1989 ein Konzert in Dortmund, das seine Karriere maßgeblich beeinflusste.

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Westernhagen 89: Wie „Freiheit“ in Dortmund unsterblich wurde

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Marius Müller-Westernhagen sang 1989 in Dortmund von „Freiheit“. Ein Moment, der seinen Platz in der deutschen Geschichte hat. Ein Dortmunder Promi erinnert sich an den legendären Abend.

Dortmund

, 02.11.2022, 11:21 Uhr / Lesedauer: 2 min

Wenn Sie in einer Minute drei Songs nennen müssten, die sie mit der Zeit des Mauerfalls und der deutschen Wiedervereinigung verbinden, welche wären das? „Wind of Change“ von den Scorpions dürfte wohl den meisten zuerst einfallen. David Haselhoffs „I’ve Been Looking For Freedom“ kurz danach.

Dann kommt schon ein Lied, das eigentlich gar nichts mit der Wende zu tun hat, aber perfekt dazu passt. „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen. Die Aufnahme auf einem Konzert in Dortmund hat das Lied unsterblich gemacht.

Text über die französische Revolution passt in politische Geschehen in Deutschland

Am 20. Dezember 1989 steht Marius Müller-Westernhagen auf der Bühne der Westfalenhalle und stimmt das 1987 erstmals veröffentlichte Lied an, dessen Text sich laut dem Künstler eigentlich auf die französische Revolution bezieht.

Weil das Konzert aufgezeichnet und später als Live-Doppelalbum veröffentlicht wird, ist ein Gänsehaut-Moment von besonderer Qualität festgehalten worden.

Das mag man pathostriefend finden. Aber es ist zugleich einer dieser kollektiven Momente, wegen derer die Menschen Konzerte so lieben.

Dortmunder Heiko Wasser erinnert sich an das Konzert

„Es war großartig“, sagt der Dortmunder Heiko Wasser, der 1989 bei dem Konzert war. Der Journalist, 30 Jahre lang für RTL als Moderator bei Formel-1-Rennen regelmäßig auf dem TV-Schirm, liebt Konzerte und hat Unzählige besucht. „Das war bis heute das eindrucksvollste“, sagt er.

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Die Halle ist zum Bersten voll. An der Decke sammelt sich das Kondenswasser des schwitzenden Publikums. Was sogar das Bierholen gefährlich macht, wie Heiko Wasser selbst erlebt, als er auf dem Weg nach draußen ausrutscht. Ärgerlich, gilt es doch an diesem Abend möglichst wenig von der Musik auf der Bühne zu verpassen.

„Freiheit“ ist das vorletzte Lied des rund zweistündigen Konzerts. Westernhagen singt die erst sanfte und dann sich steigernde Ballade mit Piano-Begleitung. Dazu der Text, der so gut zur Weltlage passt, in der die Mauer gerade gefallen ist und auch in West-Deutschland viel über „Freiheit“ geredet wird.

Kollektiver Gänsehaut-Moment, als 20.000 mitsingen

„Alle die von Freiheit träumen, sollten’s Feiern nicht versäumen“, singt Westernhagen und ruft dann dazwischen „So wie wir heute Abend hier“. 20.000 jubeln, jauchzen und singen mit.

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„Jedes Mal, wenn ich das Lied höre, horche ich rein, weil ich mein‘, dass ich doch eigentlich zu hören sein müsste“, sagt Heiko Wasser lachend. Er studiert damals an der Ruhr-Universität Bochum, arbeitet als Animateur und DJ.

„Jedes Konzert in dieser Zeit war auch so eine Art Fortbildung, um zu sehen, was die anderen so machen.“

Am 20. Dezember 1989 stand Heiko Wasser (l.) beim Konzert von Marius Müller-Westernhagen als Fan vor der Bühne. In seinem Job als Formel-1-Reporter für RTL ist er ihm danach mehrmals begegnet.

Am 20. Dezember 1989 stand Heiko Wasser (l.) beim Konzert von Marius Müller-Westernhagen als Fan vor der Bühne. In seinem Job als Formel-1-Reporter für RTL ist er ihm danach mehrmals begegnet. © Heiko Wasser

Westernhagen, damals Anfang 40, trägt einen hellen Hut und eine Lederweste über freiem Oberkörper, er dirigiert die Emotionen an diesem Abend.

Das Publikum bejubelt minutenlange Blues-Licks, klatscht zum Reggae -Beat von „Halleluja“, feiert das damals umstrittene „Dicke“ frenetisch und ehrt den Alkohol bei „Johnny W.“.

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Nach der Ode an die Whiskey-Marke erklingen „Zugabe, Zugabe“-Rufe in Stadion-Lautstärke durch die Westfalenhalle – doch die Band hat ihr Letztes gegeben und bleibt hinter der Bühne.

Live-Album aus Dortmund landet auf Platz 1 der Charts

Das Live-Album erscheint im September 1990. Es schießt auf Platz 1 der deutschen Charts – was für eine Live-Aufnahme ungewöhnlich ist. Es ist ein Beleg dafür, dass Westernhagens bis dahin wechselhafte Karriere in dieser Zeit steil nach oben steigt.

„Freiheit“ wird einen Monat später – pünktlich zur offiziellen Wiedervereinigung Deutschlands – als Single ausgekoppelt.

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An Wiedervereinigungs-Patriotismus hat Westernhagen allerdings kein Interesse. Er lehnt viele Angebote ab, auf Feiern zur Wiedervereinigung aufzutreten, und spielt den Song bis 2016 auch nicht mehr live.

Dieser Text erschien ursprünglich am 21.1.2021 und wurde aus aktuellem Anlass noch einmal veröffentlicht.

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  • Konzerte sind auf einmal eine Sache aus der Vergangenheit. Zumindest in der Form, wie man über Jahrzehnte das Gegenüber von Künstler und Publikum definiert hat, kommen sie so schnell nicht wieder.
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