Das Mehrfamilienhaus am Harpener Hellweg in Lütgendortmund ist etwas in die Jahre gekommen. Hier braucht es neue Türen und Zargen, dort neue Fenster. Auch ein Fassadenanstrich würde sicherlich gut tun. „Das Haus ist von 1985 und fängt jetzt an, renovierungsbedürftig zu werden“, sagt Axel Blumenstein.
Bereits Ende 2021 spielte der 67-Jährige mit dem Gedanken, das Sechs-Parteien-Haus zu verkaufen und ließ es bewerten. Ergebnis: 800.000 Euro. Kurz nachdem er das hatte feststellen lassen, kamen der Krieg in der Ukraine, Energiekrise und Zinsanstieg. „Als ich dann im August 2022 den Verkaufsauftrag erteilt habe, sind wir bei 790.000 Euro angefangen. Es tat sich kaum etwas. Jetzt sind wir bei unter 700.000 Euro“, sagt Axel Blumenstein.
Der von gut einem Prozent auf jetzt über 4 Prozent gestiegene Bauzins (für zehn Jahre) und die Unsicherheiten rund um das kommende Heizungsgesetz dämpfen gerade die Nachfrage. „Der Preisverfall ist enorm. Das hätte ich mir vor zwei Jahren nicht träumen lassen“, so Eigentümer Axel Blumenstein.
Genaue Berechnungen
Schnell, das weiß er auch, kommt allerdings für den Käufer eine sechsstellige Summe für die energetische Sanierung des Wohnhauses zusammen. Auch, wenn die 2014 installierte Gasheizung es noch einige Jahre tun sollte, irgendwann wird sie im Zuge der Wärmewende ersetzt werden müssen - plus Dach- und Fassadendämmung und Fensteraustausch.
„Anders als vor zwei Jahren, als wir noch keine Energiekrise kannten, mindern solche Sanierungsmaßnahmen jetzt den Kaufpreis. Bei einem solchen Anlageobjekt kommen Kaufinteressierte, die genaue Wirtschaftlichkeitsberechnungen durchführen. Beim Einfamilienhaus zur Selbstnutzung ist das anders: da entscheidet man mehr nach Emotion als anhand von Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Weshalb die Preise hier nicht so nachgeben und Käufer eher Gefahr laufen, zu viel zu bezahlen“, sagt Holger Fuchs, Immobilienkaufmann von Haus & Grund.

Dass aber auch bei einem Einfamilienhaus längst nicht mehr der Preis zu erzielen ist, der noch vor zwei Jahren erzielt worden wäre, berichtet Maklerin Angelika Heubel-Christ aus Brechten: „Gerade habe ich ein Objekt in der Vermarktung, das vor zwei Jahren noch bei einem Angebotspreis von 770.000 Euro gelegen hätte. Jetzt biete ich es für 550.000 Euro an. Die Einwertung ist eben anders geworden, weil das Haus nicht gedämmt ist, alte Fenster und eine Öl-Heizung hat. Und auch, weil die Zinsen um das Vierfache gestiegen sind.“
Ein Schnäppchen sei die Immobilie damit jetzt nicht. Der Sanierungsbedarf mit der in den nächsten Jahren nötigen Umrüstung von einem fossilen Energieträger auf ein CO2-freies oder CO2-armes Heizungssystem sei ja da und müsse auch mit den erhöhten Zinsen finanziert werden.
Mit dem Preis runter
Auch der Einfamilienhausbesitzer in Brechten musste also mit dem Preis runter, denn angesichts der gestiegenen Zinsen können sich Familien den Preis von 2021 einfach nicht leisten. Die Situation hat sich in den vergangenen zwei Jahren dramatisch verschlechtert.

Im ersten Halbjahr 2018 genügten in Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt 22,4 Prozent des Einkommens für die Finanzierung einer Eigentumsimmobilie, im zweiten Halbjahr 2021 war der Anteil auf 26,6 Prozent gestiegen und im ersten Halbjahr 2023 lag der Anteil des aufzuwendenden Einkommens bei 34,9 Prozent. So weist es eine NRW-Studie des Bundesverbandes Freier Immobilien -und Wohnungsunternehmer (BFW) aus.

Der schnelle Anstieg der Fremdfinanzierungszinsen bedeutet, dass nun deutlich höhere finanzielle Anforderungen an private Haushalte beim Erwerb einer selbst genutzten Immobilie gestellt werden als es in der Niedrigzinsphase der zweiten Hälfte der 2010er-Jahre bis zum Beginn der 2020er-Jahre üblich war. Sprich: ohne gutes Eigenkapital ist die monatliche Belastung für Zins und Tilgung heute für viele nicht zu stemmen.
Studie: „Nicht erschwinglich“
„In Nordrhein-Westfalen hat sich der Teil der Gemeinden, in denen Wohneigentum erschwinglich ist, auf weniger als die Hälfte reduziert. Der Großteil der Bevölkerung wohnt damit in Gemeinden, in denen es für eine Familie nicht mehr möglich ist, bedarfsgerechtes Wohneigentum zu erwerben“, sagt Dirk Salewski, BFW-Bundesvorsitzender und geschäftsführender Gesellschafter der in Bergkamen ansässigen und unter anderem in Dortmund tätigen beta-Gruppe. Dies sei vor allem mit Blick auf die Vermögensbildung der Bevölkerung und einen Ruhestand in den eigenen vier Wänden eine echte Katastrophe.
Die im Auftrag des BFW vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln erstellte Studie untersuchte konkret für Städte und Gemeinden in NRW den Einfluss gestiegener Zinsen auf die Erschwinglichkeit von selbst genutzten Wohnimmobilien für Familien mit zwei Kindern mit durchschnittlichem Haushaltseinkommen und einer Eigenkapitalquote von 20 Prozent. Die Erschwinglichkeitsgrenze wurde bei 30 Prozent des Nettoeinkommens für die Darlehenstilgung gesetzt.
Und bei dieser Betrachtung kommt die Studie zu dem Schluss, dass der Wohnungserwerb in Dortmund nicht erschwinglich ist. Erschwinglich würde er aber mit etwas staatlicher Unterstützung, so der Immobilienökonom am Institut der Deutschen Wirtschaft, Pekka Sagner. Eine der folgenden beiden Maßnahmen könne die Finanzierbarkeit von Wohneigentum in Dortmund deutlich erleichtern:
- Ein Nachrangdarlehen bis zu einer Kreditsumme von 150.000 Euro und einem Zins von zwei Prozent.
- Eine Reduktion der Grunderwerbsteuer von 6,5 auf 0,5 Prozent.
„Ein toxischer Mix“
„Die Studie hat recht“, stellt Karsten Koch, Geschäftsführer beim Bauträger Markus-Bau in Bochum und BFW-Sprecher für die Region Ruhr, fest. „Selbst gut Situierte“, ergänzt er, „können sich Eigentum fast nicht mehr leisten.“ Karsten Koch spricht von einem „toxischen Mix“ aus immer höheren Anforderungen an Immobilien (Energieeffizienz), Inflation, Zinsanstieg und steigenden Baukosten.
BFW-Landesgeschäftsführerin Elisabeth Gendziorra bringt es auf den Punkt: „Die aktuelle Situation zeigt, dass das eigene Haus in vielen Städten nur für Menschen mit überdurchschnittlichem Einkommen oder deutlich höherem Eigenkapital finanzierbar ist – der Rest bleibt außen vor.“
Sowohl die beiden eingangs angeführten Beispiele eines Mehrfamilienhauses in Lütgendortmund und eines Einfamilienhauses in Brechten als auch das Ergebnis der BFW-Studie zeigen, dass die Preise in Dortmund vor dem Hintergrund von Wärmewende und Zinsanstieg zwar gesunken, aber dennoch alles andere als auf Schnäppchenniveau sind. „So richtig sondiert hat sich der Markt in Dortmund noch nicht“, bestätigt denn auch Jan Nöthe, Leiter der Abteilung Baufinanzierung bei der Dortmunder Volksbank. Er meint damit, dass die Immobilienpreise trotz höherer energetischer Anforderungen, Baukosten- und Zinssteigerungen immer noch ziemlich stabil geblieben sind.

„Die Immobilie kann nichts dazu, dass sie nach wie vor einen bestimmten Wert hat. Aber wir müssen dem Kunden sagen: Du kannst dir nur ein Volumen von X Euro leisten“, so Jan Nöthe. Man lege als Bank größtes Augenmerk auf die anfallenden Sanierungsmaßnahmen und berücksichtige diese bei der Finanzplanung. „Selbst 100.000 Euro Eigenkapital reichen heute mitunter nicht mehr aus für den Erwerb eines Einfamilienhauses“, sagt Jan Nöthe.
Mehr Eigenkapital nötig
Luigi Pellecchia, Bereichsleiter Immobilien-Center bei der Sparkasse Dortmund, erklärt ebenfalls, dass sich im Krisenjahr 2022 die Koordinaten am Immobilienmarkt kräftig verschoben haben. „In der Niedrigzinsphase konnten sich viele Immobilieninteressierte selbst eine 110-Prozent-Finanzierung - also Kaufpreis plus Nebenerwerbskosten - leisten. Heute können sich viele die monatlichen Raten bei einer solchen Finanzierung längst nicht mehr leisten“, sagt er. Und auch er bestätigt, dass sich die Preise noch nicht der Zins- und Wärmewende angepasst haben.
„Die Werthaltigkeit einer Immobilie haben wir uns auch schon früher angeschaut. Aber jetzt gucken wir noch genauer auf den energetischen Zustand. Und es kommt vor, dass Immobilien gemessen an ihrem energetischen Zustand schlussendlich für viele nicht erschwinglich sind. Wer zum mehr oder weniger stabil gebliebenen Kaufpreis jetzt mit höheren Zinsen und höheren monatlichen Lebenshaltungskosten rechnen muss und in den kommenden Jahren vielleicht 50.000 bis 80.000 Euro in eine energetische Sanierung stecken muss, der benötigt heute mehr Eigenkapital als vor zwei Jahren“, so der Sparkassen-Experte.
Und Luigi Pellechia nennt ein paar Zahlen: „Wer vor 18 Monaten 1200 Euro monatlich für die Finanzierung aufbringen konnte, konnte sich eine Immobilie für 360.000 Euro leisten. Die Summe reicht heute für eine 240.000 Euro teure Immobilie.“
„Eher eine Kaufpreisdelle“
Der Eigentümerverband Haus & Grund Dortmund ist ebenfalls eher skeptisch, was Schnäppchen auf dem heimischen Immobilienmarkt angeht: „Grundsätzlich kann man sagen, dass es sicher keinen generellen Preisverfall in der Krisensituation gegeben hat. Immobilien mit einem durchschnittlichen Erhaltungszustand in guten oder mittleren Lagen haben im Durchschnitt 10 bis 20 Prozent an Wert eingebüßt. Man kann hier also eher von einer Kaufpreisdelle reden“, sagt Hauptgeschäftsführer Dr. Thomas Bach.
Lediglich bei Immobilien in einem schlechten Zustand und dazu noch in schlechter Lage sei es zu höheren Preisabschlägen, die im Einzelfall auch schon einmal bei bis zu 30 Prozent oder mehr liegen können, gekommen.
„In den Fällen, in denen Gebäude kernsaniert werden müssen und dies schon bei der ersten Besichtigung, beziehungsweise nach Sichtung der Kaufunterlagen, offensichtlich ist, würden wir, wie wir dies in der Vergangenheit auch schon gemacht haben, immer empfehlen, vor dem Kauf einen Gutachter hinzuzuziehen. Bei dem Gutachter sollte es sich um einen Ingenieur oder um einen Architekten, der gleichzeitig auch Energieberater ist, handeln“, rät Thomas Bach.

„Wenn man selbst feststellt, dass nur einzelne Bereiche im Haus, welche für die Substanz insgesamt nicht ausschlaggebend sind, saniert werden müssen“, so Bach weiter, „kann es aus unserer Sicht ausreichend sein, wenn man die entsprechenden Fachhandwerker hinzuzieht.“
Vor dem Hintergrund, dass die Anforderungen an Immobilien steigen und es immer wieder neue Zuschüsse und Förderprogramme gibt, sei bei größerem Sanierungsbedarf aber die Expertise eines Energieberaters einfach hilfreich.
Und wenn es sanierungsbedürftige Schnäppchen in Dortmund gebe, sagt Dr. Thomas Bach, dann würden die sich allenfalls für handwerklich begabte Käufer lohnen, die viel selbst machen können oder geeignete Fachleute an der Hand haben.
Ausreichend Grundstücke in Dortmund: Doch bauen bald nur noch Reiche, Herr Donschen?
Kommunale Wärmeplanung bis 2028: Wo Dortmund gerade steht - und warum Eigentümer skeptisch sind
Gericht versteigert Wohnung in Dortmund für unter 80.000 Euro: Haus liegt im Hafenviertel