Wenn Karstadt in Dortmund schließt Drei Beispiele, was aus leeren Kaufhäusern werden kann

Wenn Karstadt in Dortmund schließt: Drei Beispiele, was aus leeren Kaufhäusern werden kann
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Seit der Schließung des Horten-Kaufhauses war nur das Westfalenforum ein Klotz am Bein der Innenstadt. Der weitgehend leer stehende Bau ist ein Problemfall. Mal ist ein Abriss geplant, mal auch wieder nicht. Und was mit dem ehemaligen Kaufhof-Gebäude am Westenhellweg, das im Moment im Erdgeschoss von Sinn zwischengenutzt wird, passiert, ist ebenfalls noch offen. Sinn jedenfalls wird sich zurückziehen.

Eine Machbarkeitsstudie läuft - seit Jahren. Im nächsten Jahr könnte, wenn Karstadt in Dortmund wirklich schließt, das nächste große, verwaiste Kaufhaus in den Dornröschenschlaf gehen. Im Ruhrgebiet gibt es aber gute Beispiele dafür, was aus leeren Kaufhäusern werden kann.

Schauen wir in die Nachbarschaft: Sowohl die „Neuen Höfe Herne“, das frühere Hertie-Haus am Markt in Lünen als auch das „Marktquartier“ in Recklinghausen sind heute Erfolgsmodelle und könnten eine Lösung zeigen, für das, was auch in Dortmund zunehmend zum Problem wird: die neue Nutzung leer stehender Bauten einer untergegangenen Kaufhaus-Ära.

Vom Himmel gefallen sind die Lösungen in allen drei Städten allerdings nicht. Jahrelang dümpelten die Immobilien vor sich hin, waren Schandflecke mitten in der City. Zusammen kommen sie auf über 20 Jahre Leerstand.

Bis also aus einem wirklich endgültig aufgegebenen Karstadt-Kaufhaus in Dortmund etwas Neues werden würde, bräuchte es dann auf jeden Fall Geduld. Vom Geld mal ganz abgesehen.

Über zehn Jahre Leerstand

„In der Regel werden in der Nachnutzung unterschiedliche Nutzungen miteinander kombiniert. Die Kuratierung des Nutzungsmixes braucht ihre Zeit und der Umbau der Immobilien erfordert erhebliche Investitionen“, sagt die Dortmunder Raumplanerin Nina Hangebruch.

Sie hat 260 aufgegebene Kaufhaus-Standorte untersucht und geguckt, was aus ihnen geworden ist. Ergebnis: Fast jedes fünfte aufgegebene Kaufhaus stand mehr als zehn Jahre leer.

Wenn Karstadt in Dortmund schließen sollte, ist für die Wissenschaftlerin, die an der TU und am Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung arbeitet, eine Nachnutzung des Warenhaus-Standorts „keine Frage des ob, sondern eine Frage des wann.“

Es kommt heute niemand mehr in den zweiten oder dritten Stock, um etwas zu kaufen. Der Einkauf muss bequem sein, ist er im Internet ja auch. Und beliebt ist die Shopping-Vielfalt, nicht der große Konsumtempel. Der Sportartikel-Hersteller Adidas beispielsweise verkauft Schuhe und Bekleidung heute selbst online und über spezialisierte Sportgeschäfte. Der Absatz über Kaufhäuser spielt längst eine geringere Rolle. Die Institution Kaufhaus ist ein Auslaufmodell.

Kurzum: Der Handel ist im Wandel. Wohin das führen kann, kann man in Herne sehen. 2007 wurde dort aus Karstadt Hertie, 2009 schloss Hertie, es dauerte bis 2021, ehe das alte Warenhaus revitalisiert war.

Das Konzept: Mischnutzung. Nach jahrelangem Leerstand beleben heute vollvermietete Büros, ein Fitnessstudio, Ladenlokale, Dienstleistungsangebote und eine Gastronomie mit Außenterrasse die Herner City. Die unter Denkmalschutz stehende Front des Gebäudekomplexes wurde, so wie das auch in Dortmund bei Karstadt nötig wäre, erhalten, und durch große Glasfronten und einen offenen Lichthof wurde ein zeitgemäßes Gebäude geschaffen.

Die Neuen Höfe in Herne: 2009 schloss hier Hertie und es dauerte bis 2021 ehe das alte Warenhaus revitalisiert war. Nach jahrelangem Leerstand beleben heute vollvermietete Büros, ein Fitnessstudio, Ladenlokale, Dienstleistungsangebote und eine Gastronomie mit Außenterrasse die Herner City.
Die Neuen Höfe in Herne: 2009 schloss hier Hertie und es dauerte bis 2021 ehe das alte Warenhaus revitalisiert war. Nach jahrelangem Leerstand beleben heute vollvermietete Büros, ein Fitnessstudio, Ladenlokale, Dienstleistungsangebote und eine Gastronomie mit Außenterrasse die Herner City. © Luftbild Blossey

Jahrelanger Leerstand in Lünen

Ähnlich verlief die Geschichte in Lünen. 40 Jahre gab es Hertie in Lünen. Hertie und Lünen, das war eins. Bis Hertie auch dort 2009 dicht gemacht wurde. 14 Jahre ist das her. 9000 Quadratmeter Verkaufsfläche standen in dem Riesenbau am Markt plötzlich leer - und die Stadt stand vor der Aufgabe, den leer stehenden Betonklotz neu zu beleben. Es gelang, aber es dauerte - gut sieben Jahre. Heute ist das ehemalige Hertie-Haus ein Vorzeigeprojekt und ein Imagegewinn für Lünen.

„Eine enorme Herausforderung“

„Wir haben seinerzeit die Gebäudesubstanz geprüft, die Immobilie 2013 gekauft und nur ein Skelett erhalten. Ein so großes Warenhaus neu und attraktiv zu gestalten, ist auf jeden Fall eine enorme Herausforderung“, sagt Andreas Zaremba, Geschäftsführer des Bauvereins zu Lünen.

Andreas Zaremba, Vorstandsvorsitzender des Bauvereins zu Lünen, sieht Wohnen als eine mögliche neue Nutzungsform für alte Kaufhaus-Standorte. „Wir haben gesehen, dass Wohnen in der Innenstadt immer attraktiver wird“, sagt er.
Andreas Zaremba, Vorstandsvorsitzender des Bauvereins zu Lünen, sieht Wohnen als eine mögliche neue Nutzungsform für alte Kaufhaus-Standorte. „Wir haben gesehen, dass Wohnen in der Innenstadt immer attraktiver wird“, sagt er. © Bauverein zu Lünen

Mit dem alten Kaufhaus hat die Immobilie heute kaum noch etwas zu tun. „Wir haben gesehen, dass Wohnen in der Innenstadt immer attraktiver wurde. Deshalb hatten wir erst gewerbliche Einheiten im Erdgeschoss und darüber komplett Wohnungen geplant. Dann haben wir aber gemerkt, dass auch Ärzte gerne in die City kommen“, so Zaremba.

Rund 14 Millionen Euro investierte der Bauverein. Seit 2016 sind einige kleine Einzelhandelsgeschäfte, Gastronomie, Arztpraxen auf 1000 Quadratmetern und 20 Mietwohnungen in dem völlig neu gestalteten Komplex zu finden.

Aus dem ehemaligen Hertie-Kaufhaus ist in Lünen ein moderner Komplex mit einem Mix aus Gastronomie, Handel, Arztpraxen und Wohnungen geworden. Das Projekt wurde inzwischen mehrfach ausgezeichnet.
Aus dem ehemaligen Hertie-Kaufhaus ist in Lünen ein moderner Komplex mit einem Mix aus Gastronomie, Handel, Arztpraxen und Wohnungen geworden. Das Projekt wurde inzwischen mehrfach ausgezeichnet. © Bauverein

Mischnutzung auch in Recklinghausen: Die AIP-Unternehmensgruppe spricht von einem Mixed-Use-Konzept, das sie nach Analyse der Bedürfnisse der Stadt entwickelte und das innerhalb eines Jahres in den Bebauungsplan überführt wurde. Das Ensemble aus ehemaligem Warenhaus und Karstadt-Bettenhaus wurde zum Marktquartier Recklinghausen.

So soll das umgebaute Karstadt-Kaufhaus in Recklinghausen aussehen, wenn es im Laufe dieses Jahres endgültig fertig ist.
So soll das umgebaute Karstadt-Kaufhaus in Recklinghausen aussehen, wenn es im Laufe dieses Jahres endgültig fertig ist. © Skizze AIP

2016 schloss Karstadt in Recklinghausen. Gerd Rainer Scholze, geschäftsführender Gesellschafter der AIP-Unternehmensgruppe aus Düsseldorf, verguckte sich schließlich während eines Sonntagsspaziergangs im Februar 2017 in der ihm bis dahin unbekannten Kreisstadt in das Karstadt-Gebäude und fasste den Entschluss: „Das muss erhalten werden.“

Hoher Identifikationswert

Es war klar, dass für diese Stadtreparatur das Gebäude aufgeschnitten und ein Atrium geschaffen werden muss, um für eine kleinteilige Nutzung Licht in den Komplex zu bringen. Gleichzeitig sollte nach außen die bestehende Gebäudestruktur nicht verändert werden, um den hohen Identifikationswert im Stadtbild zu erhalten.

Die ersten Bagger rückten im Juli 2019 an. Geplant wurden neben einem Hotel und Gastronomie-Betrieben vor allem (Senioren-)Wohnungen, eine Apotheke, eine große Zahnarztpraxis, eine Kindertagesstätte, Büroräume und ein begrünter Innenhof.

Aus der Vogelperspektive sieht man, wie das Karstadt-Warenhaus in Recklinghausen in der Mitte aufgeschnitten wurde, um einen Lichthof für die heutige Mischnutzung zu schaffen.
Aus der Vogelperspektive sieht man, wie das Karstadt-Warenhaus in Recklinghausen in der Mitte aufgeschnitten wurde, um einen Lichthof für die heutige Mischnutzung zu schaffen. © Jörg Gutzeit

An großen Teilen des Gebäudes wird aktuell immer noch gebaut. Einiges ist aber fertig, der Innenhof ebenso wie die ersten Geschosse mit Seniorenwohnungen. Auch das Hotel Holiday Inn Express, der Aldi-Markt und zuletzt das Extrablatt haben bereits im Markt-Quartier eröffnet.

Für Bürgermeister Christoph Tesche ist es „wie ein Sechser im Lotto, dass ein finanzkräftiger, professioneller und zielstrebiger Investor dieses Projekt in Angriff genommen hat.“ Ähnlich wie Andreas Zaremba in Lünen sagt auch er: „Vor allem wird dem Trend Rechnung getragen, dass die Menschen wieder verstärkt in der Stadt wohnen wollen.“ Die Entwicklung von Karstadt zum Marktquartier habe schon Folgeinvestitionen im Umfeld nach sich gezogen, Standorte in der City seien plötzlich sehr gefragt.

Was früher Karstadt war, wird heute in Recklinghausen nach einem aufwendigen Umbau ganz neu genutzt. Im einstigen Warenhaus und dem Bettenhaus sind jetzt Seniorenwohnungen, ein Supermarkt, Gastronomie, Büros, eine Apotheke, ein Zahnarzt, eine Kita und ein Hotel.
Was früher Karstadt war, wird heute in Recklinghausen nach einem aufwendigen Umbau ganz neu genutzt. Im einstigen Warenhaus und dem Bettenhaus sind jetzt Seniorenwohnungen, ein Supermarkt, Gastronomie, Büros, eine Apotheke, ein Zahnarzt, eine Kita und ein Hotel. © Skizze AIP

Investor Gerd Rainer Scholze wundert das nicht. „Es gibt viele Möglichkeiten Warenhäusern in Innenstädten neue Funktionen zuzuordnen. Mit der Revitalisierung dieser oftmals repräsentativen, historischen Bauten können gesamte Innenstädte an Attraktivität gewinnen“, sagt er und ergänzt: „Die Herausforderungen auf baulicher, technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Ebene sind nicht zu unterschätzen, sie bieten jedoch auch eine enorme Chance einen positiven Mehrwert für die Stadt und die Bevölkerung zu erzielen und somit den Weg in Richtung der durchmischten ‚Stadt der kurzen Wege‘ einzuschlagen.“

So sah das Karstadt-Technikhaus am Platz von Leeds in Dortmund aus. Es wurde 2009 geschlossen und später komplett abgerissen. Neu entstanden ist dort das Basecamp mit Studentenwohnungen und Hotelzimmern.
So sah das Karstadt-Technikhaus am Platz von Leeds aus. Es wurde 2009 geschlossen und später komplett abgerissen. Neu entstanden ist dort das Basecamp mit Studentenwohnungen und Hotelzimmern. © Archiv

Dortmund hat da noch einen langen Weg vor sich. Nur am Platz von Leeds ist die Neunutzung eines aufgegebenen Kaufhaus-Standorts bereits gelungen. Statt des Karstadt-Technikhauses steht dort das Basecamp mit Studentenwohnungen, Hotelzimmern, Gastronomie und einem Supermarkt.

Für den ehemaligen Kaufhof, das Westfalenforum und früher oder später wohl auch für das Karstadt-Haus braucht es noch Nutzungskonzepte. Die Wissenschaftlerin Nina Hangebruch betont die Chancen, die der Wandel im Handel biete: „Mir persönlich gefällt die Vorstellung sehr gut, dass unsere Innenstadtzentren wieder mehr werden können, als reine Konsumorte.“

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