
© Volker Kruck
Das Sacré Coeur: Wenn das Wasser von der Decke tropfte
Legenden des Dortmunder Nachtlebens
Das Sacré Coeur in Dortmund-Husen war in den 80er- und 90er-Jahren eine beliebte Adresse für Nachtschwärmer weit über Dortmund hinaus. Bei Rockmusik, Gothic und Wave sah man oft die sprichwörtliche Hand vor Augen nicht. Auch eine Anlage aus der Landwirtschaft war im Einsatz.
In einer Serie über die Legenden des Dortmunder Nachtlebens darf das Sacré Coeur nicht fehlen. Dort tropfte in den 80er- und 90er-Jahren in heißen Nächten das Wasser von der Decke und man vor lauter Rauch die sprichwörtliche Hand vor Augen nicht sehen konnte.
Einer, der ganz eng mit dem Sacré Couer an der Husener Straße 54 im äußersten Dortmunder Nordosten in Verbindung stand, ist der Syburger Peter Voss (61). Er betrieb das Coeur von 1986 bis 2004 und sagt heute über diese 18 Jahre: „Es war eine schöne Zeit, und – ganz ehrlich – ich trauere ihr ein bisschen hinterher.“
Schwieriger Start vorm Verwaltungsgericht
Dabei war es Mitte der 80er-Jahre gar nicht so einfach, für einen Laden eine Konzession zu bekommen, der vorher „Paint House“ hieß und bei der Stadt Dortmund einen äußerst schlechten Ruf genoss. Das Gebäude gibt es schließlich schon seit 1878, und nicht immer ging es dort top-seriös zu.
Voss: „Da gab‘s mal sehr leicht bekleidete Damen und auch Drogenhändler, die den Stoff verkauften, den sie sich vorher in Holland besorgt hatten. Darauf hatte die Stadt schlicht keinen Bock mehr.“ Es sei enorm schwer gewesen, die Stadt davon zu überzeugen, dass er und sein damaliger Geschäftspartner, Johannes Böcker, mit dieser Vergangenheit nichts am Hut hatten. Er habe bis vors Verwaltungsgericht ziehen müssen.
Beliebt im gesamten Umland
Doch dann – 1986 – ging‘s tatsächlich los, und das Sacré Coeur erfreute sich schnell einer Beliebtheit, die weit über Dortmund hinausreichte. „Wir hatten Autokennzeichen aus Münster, dem Hochsauerlandkreis, Essen, Soest und Bielefeld auf dem Parkplatz, sagt Voss.
Dicht vernebelt
Meist füllte sich der Laden erst gegen 23 Uhr, dann ging‘s bei Rockmusik oder in Gothic- und Wave-Nächten oft richtig ab. Und weil damals das Rauchen in den Gaststätten noch erlaubt war, war meist alles dicht vernebelt: Er habe sich immer gewundert, sagt Voss, wenn die Leute mit den Worten „Boah, ist da ne Luft drin“ vor die Tür traten, um sich dann als erstes eine Zigarette anzuzünden.
Kühlanlage aus der Landwirtschaft
Auch das Gerücht mit den Tropfen von der Decke stimme. Das liege an der Kühlanlage, die er aus der Landwirtschaft besorgt habe und die entweder 300 Schweine oder 150 Kühe hätte kühlen können – oder eben eine Disco. Die Anlage lief wie ein Schlauch durch den Tanzsaal, und wenn dort richtig geschwitzt wurde, bildete sich eben Kondenswasser an der Kühlanlage, das dann heruntertropfte.
Auch Abende mit Live-Bands gab‘s: Honigdieb, Albie Donnelly, die Komm mit Mann!s oder die Peewee Bluesgang sind im Sacré Coeur aufgetreten. Dann sei der Abend zweigeteilt gewesen, sagt Voss. Erst das Konzert, dann eine Stunde gähnende Leere, bevor die normalen Wochenendgäste kamen.
Das war nicht immer so: An einigen Veranstaltungstagen war der Bühnenabbau schwer, weil die Wochenendkundschaft früher kam oder weil Zugaben den Umbau verzögert hatten. Natürlich habe es auch mal Streitereien unter den Gästen gegeben, sodass die Polizei kommen musste, aber nach Voss‘ Gefühl eher weniger als in vergleichbaren Einrichtungen.
Strengere Brandschutzbestimmungen
Im Jahr 2004 hat Voss, der damals noch keine 50 war, das Sacré Coeur verkauft. Zum einen seien es immer kompliziertere Bestimmungen - zum Beispiel zum Brandschutz - gewesen, die große Investitionen bedeutet hätten. Zum anderen hätten ihn immer mehr Gäste gesiezt. Man dürfe auch nicht unterschätzen, wie kräftezehrend solche Nachtschichten sein können.
Zwar habe er immer genügend Personal gehabt, sodass er selbst sich nur um die Verwaltung habe kümmern müssen, aber ein solcher Laden laufe eben nur dann gut, wenn man selbst größtenteils vor Ort sei. „Und wenn Sie den Laden wegen des Brandschutzes umrüsten, ist es auch der Nichtverdienst in dieser Zeit, der am Geldbeutel zerrt.“
Ein neuer Job
Nach seiner Coeur-Zeit hat sich Peter Voss noch einmal selbstständig gemacht und verkauft seither technische Produkte. Das sei doch sehr anders als seine Tätigkeit in Husen.
Aber immerhin habe er durchaus noch Kontakte aus der Zeit von damals. Vor allem natürlich zu ehemaligen Mitarbeitern, aber auch zu ehemaligen Gästen. Manchmal werde er sogar auf der Straße erkannt und auf das Sacré Coeur angesprochen. Voss‘ ehemaliger Geschäftspartner Johannes Böcker ist heute für ein Montageunternehmen tätig. Er ist viel im Ausland.
Haus wird saniert
Der heutige Besitzer des Gebäudes, Alexander König, ist gerade dabei, das denkmalgeschützte Haus gründlich zu sanieren. Es ist eingerüstet. Ins Erdgeschoss zieht eine Gastronomie ein, in die erste Etage eine Firma.
Ich fahre täglich durch den Dortmunder Nordosten und besuche Menschen, die etwas Interessantes zu erzählen haben. Ich bin seit 1991 bei den RN. Vorher habe ich Publizistik, Germanistik und Politik studiert. Ich bin verheiratet und habe drei Töchter.
