Nach der Staatsanwaltschaft haben nun auch die Nebenklage und die Verteidigung die Schlussvorträge im Mouhamed-Prozess gehalten. Das Urteil wollen die Richter am 12. Dezember um 13 Uhr verkünden.
Vier Freisprüche und eine Verurteilung zu zehn Monaten Haft auf Bewährung: Das waren die Anträge, die Oberstaatsanwalt Carsten Dombert und Staatsanwältin Gülkiz Yazir zuletzt gestellt hatten. Nun hatten die übrigen Berufsjuristen das Wort. Und diese kamen zu teils unterschiedlichen Bewertungen.
Unterschiedliche Bewertungen
Lisa Grüter, die im Prozess Mouhameds Brüder vertritt, möchte neben dem Einsatzleiter auch zwei weitere Angeklagte verurteilt sehen. „Mouhamed wurde mit dem Pfefferspray förmlich ins Schussfeld der Maschinenpistole hineingetrieben“, sagte sie.
Dass die Polizei beschlossen hatte, den seit mehr als einer halben Stunde an einer Mauer hockenden Jugendlichen mit Pfefferspray zu besprühen, war aus Sicht der Nebenklagevertreterin der grundsätzliche Fehler an diesem 8. August 2022. Ja, Mouhamed habe ein Messer auf seinen Bauch gerichtet gehabt, sagte sie. „Aber die Lage war ruhig und statisch.“ Der Jugendliche sei grundlos zum „reinen Objekt staatlichen Handelns geworden“.
„Objekt staatlichen Handelns“
Konkrete Strafanträge für den Einsatzleiter, die Beamtin mit dem Pfefferspray und einen Beamten, der einen Taser abgefeuert hatte, stellte Grüter nicht. Sie sagte aber mit Blick auf die Forderung der Staatsanwaltschaft: „Zehn Monate Haft auf Bewährung würden hier mit großem Unverständnis aufgenommen werden.“
Gänzlich anders bewerten dagegen die Verteidiger der fünf Angeklagten den Fall. Alle fünf Rechtsanwälte beantragten am Ende ihrer Plädoyers Freisprüche. Zum Teil jedoch aus unterschiedlichen Gründen.
Keine konkreten Anträge
Michael Emde, der Verteidiger des Einsatzleiters, forderte die Beteiligten auf, sich einmal in die konkrete Lage vor Ort hineinzuversetzen. Dem erfahrenen Beamten zu unterstellen, er habe einfach sein Ding durchgezogen und Mouhamed mit Pfefferspray besprühen lassen, obwohl gar keine konkrete Gefahr bestand, sei einfach verkehrt.
„Mein Mandant hat es sich alles andere als leicht gemacht“, sagte er. Man habe einfach nicht die Zeit gehabt, um ein SEK oder einen Psychologen anzufordern. „Es musste schnell gehandelt werden.“ Und da sei das Pfefferspray das geeignete und mildeste Mittel gewesen.
„Mussten schnell handeln“
Emde hält also den Pfefferspray-Einsatz für erlaubt. Und damit sei auch alles, was danach passiert sei, nicht rechtswidrig gewesen. Ähnlich äußerten sich später auch die anderen Verteidiger. Vor allem Christoph Krekeler, der den Maschinenpistolen-Schützen vertritt, warf aber noch eine andere Frage auf.
„Wer kann schon sagen, was Mouhamed wirklich im Sinn hatte, als er auf die Polizisten zulief“, fragte Krekeler. Er halte es nicht für ausgeschlossen, dass der Jugendliche tatsächlich mit dem Messer die Beamten abgreifen wollte.“ Aus seiner Sicht lag damit nicht nur eine eingebildete, sondern eine echte Notwehr-Situation vor.
Was hatte Mouhamed vor?
Während sich vier Angeklagte in ihren letzten Worten später nur den Ausführungen ihrer Verteidiger anschlossen, wollte eine Beamtin noch etwas sagen: „Keiner von uns hat das gewollt“, sagte sie unter Tränen. „Es tut mir so unfassbar leid für alle Beteiligten.“ Wichtig war ihr aber noch folgendes: „Rassismus spielte hier überhaupt keine Rolle.“
Zum Schluss des Sitzungstages weinten später auch Mouhameds Brüder. Mit gesenktem Kopf saßen sie auf ihren Stühlen. Der Vorwurf, dass ihr Bruder die Polizei doch angegriffen haben soll, hatte sie sichtlich mitgenommen.