Was wünschen sich Männer von ihrer Partnerin, Herr Bock? Paartherapeut über das, was Männern fehlt

Von Benedikt Bock
Was wünschen sich Männer von ihrer Partnerin?
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Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, soll einmal gefragt haben: „Was will das Weib?“ Aufgrund einiger zentraler Fehlannahmen, unter anderem jener, Frauen hätten einen Penisneid, wurde er aus ihnen – den Frauen – nicht klug. Man sollte daher meinen, die Beantwortung der Frage „Was will der Mann?“ wäre einfacher.

Ich musste aber grübeln. Mir fiel auf, dass ich eine erstaunliche Erkenntnislücke zu haben schien, denn mir fiel zu diesem Thema spontan nicht so richtig etwas ein. Das stimmt natürlich nicht ganz: Wenn Männer eine direkte Klage gegenüber ihren Partnerinnen führen, dann ist es doch sehr häufig die, dass im Bett zu wenig oder eher meistens nichts mehr läuft. Männern fehlt häufig der Sex mit ihren Partnerinnen. „Aber soll man mit diesem Klischee eine Kolumne füllen?“, dachte ich mir.

Nur nützt es nichts, darüber zu grübeln. Denn Klischees tragen nun einmal ein Fünkchen Wahrheit in sich. Und wie es eben häufig ist, steckt auch in diesem Thema ein anderes oder mehrere andere. So wie in einer Matroschka-Puppe stets eine oder mehrere andere stecken.

Wenn ein Paar zu mir kommt und dem Mann der Sex fehlt, ist die Situation paradox: Meist hält der Zustand schon über mindestens ein Jahr, die Vorwürfe dazu sind längst wiederholt ausgetauscht worden, und es wirkt völlig festgefahren. Dass „ein Mann“ Sex „braucht“, ist eine immer wiederholte Erzählung. Schließlich soll es ja den Sexualtrieb geben, der regelmäßig seine Befriedigung braucht, so wie Hunger das Essen. Zeigt die Frau keine Lust, bleibt der Mann also hungrig. Zu Recht, denkt man(n), führt er die Klage.

Es bleibt aber eine Frage unbeantwortet: Wenn es nur um Befriedigung des Sexualtriebes geht, warum geht das dann nur mit der Partnerin, wo es doch so viele andere Angebote gibt? Warum ist einzig sie diejenige, die den Mann aus dem Mangel erlösen kann?

Es geht um mehr

Offensichtlich geht es doch um etwas Weiteres, anderes, was den betreffenden Männern fehlt und was herausgearbeitet werden muss. Sex ist nicht nur einfach Triebabfuhr. Männer wünschen sich Bindung, Versorgung, Sicherheit. Im Sex mit der Partnerin vereint sich dies. Sie äußern deshalb meist, dass sie es vermissen würden, Sex von ihren Partnerinnen zu bekommen, und nicht, dass sie gerne Sex mit ihren Partnerinnen teilen möchten. Die Partnerin erscheint dabei nicht nur als ein „einfaches“ austauschbares Sexualobjekt, sondern als ein gebendes Subjekt.

Leider ist dies für eine betroffene Partnerin oft nicht so ohne weiteres zu erspüren. Sie bekommt eher mit, dass sie neben den alltäglichen Anforderungen eine weitere von ihrem Partner auferlegt bekommt, nämlich ihn durch Hingabe im Bett zufriedenzustellen. Sie erlebt keinen Raum, sich selbst als ihn begehrendes Subjekt zu erfahren, um sich ihrerseits etwas von ihm zu holen. Anders als bei Männern macht sich deshalb bei Frauen eine Unzufriedenheit in der Partnerschaft bisweilen als körperlicher Rückzug bemerkbar.

Was können Männer tun?

Was kann nun ein Ausweg sein? Für Männer gilt es einmal mehr, den eigenen Horizont zu erweitern und überhaupt erst einmal zu erkennen, dass es ihnen nur oberflächlich betrachtet um Sex geht. Das ist heikel. Denn der Wunsch nach Versorgung, Bindung und Sicherheit ist zwar völlig menschlich, aber er entspricht so ganz und gar nicht dem, was von einem Mann traditionell offen erwartet wird.

Ist die Sexualität aber davon ein Stück befreit, wird es sich nicht mehr darum drehen, wie man Sex bekommt, sondern auch, was man darin zu geben hat. Das bedeutet wiederum für die betroffene Partnerin, sich für das zu öffnen, was Sex mit ihrem Partner ihr geben kann, statt lediglich dafür, was sie im Sex meint oder gar befürchtet geben zu müssen.

Ich komme noch einmal zur Ausgangsfrage zurück: Was wünschen sich Männer von ihren Partnerinnen? Bei Lichte betrachtet dann doch nichts anderes, als Frauen es sich von ihren Partnern wünschen, nur anders gekleidet, vielleicht sogar verkleidet. Vielleicht musste ich deshalb so lange nachdenken. Männer sind in vielen Dingen eben wie Frauen – und umgekehrt.

Benedikt Bock (55) ist Diplom-Psychologe und Systemischer Therapeut mit Anerkennung durch die Systemische Gesellschaft (SG). Er arbeitet in seiner eigenen Praxis in Dortmund. Seit über 20 Jahren unterstützt er Paare und Einzelpersonen bei Problemen, die sich rund um die Themen Liebe und Beziehungen drehen. Dabei hat er entdeckt, dass Männer manchmal dankbar für einen eigenen geschützten Raum zum Reden sind. Näheres unter www.benedikt-bock.de.

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