„Warum lebst du eigentlich noch?“: Auch Karl-Heinz Czierpka bekommt anonyme Hassbriefe

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„Warum lebst du eigentlich noch?“: Auch Karl-Heinz Czierpka bekommt anonyme Hassbriefe

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Hassmails, Drohanrufe und böse Nachrichten - der Bürgermeister von Lügde berichtete nach dem Missbrauchs-Skandal von massiven Angriffen. Karl-Heinz Czierpka kann davon ebenfalls berichten.

Brackel

, 14.07.2019, 06:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Wenn Karl-Heinz Czierpka mit Bürgern im Dialog steht, muss der Brackeler Bezirksbürgermeister verbal immer wieder einstecken. „Manchmal wird es persönlich und als Vorsitzender eines Gremiums ist man dann schnell Zielscheibe und wird allein für die Entscheidung von 19 Menschen verantwortlich gemacht“, schildert er. Ähnliche Erfahrungen hatten mehrere Kommunalpolitiker in einer aktuellen Umfrage geschildert.

„Nachricht ging deutlich über `Czierpka ist doof´ hinaus“

Besonders bei einem Thema sind dem Brackeler Bezirksbürgermeister die bösen Nachrichten hängen geblieben: dem Bau der beiden Flüchtlingsunterkünfte in Brackel und Wickede. Zu dieser Zeit waren Beschimpfungen üblich, sagt Karl-Heinz Czierpka: „Das war extrem. Eine Nachricht ging deutlich über `Czierpka ist doof´ hinaus, da ermittelte dann die Staatsanwaltschaft vom Amts wegen.“

Der anonyme Briefschreiber habe wohl gehofft, dass Sätze wie „Warum lebt der eigentlich noch?“ juristisch lediglich als einfache Frage gewertet würden, so der Bezirksbürgermeister. Hier habe dann aber die Justiz, ebenso wie der Staatsschutz, unmissverständlich reagiert.

„Das war allerdings eine neue Qualität“

Ein zweiter Fall ist Karl-Heinz Czierpka im Gedächtnis geblieben: „In einem anonymen Brief drückte ein anderer Absender, sauer über einen Bebauungsplan in der Nachbarschaft, sein Bedauern darüber aus, dass es die RAF nicht mehr gäbe. Die hätten sich damals um Politiker wie mich gekümmert. Eine Drohung gegen mich persönlich wegen der Planung von öffentlich gefördertem Wohnraum, von mehreren Gremien beschlossen und in Dortmund dringend gebraucht - das war allerdings eine neue Qualität.“

Von solchen Nachrichten hatte auch Heinrich Josef Reker, der Bürgermeister der ostwestfälischen Stadt Lügde berichtet. Nachdem Missbrauchsfälle an Minderjährigen auf einem Lügder Campingplatz öffentlich wurden, wurde auch der Bürgermeister mit schlimmen Beschimpfungen konfrontiert. Er habe hunderte Hassmails und Drohanrufe bekommen, berichtete er der Rheinischen Post.

Kaum noch Hassmails, dafür aber Briefe

Hassmails bekommt der Brackeler Bezirksbürgermeister allerdings kaum noch. Viel zu deutlich sei es mittlerweile geworden, dass diese sehr wohl nachvollziehbar seien, auch wenn der Absender sich hinter einer Fantasieadresse verstecke. Stattdessen gebe es immer wieder anonyme Briefe mit teils wüsten Beschimpfungen.

„Doch die gab es immer schon“, sagt Karl-Heinz Czierpka. „Was sich geändert hat, ist die Tatsache, dass sich durch eine aufgeheizte Stimmung auch Menschen zu Wort melden, die ihre Informationen allein aus einer einzigen Quelle beziehen.“ Diese würden sich nicht die Mühe machen, einen anderen Standpunkt zu verstehen und in einer Meinungswelle mitschwimmen.

Solche bösen Nachrichten seien jedoch nicht bei jedem Thema zu erwarten: „Bei den normalen Problemen, etwa bei Beschwerden über zugeparkte Gehwege und nicht geschnittene Hecken und anderen Anregungen per Internet, Telefon, Brief oder an der Käsetheke entwickelt sich oft ein für beide Seiten interessanter Austausch.“

Bedrohungen sind kein Spaß

Dass die Bedrohungen, egal in welcher Häufigkeit, für Karl-Heinz Czierpka kein Spaß sind, wird deutlich, wenn er über die Auswirkungen für seine Familie spricht: „Wenn jemand bedroht wird oder sich bedroht fühlt, ist stets auch das Umfeld betroffen. Die Konsequenzen tragen immer mehrere Menschen.“ Darum sei es richtig, solchen Drohungen auch juristisch eine Bedeutung beizumessen.

Anderweitig sei die mögliche Konsequenz, dass durch Einschüchterungen möglicherweise aus verständlicher Angst Beschlüsse geändert würden, so Karl-Heinz Czierpka: „Das kann niemand wollen, dagegen muss sich die Gesellschaft mit allen Mitteln zur Wehr setzen. Und die Mittel sind da, sie müssen nur konsequent angewendet werden.“