Der Dortmunder Aladin El-Mafaalani war Professor für Politikwissenschaft und politische Soziologie an der Fachhochschule Münster und ist inzwischen Abteilungsleiter im NRW-Familienministerium. © Lutz Jaekel/laif
Integration
Wenn gelungene Integration mehr Konflikte verursacht als schlechte: 2 Dortmunder Beispiele
Gelungene Integration führt zu mehr Konflikten: Diese provokante These vertritt der Dortmunder Wissenschaftler Aladin El-Mafaalani. Er erklärt sie am Festi Ramazan und an der Hörder Moschee.
Integration wird immer wieder kontrovers diskutiert. Der Eindruck, es sei schlecht um sie bestellt, sei aber falsch. Das sagt Professor Aladin El-Mafaalani. Der Dortmunder ist 40 Jahre alt, Einwandererkind der zweiten Generation mit syrischen Wurzeln, in Datteln geboren. Er war Professor für Politikwissenschaft und politische Soziologie an der Fachhochschule Münster. Seit April 2018 ist er Abteilungsleiter im Ministerium für Kinder, Familien, Flüchtlinge und Integration in Nordrhein-Westfalen. Er veröffentlichte im August 2018 ein Sachbuch mit dem Titel „Das Integrationsparadox - Warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt“.
Die These klingt zunächst widersprüchlich. Deshalb erklärt El-Mafaalani seinen Ausgangspunkt: Generationsübergreifend seien das Bildungsniveau und die Erwerbstätigkeit bei Migranten gestiegen. Darin liege die Ursache für zunehmende gesellschaftliche Konflikte. Um das zu verdeutlichen, benutzt der Wissenschaftler in seinem Buch eine Metapher:
Die Metapher vom Katzentisch
Die erste Generation der Einwanderer habe noch keine volle „Zugehörigkeit und Teilhabe“ beansprucht: „Sie sitzen überwiegend am Katzentisch, während die Einheimischen am Tisch sitzen. (...) Die Migranten selbst, sind froh, überhaupt da zu sein, und vergleichsweise anspruchslos. (…) Die ersten Nachkommen beginnen, sich an den Tisch zu setzen. In der zweiten Generation gelingt Integration zunehmend. Die Migrantenkinder sprechen Deutsch, haben nie in einer anderen Heimat als Deutschland gelebt und sehen sich schon als Teil des Ganzen. (...) Und deshalb steigt das Konfliktpotenzial. Denn mehr Menschen sitzen jetzt am Tisch, wollen einen schönen Platz und wollen ein Stück vom Kuchen.“
Um seine These zu verdeutlichen, zieht El-Mafaalani zwei Beispiele aus Dortmund heran:
Beispiel 1: Das Festi Ramazan
Das Festi Ramazan ist das größte Ramadan-Fest Europas. Seit dem Beginn 2012 steht es immer wieder auf der Kippe und wird kontrovers diskutiert. Anwohner beschweren sich jedes Jahr aufs Neue über Lärm und parkende Autos. In sozialen Netzwerken verläuft die Debatte wesentlich schärfer. Hier fordern User teilweise sogar das Verbot der Veranstaltung.
Das Festi Ramazan ist das größte Ramadan-Fest Europas. © Peter Bandermann
Trotz der Debatten sieht El-Mafaalani das Fest als musterhaft für gute Integration: „Dass das Festi Ramazan überhaupt stattfindet, ist ein Erfolg. Es zeigt den Prozess der gesellschaftlichen Öffnung. Mir ist außer Dortmund keine Stadt in Deutschland bekannt, die ein solches Fest in dieser Form zulassen würde“, so der Forscher. Es dauere einen ganzen Monat, gefeiert werde immer bis spät in die Abendstunden. „Den Stress“ tue man sich als Veranstalter und auch als Stadt sicher nicht an, wenn es nicht „um einen legitimen Anspruch von zugehörigen Menschen“ ginge.
Zu den Verbots-Forderungen sagt er: „Die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, schwingt bei Kritik am Festi Ramazan oft mit.“ Die Proteste könnten als eine „absehbare Gegenbewegung“ gegen Integration betrachtet werden. Kritik und Streit könne man aber auch anders betrachten: Vor 30 oder 40 Jahren galten die eingewanderten Muslime als Gäste. Und Gäste behandelt man nun einmal gastfreundlicher. El-Mafaalani: „Sobald man aber dazugehört, streitet man – so ist das eben zu Hause.“ Insofern sei der Konflikt eher ein Zeichen, dass hier Integration gelungen sei.
Solche Konflikte seien unvermeidbar. Es sei naiv zu glauben, dass Reibungen ausbleiben, wenn plötzlich Männer mit langen Bärten oder Frauen mit Kopftuch mit am metaphorischen Tisch sitzen – und Beteiligung fordern.
Beispiel 2: Die Hörder Sultan-Ahmet-Moschee
Im Juni 2016 ist die Sultan-Ahmet-Moschee in Hörde eröffnet worden. Die Ankündigung, eine Moschee zu bauen, löste eine Debatte aus. Gegner traten mit unterschiedlichen Argumenten auf den Plan.
Die Hörder Sultan-Ahmet-Moschee ist nach außen als Gotteshaus erkennbar. Das gefällt nicht jedem. © Sarah Rauch
Während der dreieinhalb Jahre Bauzeit haben Rechtsextreme gegen das Vorhaben demonstriert. Es gründete sich der „Runde Tisch Grimmelsiepen“ unter Mitwirkung anderer Glaubensrichtungen und vieler Stadtteil-Akteure.
„Es gab damals viele Pauschalurteile und einen scharfen Ton gegenüber Menschen, die schon seit Jahrzehnten hier leben“, sagte der Wellinghofer Pfarrer Niels Back bereits im April 2016.
Letztlich haben sich die Konflikte weitgehend aufgelöst. Und der Dialog mit Kritikern in Hörde gilt als modellhaft. Ergebnis dieses Dialogs ist auch die Architektur der Moschee. Mit vielen Fenstern soll sie laut der Gemeinde symbolisieren: Was hier passiert, ist transparent, nicht versteckt.
Für El-Mafaalani greift bei dem Moscheebau die Tisch-Metapher. Die Verwurzelung der Muslime werde mit einer repräsentativen Moschee sichtbar: „Sie sitzen nicht mehr am Rand, sondern am Tisch – und nehmen in diesem Fall deutlich Einfluss auf das Stadtbild.“
Dennoch sei es legitim zu fragen, warum Muslime überhaupt solch eine Moschee brauchen, so El-Mafaalani – oder ob diese Bauten möglicherweise von ausländischen Staaten mit bestimmten Interessen finanziert würden. Aber grundsätzlich: „Muslime verbinden mit repräsentativen Gotteshäusern Heimatgefühle. Sie machen klar, dass sie hier bleiben wollen, dazugehören und die Stadt mitgestalten wollen. Das ist ein Ausdruck erfolgreicher Integration“, so der Professor. Ganz anders als kleine Hinterhofmoscheen.
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