Warnung vor Asbest-Welle Dortmunder Experte sagt, wo die unsichtbare Gefahr lauert

Asbest-Gefahr beim Sanieren: Heimwerker sollten vorsichtig sein
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Das Haus an der Persebecker Straße wurde 1905 gebaut. Nach der Jahrhundertwende wurde noch kein Asbest verbaut. In den 50er- und 70er-Jahren aber wurde einiges saniert - wahrscheinlich mit asbesthaltigem Material. Die Bäder wurden neu gemacht und im hinteren Teil wurde die Außenwand aus Steinziegeln gedämmt. Mittlerweile sind sowohl die damals erneuerten Bäder als auch die an der Außenwand angebrachten Platten in die Jahre gekommen.

„Die neue Eigentümerin der Immobilie macht sich vor allem Gedanken über die energetische Sanierung ihres Altbaus. Da sie in den Anfang der 70er-Jahre vorgesetzten Fassadenplatten Asbest vermutet, möchte sie das vor einer neuerlichen Fassadendämmung abgeklärt haben“, sagt der Asbest-Experte Dennis Burmann.

Der Schadstoffsanierer der Firma Universal Bauservice in Barop stellt schon beim ersten Blick auf die graugrüne Außenhaut fest: „Das sind Asbest-Zement-Platten. Sie enthalten festgebundenen Asbest. Das heißt: Die Fasern werden nur bei Beschädigung freigesetzt. Ich sehe aber durch die Witterung entstandene Risse, durch die Asbestfasern freigesetzt werden könnten. Wenn, dann muss die Fassade fachgerecht demontiert werden.“

Auch in den Bädern aus den 50er-Jahren sei Vorsicht geboten. „Es kann gesundheitsgefährdend sein, hier einfach die Fliesen rauszureißen. Ab etwa 1950 ist auch in Fliesenklebern Asbest verbaut worden“, so Dennis Burmann.

„Zwei Sanierungsjahrzehnte“

Und Häuser, die nach 1950 gebaut wurden, gibt es viele. In Nordrhein-Westfalen lauern in mehr als zwei Millionen zwischen 1950 und 1990 errichteten Wohngebäuden Asbestgefahren, schätzt die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und warnt vor einer „Asbest-Welle“: „Wir stehen am Anfang von zwei Sanierungsjahrzehnten. Die energetische Gebäudesanierung wird enorm an Fahrt aufnehmen und damit auch die Asbest-Welle“, sagt Carsten Burckhardt, Arbeitsschutz-Experte im Vorstand der IG BAU. Außerdem würden Wohnhäuser modernisiert und senioren- oder familiengerecht umgebaut.

Wie der Nachbar will auch die neue Eigentümerin des angrenzenden Altbaus die Fassade demnächst neu dämmen. Der Schadstoffsanierer Dennis Burmann in Dortmund erkennt die Asbestzement-Platten sofort. Sie müssen fachgerecht demontiert und besonders entsorgt werden. Die Kosten kann er nur schwer schätzen, sie bewegen sich je nach Aufwand zwischen 12 und 30 Euro pro Quadratmeter.
Wie der Nachbar will auch die neue Eigentümerin des angrenzenden Altbaus die Fassade demnächst neu dämmen. Der Schadstoffsanierer Dennis Burmann erkennt die Asbestzement-Platten sofort. Sie müssen fachgerecht demontiert und besonders entsorgt werden. Die Kosten kann er nur schwer schätzen, sie bewegen sich je nach Aufwand zwischen 12 und 30 Euro pro Quadratmeter. © Peter Wulle

Nicht nur Beschäftigte auf dem Bau, erklärt der Regionalleiter der IG BAU in Dortmund, Björn Wißuwa, könnten bald verstärkt lebensgefährlichen Asbeststäuben ausgesetzt werden, sondern auch Millionen Heimwerkende, die ihre Wohnung oder ihr Haus eigenhändig umbauen möchten und womöglich nicht einmal ahnen, dass selbst das Entfernen alter Fliesen oder Fußböden oder die Erneuerung einer Heizung die gefährlichen Stäube freisetzen kann.

Der Dortmunder Experte Dennis Burmann warnt vor einer „unsichtbaren Gefahr“ durch Asbest: „Welcher Handwerker oder Heimwerker fängt erst an, alles zu beproben, bevor er loslegt? Das ist allerdings sehr ratsam. Floorflexplatten zum Beispiel sind alte gräulich-weiße Bodenbeläge, die früher mit schwarzem Kleber aufgebracht wurden. Beide Materialien sind problematisch, denn sie enthalten Asbest.“

Außerdem zählt er auf, wo Asbest noch überall lauert: „Dachbaustoffe, Fensterbänke, Lüftungskanäle und Abwasserrohre wurden aus Asbestzement hergestellt. Und asbesthaltige Putz- und Spachtelmassen wurden bis in die 90er-Jahre verwendet. Die kann man gar nicht erkennen, die muss man beproben.“

Einst ein „Wunderbaustoff“

Asbest, das einst als hervorragend zu verarbeitender „Wunderbaustoff“ galt, ist in Deutschland zwar schon seit 1993 verboten, doch in den meisten Gebäuden, die davor gebaut wurden, vor allem in den 1950-er und 1960-er Jahren, stecken diese mineralischen Fasern eben noch immer. Besonders als Brand- und Wärmeschutzisolierung oder in Dach- und Fassadenplatten wurde Asbest verbaut.

Wer seine Atemwege den unsichtbaren Fasern aussetzt, kann Jahre oder Jahrzehnte später schwer erkranken. Zum Beispiel an Asbest-Staublunge, Lungen-, Bauchfell- und Kehlkopfkrebs, wie Michael Kirsch, Vize-Geschäftsführer der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, erklärt. Die Bewohnerinnen und Bewohner von mit Asbest belasteten Häusern seien zwar nicht direkt gefährdet, das Risiko sei aber immer dann groß, wenn am Gebäude gearbeitet werde.

Ein leere Küche
Auch hier in der Küche lauern für Heimwerker Asbest-Gefahren: der Bodenbelag, der rausgerissen wurde, wurde mit asbesthaltigem Kleber befestigt. Dieser Kleber ist an seiner schwarzen Farbe sehr gut zu erkennen. Und wer jetzt hier auf die Idee kommt, den Fliesenspiegel abzuhauen, sollte bedenken, dass bis Ende der 80er-Jahre auch asbesthaltige Putz- und Spachtelmassen verwendet wurden. © Universal Bauservice

Zwischen 1950 und 1990 wurden rund 4,35 Millionen Tonnen der in der Natur vorkommenden faserigen Mineralien unter dem Sammelbegriff Asbest nach Deutschland importiert. Fest im Baumaterial gebunden geht von den Mineralfasern in der Regel keine Gefahr aus. Bei Abbrucharbeiten und Sanierungen wird der Stoff allerdings freigesetzt und über die Atemwege aufgenommen.

Ein großes Problem ist laut der IG BAU und Dennis Burmann der Spritz-Asbest, weil die Fasern dort schwächer gebunden seien. „Vor allem Aufzugsschächte sowie Schächte mit Versorgungs- und Entsorgungsleitungen wurden früher intensiv mit Spritz-Asbest verkleidet. Auch leichte Bauplatten zur Dachisolierung oder Wärmedämmung können schwach gebundenen Asbest enthalten“, erläutert Dennis Burmann.

Wer in Gebäuden aus den 50er- bis 80er-Jahren einen Durchbruch plant oder den Boden austauschen möchte, dem rät der Fachmann dazu, ein Prüflabor bzw. ein Ingenieurbüro zu kontaktieren. „Auch das örtliche Bauamt, das Umweltamt oder das Gesundheitsamt sind Ansprechpartner. Die Kosten für eine einfache Probenanalyse belaufen sich auf rund 100 Euro“, sagt Dennis Burmann.

Asbest-Gebäudepass gefordert

Grundsätzlich, so der Schadstoffsanierer, ist bei allen Gebäuden, mit deren Bau vor dem 31. Oktober 1993 begonnen wurde, mit Asbest zu rechnen. Vor Beginn der Arbeiten sollte daher untersucht werden, ob asbesthaltige Materialien verbaut wurden.

„Ist das Ergebnis positiv, dann sollten Sie eine qualifizierte Fachfirma beauftragen“, rät Dennis Burmann. Solche Firmen müssen besondere sicherheitstechnische und personelle Voraussetzungen erfüllen. Asbesthaltige Materialien müssen als gefährliche Abfälle gesammelt und entsorgt werden.

Ein Mann in Schutzkleidung arbeitet an einem Hausdach
Asbest ist eine Gefahr für die Atemwege. Zum Beispiel Dachbaustoffe, die Asbest enthalten, werden unter großen Sicherheitsvorkehrungen entsorgt. © Universal Bauservice

Entscheidend sei es, eine „Asbest-Welle“ sowohl bei Bauarbeitern als auch bei Heimwerkern zu vermeiden, fordert die IG BAU und legt eine „Asbest-Charta“ vor. Darin pocht sie unter anderem auf einen Asbest-Gebäudepass.

Dennis Burmann stellt fest, dass die Asbest-Thematik immer mehr Hauseigentümer in Dortmund beschäftigt und seine Expertise immer stärker gefragt ist. „Wir bekommen jetzt öfter Anrufe und Anfragen wegen eines Asbestverdachts“, sagt er. Die zwei Sanierungsjahrzehnte haben ja auch bereits begonnen.

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