Wer den Wahlabend auf der Wahlparty der SPD im Ratssaal des Dortmunder Rathauses verfolgte, konnte den Eindruck bekommen, bei zwei unterschiedlichen Parteien zu Gast zu sein.
Um 18 Uhr, als die ersten Hochrechnungen der Bundestagswahl auf dem großen Bildschirm des Saales erschienen, blickte man in versteinerte Mienen. Es herrschte fassungslose Stille ob des historisch schlechten SPD-Bundesergebnisses. Was die Stimmung weiter drückte, war der dröhnende Jubel, der quer durch die Bürgerhalle von der AfD herüberschwappte.
Umarmungen und rote Blumensträuße
Dann, gegen 20.30 Uhr, gleicher Ort, gleiche Menschen, aber eine ganz andere Atmosphäre: Jubel, überall Umarmungen, rote Blumensträuße wurden verteilt. Plötzlich feierte sich die SPD als Siegerin. Die beiden Dortmunder Direktkandidaten Sabine Poschmann und Jens Peick lagen uneinholbar vorne.
Wenigstens die beiden Wahlkreise in Dortmund bleiben in sozialdemokratischer Hand – bei den Erststimmen relativ deutlich, bei den Zweitstimmen knapp.
0,9 Prozentpunkte Vorsprung statt 15,4
Historisch knapp, denn die SPD fiel dortmundweit bei den Zweitstimmen von 34 auf 23,7 Prozent, die CDU hingegen steigerte sich von 18,6 auf 22,8 Prozent. Der Vorsprung der Sozial- auf die Christdemokraten ist in Dortmund also von 15,4 auf 0,9 Prozentpunkte gefallen.
So richtig glücklich machte das die CDU allerdings nicht. Bis zuletzt hatte Parteichef Sascha Mader gehofft, einen der beiden Dortmunder Wahlkreise zu gewinnen. Und viele seiner Parteifreunde hatten auf ein bundesweites Ergebnis jenseits der 30 Prozent erhofft. Vergeblich.

Innenstadt-Nord: Linke bei fast 30 Prozent
Wie bunt Dortmund mittlerweile ist, zeigt ein Blick auf die Karte der Stadtbezirke. Bei früheren Wahlen war die Karte weitestgehend SPD-rot, maximal im Süden CDU-schwarz eingefärbt. 2025 aber sind gleich fünf Parteien irgendwo auf Platz 1:
Die CDU in Hombruch, Hörde, Aplerbeck und Innenstadt-Ost, die AfD in Mengede und Scharnhorst, die Grünen in Innenstadt-West – und Die Linke feierte mit fast 30 Prozent in der Innenstadt-Nord einen historischen Erfolg. Der SPD bleiben einzig Siege in Lütgendortmund, Huckarde, Eving und Brackel. Andere klassische Arbeiterbezirke wählen nun aber verstärkt extrem – entweder links oder rechts.
Zu den Ergebnissen mit allen Dortmunder Ergebnissen geht es hier:

18,5 Prozent für Matthias Helferich
Die Linke schaffte es dortmundweit, ihr Ergebnis von 2021 mehr als zu verdoppeln – von 4,7 auf 11 Prozent. Die AfD schraubte ihren Stimmanteil von 7,4 auf 16,8 Prozent hoch. Bemerkenswert: Beide AfD-Direktkandidaten holten mehr Erststimmen als ihre Partei Zweitstimmen.
Das galt für Heiner Garbe im Süden und Westen der Stadt, aber noch mehr für Partei-Rechtsaußen Matthias Helferich im anderen Dortmunder Wahlbezirk: Er landete bei fast 18,5 Prozent.

Werden die Grünen links überholt?
Und die Grünen? Sie schneiden in Dortmund ein bisschen besser ab als im gesamten Land. Aber auch hier fallen sie – von 18 auf rund 13,4 Prozent. Sie können sich darüber freuen, eine ihrer urbanen Innenstadt-Bastionen zu halten. Doch die linke Konkurrenz droht sie zu überflügeln, so wie es in der nördlichen Innenstadt ja schon geschehen ist.
Dortmund ist ein solcher Flickenteppich geworden, wie es vor einigen Jahren nur Städte wie Berlin waren: rot, grün, schwarz, blau, lila. Das geht weiter und weiter zu Lasten der SPD.

Der Gewinner: die Demokratie
Und so pendelt die weiter zwischen Schock und trotzigem Jubel. Bei der Europawahl 2024 hatte sie ja sogar hinter der CDU gelegen – war es also dieses Mal doch ein Wahlsieg?
Ohne Zweifel ist jedoch die Demokratie der Gewinner. Mehr als 80 Prozent der rund 400.000 Wahlberechtigen gaben ihre Stimme ab. 2021 waren es noch 73,8 Prozent gewesen – und selbst das galt schon als guter Wert.